BAUZE1TÜNG
Nr. 3
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Säulen in Eisenbeton
Yon Dr.-Ing. W. Frank- Stuttgart
Während bei eisernen Stützen exzentrische Belastung
möglichst vermieden wird, werden Eisenbetonsäulen mit
den darauf lastenden Unterzügen stets zusammenbetoniert,
ja, es tritt sogar an der Verbindungsstelle meist eine Ver
stärkung des Unterzugs ein, so daß Säule und Unterzug
einen möglichst steifen Rahmen bilden, welcher nicht
bloß vertikale Lasten aufzunehmen vermag, sondern vor
allem auch gegen horizontale Kräfte (Winddruck, Stoß
wirkungen von in Bewegung befindlichen Maschinen u. s.w.)
die nötige Standsicherheit aufweist.
Durch die starre Verbindung des ünterzugs mit der
Säule wird die Biegung desselben auf die Säule über
tragen, so daß selbst bei nur vertikaler Belastung von
zentrischer Beanspruchung keine Rede mehr sein kann.
Exzentrische Belastung ist auch vorhanden, wenn sich
an den Säulen Konsolen zur Aufnahme von Trans
missionslagern oder von Laufkranen befinden, welche die
Säulen stark auf Biegung beanspruchen.
In der starren Verbindung zwischen Unterzug und
Säule liegt eben ein Hauptvorteil der Eisenbetonkonstruk
tionen; sie verleiht zusammen mit der Massenwirkung des
Betons der Konstruktion eine große Widerstandsfähigkeit
gegen Erschütterungen jeder Art. Es sind schon Fabrik
gebäude in Eisenbeton konstruiert worden, bei denen auf
ein und derselben Decke schwere Maschinen mit starker
Stoßwirkung beim Gang untergebracht waren, während
gleichzeitig ein Teil des Raums als Zeichensaal abgegrenzt
und ohne Störung benutzt werden konnte.
Man wird deshalb diesen Vorteilen gegenüber gerne
die geringfügigen Nachteile mit in Kauf nehmen, welche
die exzentrische Belastung der Säulen mit sich bringt.
Von seiten des Architekten wird als Mißstand bei
Eisenbetonsäulen vor allem ihre im Vergleich mit Bisen
konstruktionen größere Stärke empfunden.
In dieser Beziehung ist man seit Einführung der
Spiralarmierung bei meist achteckigem Querschnitt der
Säulen in der Lage, die Säulendimension auf ein Minimum
zu reduzieren, unter welches man auch vom ästhetischen
Standpunkt nicht heruntergehen sollte. Ganz verfehlt ist
die Idee, eiserne Säulen in Verbindung mit Eisenbeton
unterzügen verwenden zu wollen. Abgesehen davon, daß
durch die hierbei notwendige feuersichere Ummantelung
der Säulen auch wieder eine wesentliche Vergrößerung
des Querschnitts eintritt, verliert eine derartige Konstruktion
gerade die Hauptsache, nämlich die gegenseitige Ver
steifung, wie sie bei einer reinen Eisenbetonkonstruktion
vorhanden ist.
Die Anwendung der Spiralarmierung ist nun aller-
dings durch die bestehenden amtlichen Vorschriften
über Eisenbeton etwas
gehemmt; diese Vor
schriften sind überhaupt,
soweit sie Säulen bzw.
Stützen betreffen, derart,
daß der Eisenbetonbau
dadurch geschädigt ist.
Die amtlichen preußi
schen „Bestimmungen für
die Ausführung von Kon
struktion en ausEisenbeton
bei Hochbauten“ vom
24. Mai 1907 besagen, daß
der Beton in den Stützen
mit nicht mehr als einem
Zehntel seiner Druck
festigkeit beansprucht
werden darf. Unter Druck
festigkeit ist hier offenbar die Würfelfestigkeit verstanden.
Da diese bei den in Betracht kommenden Mischungs
verhältnissen und unter sonst günstigsten Umständen
ca. 300 kg/qcm beträgt, so kommt man auf eine Be
anspruchung von 30 kg/qcm, wie sie von den meisten
Baupolizeibehörden des Reichs in Anlehnung an die amt
lichen preußischen Vorschriften verlangt wird.
Eine Beanspruchung von 30 kg/qcm ist aber bei
stärker belasteten Säulen, also bei Säulen größeren Durch
messers, viel zu nieder, was besonders in die Augen
springt, wenn man damit die hohen Biegungsspannungen
von 40 kg/qcm in dünnen Eisenbetonplatten vergleicht.
Man konnte nicht erwarten, daß sich die amtliche Vor
schrift schon eingehend mit Säulen verschiedener Ar
mierungsweise befaßt, weil damals noch zu wenig Ver
suchsresultate Vorlagen, es wäre aber doch zweckmäßig
gewesen, wenn die amtliche Vorschrift etwas mehr indi
vidualisiert und nicht für sämtliche Säulen, ohne Rück
sicht auf ihre besonderen Verhältnisse, dieselbe Druck
spannung vorgeschrieben hätte. Die nebenbei noch
vorgesehene Berechnung auf Knickung nach der Euler-
schen Knickformel beeinflußt den bereits auf Grund der
zulässigen Druckspannung erhaltenen Säulenquerschnitt
in den wenigsten Fällen, da dieser fast immer so groß
wird, daß Knickung von vornherein ausgeschlossen ist.
Zwar ist in den amtlichen Normen auch angegeben,
daß auf die Möglichkeit einseitiger Belastung Rücksicht
zu nehmen sei; in welcher Weise dies jedoch geschehen
soll, ist nicht gesagt, wie auch bei der Eulerschen
Knickformel nicht darauf aufmerksam gemacht ist, ob
freie Endlagerung angenommen werden soll.
Gegenüber diesen deutschen Vorschriften sind die fran
zösischen und die österreichischen präziser; insbesondere
die erstgenannten nehmen auf die Art der Querarmierung