28. Auguat 1909
BAUZEITUNQ
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Die Wohnung der Neuzeit
Halle im Hause Simon in Berlin
Geh. Regierungsrat Dr.-Ing. A. Messel-Berlin (Siehe Nr. 34)
Prof. Mörsch bestritt, daß der schlechten Auflage
rung des Blechträgers ein so großes Gewicht beigelegt
werden dürfe, wie von Mörike und Gunzenhauser ge
schehen, er zeigte, wie ein Auflagerdruck nahe der inneren
Mauerkante durch Absprengen der letzteren die Rekti
fikation des Auflagers ganz von selbst bewirkte und wie
das Mauerwerk vermöge seiner Elastizität der Aufbiegung
des Trägerendes gewissermaßen folge, ein Hauptgrund
dafür, weshalb die im Hochbau häufige rohe Träger
auflagerung niemals schädliche Folgen erzeuge.
Der „Stelzenform“ des Pfeilers D legt Prof. Mörsch
keine Bedeutung bei, da der Pfeiler nicht frei stand,
sondern durch die Fensterbrüstungen genügend seitlich
versteift war.
Prof. Mörsch faßte seine Ausführungen dahin zu
sammen, daß der „Stelzenform“ gar keine, der schlechten
Trägerauflagerung nur eine beschränkte Schuld bei
sich nicht schon in der Voruntersuchung mit gleicher Deutlichkeit
ausgesprochen haben, denn dann wäre mir die Anklage erspart
geblieben. Der „ümfall“ der Zeugen Hartenstein, Bauer, Kies u. s. w.
brachte ja keine Momente, die den Sachverständigen als Männern
vom Fach hätten überraschend sein und ihre Auffassung beeinflussen
können.
zumessen, der Einsturz daher in der Hauptsache nur
durch überaus schlechtes Mauerwerk zu erklären sei.
Nun kam der Statiker Prof. Kriemler von der Tech
nischen Hochschule zu Wort. Derselbe konstatierte
zunächst, daß er eigentlich gar nicht orientiert sei, ins
besondere keinerlei Berechnung gemacht habe und seine
Bekanntschaft mit dem Gegenstand nur einer Besprechung
mit Oberbaurat Mörike verdanke. Da müsse er nun sagen,
daß er in erster Linie den Planfertiger verantwortlich
mache. Wie könne man überhaupt einen solchen Plan
aufstellen? Während ein richtiges Haus, wie zum Bei
spiel das dem Gerichtssaal gegenüberliegende (ülrich-
straße 9), zwischen den Fenstern ordentliche Wandflächen
zeige, habe dieses Haus in seiner Straßenfront und be
sonders auf der eingestürzten Nebenseite nichts als
Fenster. Dazu seien die vier obersten Stockwerke, die
allein schon ein großes Haus darstellen, einfach über den
Umfassungswänden ins Hohle gesetzt. Einen solchen
Plan hätte er nie und nimmer gemacht. Er hätte in
den unteren Stockwerken mindestens eine Querwand
hineingezogen. Ein solches Haus ohne andre innere
Versteifung als die oberen Zwischenwände aus Fachwerk
sei geradezu ein Kartenhaus, und man dürfe sich nicht
wundern, wenn das einfalle. Wenn er Chef gewesen