Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1909)

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BAÜZEITUNG 
Nr. 35 
wäre, dann hätte er alle Konstruktionen doppelt stark 
gezeichnet und es dem Statiker überlassen, dieselben auf 
die richtige Stärke zu reduzieren. 
Auch sonst entwickelte der Redner eigenartige An 
schauungen. 
Er verglich den Blechträger D—Q mit dem Träger 
einer Eisenbahnbrücke. Dort sei es selbstverständlich, 
daß man ein bewegliches Auflager auf einer gewölbten 
Eisenplatte schaffe, und das hätte auch hierhergehört. 
Die Meinung, es komme bei Werkplänen darauf 
an, wem man sie übergehe, sei falsch. Der Architekt 
müsse seine Werkpläne so peinlich durcharheiten, daß 
nicht das allergeringste dem Generalunternehmer, 
bzw. Bauleiter oder Bauführer überlassen bleibe, da 
solche aus der Baugewerkschule hervorgegangene Leute 
ganz außerstande seien, von sich aus für die Solidität 
des Bauwesens zu sorgen, weil sie von Statik gar 
keine Ahnung hätten. So wenig ein Kranken 
pfleger ohne genaue Anweisung des Arztes irgend etwas 
an dem Kranken vornehmen dürfe, so wenig dürfe ein 
Bauführer irgendeine auch noch so geringfügige konstruk 
tive Einzelheit eines Baus selber bestimmen, (!) 
Diese Ausführungen fanden, wie zu erwarten war, 
von allen Seiten her Widerspruch. Auch der Staats 
anwalt bezeichnete dieselben als wohl allzu theoretisch 
und fragte den Sachverständigen, ob er schon Hochbauten 
ausgeftihrt habe, ferner, ob es ihm bekannt sei, wie es 
in der Praxis bezüglich des Verhältnisses von Architekt 
und Bauführer gehalten werde. Beide Fragen mußte 
Prof. Kriemler verneinen. 
Dr.Frank hob den prinzipiellen Unterschied zwischen 
der Funktion eines Eisenbahnbrückenträgers, über welchen 
Schnellzüge hinwegsausen, und derjenigen eines Unterzugs 
im Hochbau heiwor. Er betonte, daß im letzteren Fall 
nicht bloß der Gesichtspunkt des zentrischen Auflager 
drucks auf den Mauerkörper, sondern auch derjenige 
der satten Verbindung mit der Mauer in Betracht 
komme, wodurch der Unterzug im Verein mit der Decke 
zur Versteifung des Baus wesentlich beitrage. Erst 
durch die bewegliche Auflagerung des Blechträgers, wie 
sie Prof. Kriemler verlange, würde das Haus zum 
„Kartenhaus“ werden. Im übrigen gelangte Dr. Frank 
im Verlauf seiner ausführlichen Darlegung zu einem 
ähnlichen Resultat wie Prof. Mörsch. 
Der von Fohrmann bzw. von der Firma Krüger 
& Lauermann schon unmittelbar nach dem Einsturz zu 
gezogene Statiker Prof. Boost von der Technischen 
Hochschule in Charlottenburg suchte die Ursache des 
Einsturzes nicht in dem Pfeiler D, sondern in der gegen 
überliegenden, sechs Stock hohen Eisenfachwerkswand 
des Treppenhauses, die unmöglich genau im Senkel habe 
stehen können, daher auf ihrer Unterlage ausgeglitten 
sei und im Fallen den ganzen mittleren Hausteil mit 
sich gerissen habe. Solche hohe Fachwerkswände seien 
wirkliche „Kartenhaus“-Konstruktionen und sollten bau 
polizeilich gar nicht erlaubt sein. Auch dieser Sach 
verständige fand lebhaften Widerspruch; es wurde ihm 
entgegengehalten, daß die Wand durch Gebälke u. s. w. 
genügend Zusammenhalt mit dem übrigen gehabt habe, 
um nicht in sich zusammenfallen zu können. Sie wäre 
sicher auch stehengeblieben, wenn man ihre Unterlage 
im Souterrain entfernt hätte. Wenn diese Wände so 
gefährlich wären, so müßten bei uns täglich Hauseinstürze 
erfolgen. 
Die nun folgenden Praktiker, Baurat Kuhn, Re 
gierungsbaumeister Dollinger, Oberbaurat Eisen 
lohr, Baurat Hofacker, Werkmeister Rebmann 
sprachen sich alle dahin aus, daß der Beschaffenheit des 
Mauerwerks eine wesentliche Schuld am Einsturz zu 
zuschreiben sei, daß dagegen die gelieferten Werkpläne 
völlig hinreichend waren, um eine gute Ausführung danach 
zu machen. Bezüglich der Verantwortlichkeit der „Bau 
leitung der Rheinischen Kreditbank“ war die Mehrzahl 
darin einig, daß letzterer nur eine kontrollierende Be 
deutung zukam, daß sie aber offensichtlichen Pfuschereien 
gegenüber einzugreifen hatte. Der von Fohrmann weiter 
beigezogene Sachverständige, Architekt Sievogt aus 
Karlsruhe, sprach treffende Worte über die Schwierig 
keiten, mit denen der Leiter eines Bauwesens zu kämpfen 
habe, und warnte davor, einem solchen eine allzu große 
Verantwortung aufzubürden. 
Einen Eindruck haben die Vorträge der Sachver 
ständigen zusammen mit den Zeugenaussagen bei den 
fachmännischen Zuhörern jedenfalls hinterlassen: Die 
üeberzeugung, daß die ganz unverantwortliche 
Arbeit der italienischen Maurer selber es 
gewesen ist, die den Einsturz herbeige 
führt hat! 
Die Lehren aus diesem Prozeß, die sich 
für Bauherren, Unternehmer, Architekten, Sachverstän 
dige u. s. w. ergeben, sind deutlich genug zu erkennen. 
Die Bauherren werden sich sagen müssen, daß eine Ver 
gebung in Generalentreprise nur unter ganz bestimmten 
Voraussetzungen, die hier offenbar nicht erfüllt waren, 
empfehlenswert ist. Die Unternehmer werden sich 
dasselbe verhalten und außerdem in der Wahl ihrer Unter 
akkordanten größere Vorsicht beobachten müssen, als es 
hier geschehen ist. Die Architekten werden gut 
daran tun, die Fertigung von Konstruktionszeichnungen 
ganz abzulehnen, sobald sich zeigt, daß der General 
unternehmer sich doch nicht daran hält; sollte im übrigen 
der (hoffentlich seltene) Fall eintreten, daß sie in eine 
Untersuchung verwickelt werden, so mögen sie sich ja 
nicht ohne weiteres auf die fachmännische Einsicht der 
untersuchungftihrenden Sachverständigen verlassen, sondern 
mit Hilfe eines Rechtsanwalts der Sache sofort selbst 
auf den Grund gehen. 
Die Sachverständigen sollten es grundsätzlich 
ablehnen, Fälle zu begutachten bzw. Fragen zu erörtern, 
die auf einem Gebiet liegen, auf dem sie nicht durch 
tagtägliche Uebung ganz und gar zu Hause 
sind, da sonst notwendig eine Unsicherheit, eine 
ausweichende Art des Gutachtens herauskommt, 
mit welcher der Sache nicht gedient ist, die aber für 
gewisse Beteiligte recht unangenehme Folgen haben 
kann.. 
Die Gerichte sind naturgemäß nicht immer genau 
darüber orientiert, welche von den zur Verfügung stehen 
den Sachverständigen für den jeweiligen Fall besonders 
zuständig sind, sie werden aber in dieser Beziehung von 
den technischen Vereinen auf Anfrage gewiß gerne 
beraten werden. 
Ein neues Nutzholz 
Das Forstdepartement der Vereinigten Staaten sieht 
sich jetzt ernstlich nach neuen Nutzhölzern um; da die 
Eichenwälder in den östlichen Staaten sich ganz bedeu 
tend lichten, richtet sich die Aufmerksamkeit des Forst 
departements auf die noch immer riesigen Bestände an 
„Gerberloheiche“ (Tanbark-Oak) in Kalifornien. Dieser 
Baum ist bisher sehr übel behandelt worden. Wert 
wurde bislang nur auf seine zum Gerben benutzte Rinde 
gelegt. Die gefällten entrindeten Bäume konnte man 
nicht anders verweilen — man machte aus ihnen Klein 
holz zum Feuern. Jetzt soll das anders werden. Wie 
„Scientific American“ berichtet, werden jetzt durch Sach 
verständige ausgedehnte Versuche angestellt, um zu be 
stimmen, bis zu welcher Ausdehnung ein Ersatz des bis 
her gebrauchten Eichenholzes durch das der kalifornischen 
Loheiche möglich ist. Schon jetzt haben sie festgestellt, 
daß sich das letztere ganz vorzüglich für Bauzwecke, so 
auch als Fußbodenbolag und Wandtäfelung eignet. Rs.
	        
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