16. Januar 1909
BAUZBITÜNG
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Schußmitglieder. Nach Begrüßung der Erschienenen durch
den Vorstand wurde in ehrender Weise der verstorbenen
Mitglieder Oberbahnmeister Rocker in Ulm und Bauamts
werkmeister Volk in Reutlingen gedacht. Der ziemlich
umfangreiche Einlauf wurde soweit als möglich sofort
erledigt. Es kam zum Vortrag, daß die bei der letzten
Ausschußsitzung beschlossene Eingabe an die Kgl. General
direktion der Staatseisenbahnen mit der Bitte um Aende-
rung der Anstellungsgrundsätze für die Bahnmeister nnd
technischen Eisenbahnsekretäre bezüglich des Anfangs
gehaltes im Monat September vorigen Jahres abgegangen
und bereits unter dem 6. Oktober v. J. leider eine ab
schlägige Antwort eingetroffen ist. Die weiter beschlossene
Eingabe an die Kammer der Abgeordneten sowie an die
Erste Kammer betreffend Bitte um Schaffung einer
weiteren Gehaltsklasse mit 3600 M. für die mittleren
technischen Beamten des Ministeriums des Innern und
der Finanzen ist ebenfalls am 26. September v. J. ab
gegangen und soll diese Bitte noch durch persönliche
Besuche unterstützt werden. Neu aufgenommen wurden
neun Mitglieder, gestorben sind zwei Mitglieder und aus
getreten sind zwei Mitglieder.
Die nächste Mitgliederversammlung soll am
7. März d. J. in Ulm stattfinden. Anträge für dieselbe
sind bis 15. Februar d. J. an den Vorstand einzusenden,
welchem auch die Aufstellung der Tagesordnung über
lassen wurde. Die nächste Ausschußsitzung soll am
6. März d. J., also einen Tag vor der Mitgliederversamm
lung, ebenfalls in Ulm stattfinden. Nachdem sodann der
Kassier über den Stand der Kasse berichtet hatte, nach
welchem pro 1908 wieder mit einer nicht unbedeutenden
Vermögenszunahme zu rechnen ist, wurde die Vorbildungs
frage eingehend behandelt. Die Kommission berichtete
über ihren Besuch bei Baugewerkschuldirektor Schmohl,
auch wurde, einer Anregung von Kollege Baab ent
sprechend, beschlossen, sich in geeigneter Weise an
einzelne Abgeordnete zu wenden. Darüber aber herrschte
vollständige Einigkeit, daß es unter den gegenwärtigen
Verhältnissen für die mittleren Baubeamten nur dann
besser werden könne, wenn auch von ihnen die gleiche
Vorbildung nachweislich verlangt werde, wie dieses sonst
bei allen andern mittleren Beamten schon seit Jahren der
Fall ist.
Nach einem gemeinsam eingenommenen Mittagessen
wurde die neue Erlöserkirche sowie eine Anzahl Stutt
garter Neubauten besichtigt, und man trennte sich mit
dem Gruße: „Auf baldiges Wiedersehen bei der nächsten
Sitzung in Ulm.“
Als Vereinsmitglied hat sich angemeldet und ist auf
genommen worden; Oberfeuerschauer Bauwerkmeister
Julius Feil in Blaubeuren.
Württ. Verein für Baukunde. In der dritten
ordentlichen Versammlung am 9. Januar hatte zunächst
der Vorsitzende die traurige Pflicht zu erfüllen, des vor
wenigen Tagen dahingegangenen langjährigen Mitglieds
Geh. Baurat Ho Ich zu gedenken, zu dessen Ehrung sich
die Anwesenden in üblicher Weise von ihren Sitzen er
hoben. Es war eine merkwürdige Fügung des Geschicks,
daß der Verstorbene noch für diesen Abend einen Vor
trag in Aussicht gestellt hatte, an dem er nun durch
sein unerwartetes Hinscheiden verhindert worden ist.
Statt seiner ist in dankenswerter Weise in letzter Stunde
Abteilungsingenieur Schwab mit einem Vortrag ein
gesprungen, in dem er an Hand zahlreicher aufgehängter
Pläne über die Hochbauten des Bahnhofumbaus
Plochingen berichtete. Die Gesamtaufwendungen für
die dortigen Bauten betragen rund S 1 ^ Millionen, wobei
jedoch Arbeiterhäuser, Postgebäude, Stationsgefängnis so
wie Militärküche nicht mitgerechnet sind; die Hochbauten
allein belaufen sich auf U/4 Millionen. Bei den letzteren
sind drei Gebäudegattungen zu unterscheiden: die massiv
mit Werkstein- nnd Putzverkleidung ausgeführten Ver-
waltungs- und Wohngebäude, eine Gruppe in Eisenfach
werk oder Eisenbeton erstellter größerer Nebengebäude
und endlich eine Reihe kleinerer Bauten, die gemischt
oder in Holzfachwerk errichtet worden sind. Das Ver
waltungsgebäude ist 15 m vom Hauptgleis entfernt und
hat eine Länge von 96 m sowie eine Tiefe von 15,2 m;
es besteht aus fünf Teilen, dem hochragenden Mittelbau
nebst zwei seitlichen Fitigelbauten und den verbindenden
eingeschossigen Zwischengebäuden. Durch die verschie
dene Höhe dieser Teile ist eine überaus abwechslungs
reiche Firstlinie geschaffen. Das Gebäude ist in seiner
ganzen Länge unterkellert; im Aeußern wurde Heilbronner
Werkstein und Putz verwendet. In allem ist auf mög
lichste Einfachheit und Ruhe gesehen, was unter anderm
auch darin zum Ausdruck kommt, daß auf die sonst
üblichen Stechschilder verzichtet worden ist. Die Bau
kosten betragen 285 000 M., wovon auf die Gründung allein
10 000 M. entfielen; auf den Kubikmeter umbauten Raums
kommen 16,30 M. Das Postgebäude, dessen Räumlichkeiten
früher im Verwaltungsgebäude untergebracht waren,
wurde in seinen Grundrissen von der Postverwaltung
gefertigt, im übrigen von der Eisenbahn ausgeführt.
Es gehören weiter hierher: das auf einer Eisenbeton
platte hochgeführte Stationsgefängnis sowie verschiedene
für Wohn- und üebernachtungszwecke erstellte Gebäude.
Zu der zweiten der oben genannten Gruppen gehören
die Lokomotivdrehscheibe, der Lokomotivschuppen, das
Elektrizitätswerk, der Wasserturm sowie die Wagen
reinigungsanstalt. Alle diese Gebäulichkeiten mußten,
da sie auf eine 3 m hohe Auffüllung zu stehen kamen
und der tragfähige Untergrund weitere 3 m unter Boden-
oberfläche liegt, in umständlicherWeise gegründet werden.
Hierbei kam, zum erstenmal in Deutschland, die Stößel
gründung (Sytem Dulac) zur Anwendung und lieferte
durchaus befriedigende Ergebnisse. Auf die Betonpfeiler
wurden durchweg Eisenbetonplatten gelegt und auf den
letzteren alsdann die Umfassungsmauern der Gebäude
hochgeführt. Der Lokomotivschuppen umfaßt 8 Stände;
die Gründung ist jedoch noch für vier weitere durch
geführt worden, so daß die letzteren jederzeit leicht an
gebaut werden können. Die Anlage ist ringförmig —
jeder Stand weist also Trapezform auf — und ist
namentlich durch seine zentrale Rauchabführung mittels
eines Eisenbetonkanals bemerkenswert. Das Elektrizitäts
werk wird mit Dampf betrieben. Der Wasserturm ruht
auf zwei Reihen von je acht Pfeilern, von denen die äußeren
bloß den Umgang sowie die Außenwand zu tragen haben,
während die inneren das ganze Gewicht des nach Intze
ausgebildeten Behälters aufnehmen müssen. In die sämt
lichen Leitungen sind Kugelgelenke eingebaut; das Wasser
wird einem Saugschacht in der Nähe des Neckars ent
nommen. Die Wagenreinigungsanstalt ist die erste in
Württemberg, bei der die Wagen in einer Halle gereinigt
werden. Zunächt erfolgt im Freien auf einer betonierten
Platte, die für vier Wagen ausreicht, die Vorreinigung,
während die gründliche Säuberung mit heißem und kaltem
Wasser sowie mit Desinfektionsmitteln in der Halle ge
schieht. Es können hier täglich bis 80 Wagen gereinigt
werden; die Abfallstoffe werden an Landwirte für Düng
zwecke abgegeben. Die dritte Gebäudegattung besteht
aus der Gütersammelstelle, als deren Gegenstück in
Bietigheim eine Güterempfangstelle eingerichtet ist, sowie
aus einer Anzahl von Arbeiterwohnhäusern, die erstellt
werden mußten, weil trotz des Bestrebens, nur orts
ansässige Arbeiter zu verwenden, auch auswärtige zuge
zogen werden mußten, für welche sich keine Wohnungen
vorfanden. Die oberste Bauleitung des Ganzen lag in
den Händen von Baurat Kräutle, die örtliche Leitung
führte die am 1. April 1900 errichtete Bahnbausektion
Plochingen unter Bauinspektor Weigelin für die Tief-
sowie Abteilungsingenier Schwab für die Hochbauten.
Für die Hochbauten wurde als künstlerischer Berater