23. Oktober 1909
BAUZBITUNQ
341
lohr, Baurat Hengerer und Architekt H. Mehlin
sowie Direktor Prof. v. Haug und Prof. Holzel
angehörten, nach eingehender Beratung für die
Ausführung des Brunnens „Hans im Glück“ mit
dem geschlossenen Gitter. Von seiten der Künstler
kommission wurde nichts gescheut, um ein über
zeugendes Urteil zu erhalten, es wurden zur
kritischen Prüfung vor der Entscheidung alle drei
Entwürfe in natürlicher Größe provisorisch auf
dem Gaisplatz aufgestellt. Für die Wahl war
folgende Richtlinie maßgebend: der Platz bedingt
ein in sich geschlossenes, intimes Objekt. Eine
nur für sich — ohne das Gitter — stehende Figur
wäre bei weitem nicht so reizvoll. Daß das An
regendste am Brunnen gerade das Geschlossene
und Intimste ist, begreift man natürlich vielfach
nicht. Man will alles auf den Präsentierteller
gestellt haben, um ja jeglichen tieferen Denkens
enthoben zu werden. Es ist so ähnlich, wie bei
der „Freilegung“ berühmter Baudenkmäler. Die
Bilder am äußeren Gitter sollen anregen, sich mit
der Geschichte vom Hans im Glück zu befassen.
Die Mittel- und Hauptfigur ist es, welche als
Kernpunkt des ganzen Märchens, abgeschlossen
für sich, zu einer besonders eingehenden Be
trachtung zwingen soll; man würde, wenn sie frei
stände, an ihr gedankenlos vorbeilaufen, wie es an
vielen ähnlichen Objekten wahrgenommen werden
kann.
Wir bringen die ganze Ansicht des Brunnens
bei geöffnetem Gitter vor der Figur und noch das
freie Mittelstück für sich. Der Brunnen ist eine
außerordentliche Zierde des neuen aufgebauten
Stadtteils geworden und ehrt Künstler und Auf
traggeber in gleicher Weise. Kl.
Baiiliandwerk
und Eeiclisversiclieningsordnung
Das Bauhandwerk kommt aus den Sorgen und Be
unruhigungen nicht mehr heraus. Koch hat es alle Hände
voll zu tun, um sich auf das Gesetz zur Sicherung der
Bauforderungen einzurichten, da ist schon eine neue
Sorge am Horizont aufgezogen. Wir meinen den Ent
wurf der Reichsversicherungsordnung. Das Bauhandwerk
verkennt nicht, daß der Entwurf in sozialpolitischer Be
ziehung auch manche guten Seiten hat. Aber die Be
denken überwiegen doch bei weitem. In erster Linie
wär - e da der Vorschlag betreffend Errichtung von Ver-
sicherungsämtern zu nennen. Wann der Entwurf dem
Reichstage zugehen wird, weiß augenblicklich noch nie
mand. Einmal heißt es, er werde dem Reichstag gleich
bei seinem Zusammentritt vorliegen, dann wieder wird
berichtet, das werde erst im Januar der Fall sein. Auf
jeden Fall ist es eine Geringschätzung aller Interessenten,
daß bis jetzt noch nicht die Spezialbegründung zu dem
Entwürfe veröffentlicht worden ist.
Die Versieh er ungsämter, von denen wir oben bereits
sprachen, sollen in der Regel für den Bezirk einer unteren
Verwaltungsbehörde geschaffen werden und gewisser
maßen einen gemeinsamen lokalen Unterbau für die ver
schiedenen Zweige der sozialen Versicherung darstellen.
Das Bauhandwerk sieht der Verwirklichung dieses Ge
dankens mit der allergrößten Sorge entgegen; zunächst
aus finanziellen Gründen. Die bisher laut gewordenen
Schätzungen bezüglich der Kosten dieser neuen Behörde
rechnen mit jährlichen Ausgaben zwischen 40 und
100 Millionen Mark. Läßt man auch nur die niedrigste
Schätzung gelten, dann sind die Aussichten doch auch
schon trübe genug für das Bauhandwerk, das ja sein
wohlgefülltes Maß dazu beizutragen hätte. Was dieUnfall-
„Hans im GHück-Brunnen“ in Stuttgart
Versicherung betrifft, so machen die Verwaltungskosten
der sämtlichen Berufsgenossenschaften in ganz Deutsch
land jährlich nur 10 Millionen Mark aus; die Gehälter
für die sämtlichen Beamten der gewerblichen Berufs
genossenschaften betragen zurzeit 6 Millionen Mark. Das
ist also eine sparsame Verwaltung; und nicht nur das,
sondern auch eine gut funktionierende Verwaltung; denn
die Begründung des Entwurfes sagt ja selbst, die Berufs
genossenschaften hätten ihre Aufgabe durchaus im Sinne
der Erwartungen des Gesetzgebers erfüllt. Obwohl die
Verwaltung der Berufsgenossenschaften gut und sparsam
ist, schlägt der Entwurf doch die Errichtung einer neuen
Behördenorganisation vor, nämlich der Versicherungs
ämter. Man steht kopfschüttelnd da und fragt sich er
staunt, wie die Regierung solche Vorschläge zu verant
worten gedenkt! Das Bauhandwerk besteht doch zum
großen Teile aus Mittelstandsleuten, die wahrlich schon
genug zu tragen haben. Die Zeiten sind schlecht. Noch
steckt man in der Krisis. Das Terraingeschäft ist still,
der Baumarkt schwach. Der Winter steht vor der Tür
und man weiß noch nicht, ob das Frühjahr wirklich die
schon so lang ersehnte Besserung bringen wird. Die
kolossale Bewegung in Industriepapieren verschlechtert
die Aussichten für den Absatz von Pfandbriefen und eine
neue Versteifung am Geldmärkte steht offenbar bevor. Die
Geschäftsbedingungen werden im Bauhandwerk sowieso
immer schwieriger. In solchen Zeiten sollte sich die
Regierung wirklich hüten, einem Gewerbezweige so schwere
neue Lasten aufzupacken, wie der Entwurf der Reichs
versicherungsordnung es beabsichtigt.
Die Versicherungsämter sind aber auch wegen der
Befugnisse, welche ihneu zugedacht sind, zu verwerfen.