Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1909)

BÄUZEITUN' 
FÜR WÜRTTEMBERG 
BADEN HESSEN EL 
SAS 8 - LOTHRINGEN 
Inhalt: Stadteingänge und Hauptverkehrsstraßen in alter und neuer Zeit. •— Deutscher Werkbund. •— 
Ueber Betonmischungsverhältnisse. — Verband technischer Vereine Württembergs. —Vereinsmitteilungen. 
Wettbewerbe. — Kleine Mitteilungen. •— Personalien. — Briefkasten. 
Alle Hechte Vorbehalten 
Stadteingänge und Hauptverkehrsstraßen in alter und neuer Zeit 
Von Ohr. Klaiber, Regierungsbaumelster, Holzminden 
Für den Kenner alten Städtebaues ist das Charakte 
ristische desselben die scharfe Scheidung in Yerkehrs- 
straße und Wohnstraße, wie der ausgesprochene Abschluß 
der Stadt gegen das Land. Das letztere war bedingt 
durch den Schutz gegen Feind und die dadurch not 
wendige Ummauerung. So hatte jede alte Stadt ihren 
bestimmten Anfang und Ende. Der Eingang ging durch 
das Stadttor, welches je nach dem Grade des Selbst 
gefühles und Stolzes der betreffenden Stadt architekto 
nisch reich ausgestattet war. Yon dem richtigen Ge 
danken geleitet, daß der 
erste Eindruck ausschlag 
gebend, haben die alten 
Stadtväter diebestenKünst- 
ler herbeigerufen, sei’s der 
Malerei, sei’s der Stein 
metzkunst, um diesen ersten 
Eindruck auf denkbar höch 
ster künstlerischer Höhe zu 
erhalten. Yon fühlenden 
Architekten aller Zeiten 
wurde das „als richtig“ 
erfaßt und das Tormotiv 
als sichtbares Zeichen des 
Abschlusses angewandt. 
Durch die Betonung des 
Heimatlichen im Kunst 
empfinden im Gegensatz zur 
Renaissance wurde sogar 
dieses Motiv für würdig 
befunden, auf höchster Höhe 
„im Monumentalen der 
Baukunst “ Eingang zu 
finden. Durch vielfach an 
gewandte Aufstellung eines 
künstlerisch durchgeführten 
Brunnens auf Verkehrstotem 
Platze wurde das male 
rische Bild des Stadtein 
ganges bedeutend erhöht. 
Man wußte beim Eingang, 
hier ist deutscher Boden 
und deutsches Gemüt am 
Werke (Abb. 1). 
Dem steht gegenüber der 
Eingang in eine moderne 
deutsche Stadt (man denke an Stuttgarts Eingänge) (Abb. 2). 
Stundenlang zieht die breite Landstraße durch unbebautes 
Baugelände, alles in Reserve aufgeteilt aus Bodenpolitik. 
Kein freundliches Gärtchen, kein Baum, nur ab und zu 
ein einzelnes Wirtshaus, oder noch schrecklicher ein Miet 
haus in unheimlicher Höhe alleinstehend, mit fenster 
losen Brandgiebeln aus Backstein, Mißton auf Mißton 
zum Krankwerden. Schnurgerade zieht man die Straße 
daher und weiß kaum, wo man die Stadt betritt. Dieser 
Mißstand modernen Städtebaues ist bei den komplizierten 
wirtschaftlichen Fragen und 
der raschen Entwicklung 
der Städte wohl nie ganz 
abzustellen, aber doch 
sicher zu bessern. Man 
nehme nur eine Stadt wie 
Nürnberg zum Yorbild, wo 
die mittelalterlichen Stadt 
väter trotz der raschen 
Entwicklung den Stadtein 
gang festlegten und archi 
tektonisch denselben zum 
Ausdruck brachten. Die 
rasche Entwicklung führte 
nur dazu, daß man statt 
bloß einen Torbogen deren 
mehrere zu durchschreiten 
hatte, wobei von Torbogen 
zu Torbogen die wachsende 
Größe der Stadt einen 
Maßstab erhielt. Wie ori 
ginell und einfach und das 
Eintönige der Gedanken 
des Eintretenden belebend, 
im gedankenreichen Mittel- 
alter möglich, im gedanken 
armen Zeitalter der Auf 
klärung nicht! 
Bei der Anlage der Stadt 
bildete die alte Landstraße 
das Rückgrat. Sie war 
zuerst da und an sie wurde 
in zwangloser Weise ge 
baut, meist in der Mitte 
der Stadt, die Kirche mit 
Kirchplatz und das Rathaus 
Bietigheim Eingang in die alte Stadt
	        

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