Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1909)

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BAÜZBITUNG 
Nr. 45 
Ostkirche in Eßlingen 
Inneres 
reduziert, ebenso wurde auch der Kostenpunkt be 
schnitten. Yon der Kirchengemeinde Eßlingen war dem 
Architekten nur die Summe von 65 000 M. als Höchst 
betrag für den Saal bzw. Kirche zur Verfügung gestellt, 
das Pfarrhaus soll erst später erstellt werden. 
Im Laufe des Jahres 1908, bis zu welcher Zeit sich 
die Verhandlungen hingezogen hatten, ist nun der Bau 
in den einfachsten Formen aufgeführt worden, und es hat 
die bereitgestellte Summe zu der Ausführung gereicht, 
selbstverständlich ohne Mobiliar und Orgel. Dagegen 
sind Altar, Kanzel und Taufstein, welche aus Stein er 
stellt sind, in obiger Summe inbegriffen. 
Die Baumaterialien sind: Fundamente Beton, Sockel, 
Fenster- und Türgestelle Sandstein aus der Eßlinger 
Gegend, Backstein und Eisenbeton in den Umfassungs 
mauern. Pfeiler, Decken und Boden der Empore sind 
auch in Eisenbeton ausgeführt. Die Verkleidung der 
Pfeiler nnd Sockel sowie Brüstung im Innern ist von 
Korkmasse hergestellt. Eine einfache Bemalung gibt 
dem Innern ein freundliches Gepräge. Die Außenflächen 
sind mit Schwarzkalk verputzt und erhalten Belebung 
durch verschiedenfarbige Sandsteineinfassungen. 
Das Gebäude zeigt, wie mit einfachsten Mitteln ein 
reizvolles Bild geschaffen werden kann. Unter Verzicht 
auf reichere Details kommen hier Farben und Gruppie 
rung in gefälliger Weise zur Geltung. 
Es war kein geringes Wagnis, in eine Stadt wie 
Eßlingen, wo Kirchtürme und Burg dem Stadtbilde ein 
markantes Gepräge geben, einen Kirchenbau ohne Turm 
hineinzustellen. Um so anerkennenswerter ist es, daß 
der Architekt seine Aufgabe glücklich gelöst hat, indem 
er durch Gedrungenheit und kräftige Formen dem Bau 
eine ausdrucksvolle Gestaltung gab, so daß man das 
Turm-Motiv kaum vermißt. Im übrigen war der Er 
bauer in einer gewissen Notlage, denn die für den 
Kirchenbau ausgeworfene Summe war zu gering, als daß 
davon die Kosten für einen Turm bestritten werden 
konnten. 
Stand und Bedeutung* des Baugewerbes 
im wirtschaftlichen Leben 
Kann dieses Gewerbe noch weitere sozial 
politische Lasten ohne Gefährdung tragen? 
Die Bedeutung des Baugewerbes für das wirtschaft 
liche Leben wird bei weitem nicht genügend gewürdigt. 
Man läßt sich durch den Bergbau, die Metallindustrie u. dgl. 
gewaltig imponieren, denkt aber nicht an die Größe und 
die Bedeutung des Baugewerbes als Faktor in der 
Volkswirtschaft. Das kommt daher, weil es im Bau 
gewerbe viel kleinere Unternehmungen gibt, weil dieses 
Gewerbe an einer gewissen lokalen und technischen Zer 
splitterung leidet, und weil die Zahlen, welche die große 
Wichtigkeit des Baugewerbes beweisen, nur sehr wenigen 
bekannt sind. Und doch bildet das Baugewerbe die 
größte Industrie Deutschlands, was durch die Ergebnisse 
der Berufs- und Betriebszählung vom 12. Juni 1907 dar 
getan wird. Zu dem genannten Zeitpunkt gab es in 
Deutschland 26 827 326 erwerbstätige Personen; von diesen 
kommen auf die Industrie, einschließlich Bergbau und 
Baugewerbe 11256 264, auf die Landwirtschaft entfallen 
9 883 257 und auf Handel und Verkehr 3 477 626 Per 
sonen. Von den in der Industrie erwerbstätigen Per 
sonen kommt die größte Zahl auf das Baugewerbe; in 
diesem waren erwerbstätig insgesamt 1905 987 Personen. 
An zweiter Stelle kommt das Bekleidungsgewerbe mit 
1421695, Metallverarbeitung mit 1186 099, die Industrie 
der Nahrungsmittel mit 1127 516, Textilindustrie mit 
1067 243 und Bergbau, Hütten- und Salinenwesen mit 
963 278 Personen. Daraus geht hervor, daß das Bau 
gewerbe die bei weitem meisten erwerbstätigen Personen 
beschäftigt, somit das größte Gewerbe darstellt. Des 
halb ist es auch erklärlich, wenn das Baugewerbe den 
wirtschaftlichen Gradmesser im Wirtschaftsleben des 
Staates abgibt, und wenn eine Depression in demselben 
einen ungünstigen Einfluß auf die deutsche Volkswirt 
schaft ausübt. Steht das Baugewerbe in guter wirt-
	        

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