Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1909)

20. November 1909 
BAUZEITUNO 
373 
Künstlerischer Schmuck am Zeughaus in Ludwigsburg 
Verantwortlichkeit des einzelnen wesentlich bedingen 
(Verträge, ausführliche Korrespondenz, mündliche, von 
beiden Seiten bestrittene Abmachungen u. dgl.), und ist 
der Baubetrieb an sich ein komplizierter (Architekt, 
Generalunternehmer mit Unterakkordanten und Bau 
leitung der Bauherrschaft), der von Anfang an mit ziem 
lichen Reibungen arbeitete, so wäre eine voreilige Stel 
lungnahme der gerichtlichen Sachverständigen zur Schuld 
frage auf Grund unsicherer, vielfach bestrittener Aussagen 
ein nicht zu "rechtfertigendes Verhalten gewesen, das sich 
die Verteidigung zur Bemängelung der Objektivität der 
Sachverständigen sicher hätte nicht entgehen lassen. 
Für die Rechtsanwälte der Parteien und für die von 
ihnen gewonnenen Sachverständigen liegt die Sache 
wesentlich anders. Ihnen steht es frei, in ihren Schrift 
sätzen je von ihrem Standpunkt aus den Fall zu be 
leuchten und die für ihren Mandanten günstigen Um 
stände hervorzuheben. Dagegen wird es stets die Aufgabe 
der gerichtlichen Sachverständigen sein, auf Grund des 
gesamten Tatbestandes, der zu einem guten Teil erst in 
der Hauptverhandlung, wo die Zeugen unter Eid aus- 
sagen und unter sich und mit den Angeklagten im Be 
darfsfall konfrontiert werden, einwandfrei festgelegt wird, 
gewissenhaft, unter Würdigung der von den Sachver 
ständigen «der Parteien vorgebrachten Gründe und An 
sichten ihr endgültiges Urteil abzugeben. Sache des 
Gerichtes ist es dann, ihre Beweisführung als schlüssig 
anzunehmen oder sie zu verwerfen. 
Auf die Ausstellung von Herrn Woltz, daß die Zeugen 
im Gegensatz zur Hauptverhandlung in der Vorunter 
suchung nicht konfrontiert worden seien, und daß so 
mehrfach Aeußerungen der Verhörten zu Papier ge 
kommen seien, die sie nachträglich nicht aufrechterhalten 
konnten, brauchen wir hier nicht einzugehen, da für die 
Form der Voruntersuchung lediglich der Untersuchungs 
richter verantwortlich und bestimmend ist. 
Daß Herr Woltz in den Strafprozeß hineingezogen 
wurde, ist somit nicht auf das Verhalten der gericht 
lichen Sachverständigen, sondern auf den Umstand zurück 
zuführen, daß seine Firma sich der Bauleitung vertrags 
mäßig verpflichtet hatte, sämtliche Werkzeichnungen und 
statischen Berechnungen für die Ausführung zu liefern, 
und daß der Angeklagte Fohrmann angegeben hatte, sie 
seien ihm verspätet zugestellt worden. Der baupolizei 
lich genehmigte Neubau ist nämlich unmittelbar vor dem 
Baubeginn von der Bauherrschaft ganz erheblich ab 
geändert worden, so daß nahezu sämtliche Eisenkonstruk 
tionen und wichtige Konstruktionsglieder, wie Säulen 
und Pfeiler, eine durchaus andre Belastung, als im ur 
sprünglichen Entwurf angenommen war, erhielten. Ein 
Teil dieser Konstruktionsglieder, darunter auch der deu 
Einsturz herbeiführende Pfeiler D, ist im „ Drang der Ge 
schäfte“ nicht mehr für die neuen Verhältnisse nach 
gerechnet worden, so daß Fohrmann sich genötigt sah, 
innerhalb kürzester Frist die statische Berechnung für 
den größten Teil der Eisenkonstruktionen selbst zu fer 
tigen, wozu er seinem Vertrag nach nicht verpflichtet 
war. Es würde zu weit führen, auf die von Fohrmann 
bestrittenen oder nur teilweise zugegebenen Vorbringen 
des Herrn Woltz, Fohrmann habe alles allein machen 
wollen, habe sich mit Werkplänen von nur schematischem 
Charakter begnügt, habe versichert, er übernehme für 
die Ausführung jede Garantie u. s. w., des näheren eiu- 
zugehen, aber so viel wird klar sein, daß die von Fohr 
mann vorgebrachten Entlastungsgründe, die sich ins 
besondere auf die Beschaffenheit und rechtzeitige Liefe 
rung der Pläne durch die Bauleitung bezogen, nicht 
kurzerhand abgewiesen werden konnten; es sind dies 
zum Teil dieselben Gründe, die dem Angeklagten Fohr 
mann auch bei der Strafzumessung günstig zustatten 
gekommen sind. So ist sicher auch der Umstand für 
den Ausgang des Prozesses nicht ohne Bedeutung ge 
wesen, daß drei Zeugen ihre anfänglich in Uebereinstim- 
mung mit Fohrmann gemachten Aussagen, es sei auf 
dem Bureau der Firma Bihl & Woltz sonst üblich ge 
wesen, die mit Zementmörtel statt mit Speis zu erstellen
	        
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