Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1909)

Waisenhaus Straßburg 
Südseite gegen die Bahn 
VI. Jahrgang 
Nummer 52 
BAUZEITUNG 
FÜR WÜRTTEMBERG • BADEN • HESSEN • ELSASS-LOTHRINGEN 
Stuttgart, 24. Dezember 1909 
Inhalt; Neubau des Waisenhauses Straßburg-Neudorf. — Die Neue Bauordnung in der Ersten Kammer. — Entgegnung. — Reichsfinanzen 
und Reiohsversichcrungsordnung. — Ein interessanter Bauprozeß. — Vereinsmitteilungen. — Wettbewerbe. — Kleine Mitteilungen, — 
Briefkasten. 
Neubau des Waisenhauses Straßburg- 
Neudorf 
Architekt Prof. Dr. Vetterlein -Darmstadt 
Der Veröffentlichung des neuerbauten Waisenhauses 
in voriger Nummer lassen wir heute einige weitere Ab 
bildungen folgen. Zunächst bringen wir die Rückseite, 
welche gegen die Bahn zugekehrt und sehr einfach ge 
halten ist. Dem hervorgehobenen Mittelbau, welcher den 
Speisesaal enthält, gliedern sich die Seitenflügel mit den 
Aufeuthaltsräumen der Zöglinge an. Auf S. 413 finden 
wir eine Aufnahme des Speisesaals, der seiner Bestim 
mung entsprechend sehr einfach, aber hell und freundlich 
ausgebildet wurde. Unser zweites Bild zeigt das be 
häbige Pförtnerhaus mit einer originellen Laube an der 
Außenmauer. 
Die Darstellung des Aufgangs mit Portal und Um 
gebung findet eine Ergänzung in der] Detailzeichnung 
des Portals. Auch hier wurde jede Ueberladung an 
Formen vermieden, die schöne Aufgangstreppe ergibt für 
sich schon eine reichere Betonung dieser Partie. Von den 
interessanten Durchblicken lassen wir ein gutes Beispiel auf 
S. 412 folgen. Als Schlußbild geben wir noch die Zeichnung 
des Zierbrunnens im Hofe. Das ganze Gebäude wird mittels 
Niederdruckdampfheizung, Firma Bechern & Post, beheizt. 
Für sämtliche Korridore, Bäder und kleinere Zimmer kam 
Asbestbelag mit hohlgekehlten Sockelleisten der Firma Ge 
brüder Schleicher-München zur Verwendung, der sehr 
strapazierfähig ist und hygienische Vorzüge besitzt. Die 
Küche zeigt eine sehr praktische Dampfkochanlage, ein 
gerichtet durch die Straßburger Apparatebauanstalt Biehn 
& Müller. 
Die Nene Bauordnung in der Ersten 
Kammer 
VII 
Nochmals Art. 29 
„In diesem Sinne müßte man kurzweg ein Verhältnis 
aufstellen zwischen lichtnehmeudem Bauvolumen und licht 
gebender Fläche.“ 
Um diesen Satz drehten sich hauptsächlich die an 
mich gelangten Anfragen und soll deshalb auch derselbe 
den leitenden Gedanken meiner heutigen Ausführungen 
bilden: 
Ich habe bereits einige der Gebrechen des Abstand 
systems an dieser Stelle angeführt; diese Art der Be 
messung der Baudichte paßte gut in die Zeit, in welcher 
sie erstanden ist. Damals kannte man nur hübsch recht 
eckige Bauquartiere, rechteckige Grundrisse der Gebäude 
und rechteckige Höfe, wie dies in den meisten Fällen 
die Statuten direkt voraussetzten oder verlangten. Außer 
dem kannte man damals die x-affinierte Ausnutzung des 
Gesetzes nicht. Heute geht unsre bauliche Entwicklung 
unter ganz andern Gesichtspunkten vonstatten. Krumme 
Straßen, kein rechtwinkliges Bauen zur Baulinie mehr, 
Schaffung geschlossener, natürlich entwickelter Bau 
komplexe, logisch-rhythmische Verteilung der Baumassen, 
Vermeidung der starren Linien der Reißschiene. Die 
früher baupolizeilich so wertvollen Begriffe: Fassade, 
Nebenseite und Rückseite verwischen sich, und zwar aus 
dem natürlichen Grunde, weil ein Haus als Körper 
sich als solcher entwickeln muß und diese seine Form 
praktisch und ästhetisch in erster Linie beurteilt wird.
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.