Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1909)

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BAUZEITUNG 
Nr. 52 
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erst noch erneuert werden —, aber die Bestimmungen 
des Vertrages waren bereits Ortsgebrauch geworden. 
Da nun durch den Tarifvertrag im Maurergewerbe die 
Kündigung ausgeschlossen ist, so ist der Anspruch des 
Maurers Abel durchaus hinfällig. Die Kläger hatten 
sämtlich die Arbeitsordnung unterschrieben, sie hatten 
dadurch anerkannt, daß für Aussetzen der Arbeit infolge 
eintretender Hindernisse keine Entschädigung gezahlt 
werde, und dadurch wird ihr Anspruch, den sie auf 
§ 616 B.G.B. gründen, gleichfalls hinfällig. Im übrigen 
ist kein Beweis dafür erbracht, daß die Kläger veran 
laßt wurden, sich zur Verfügung zu halten, sie haben 
auch nicht einmal behauptet, daß sich ihnen Gelegenheit 
geboten hätte, in der Zeit an andrer Stelle zu arbeiten. 
Sie haben also auch keinen Verlust erlitten, indem sie 
sich, wie sie behaupten, zur Verfügung des Unterneh 
mers hielten. 
Das Landgericht hat den Streitfall noch eingehender 
beleuchtet. Der § 615 B.G.B. enthält kein zwingen 
des Recht: er kann durch Parteivereinbarung abgeändert 
werden. Wenn die Kläger einwenden, der § 4 der Ar 
beitsordnung, durch welchen den Arbeitern Vergütung 
für Aussetzen abgesprochen wird, verstoße gegen die 
guten Sitten, so muß das als unzutreffend bezeichnet 
werden. Der Dienstberechtigte, also der Arbeitgeber, 
lehnt hier nur die Haftung für Zufall ab, für den er 
nach §§ 615 und 616 B.G.B. aufzukommen hätte, und 
überträgt diese Haftung für Zufall auf den Dienstver 
pflichteten. Da die Paragraphen kein zwingendes Recht 
enthalten, also nur maßgeblich sind, wenn nichts andres 
vereinbart wurde, so können die Parteien sich über die 
Bedingungen einigen, die bei unvorhergesehenen Hinder 
nissen in Kraft zu treten haben. Die Arbeiter wenden 
ferner ein, daß durch diese Bestimmung der Arbeits 
ordnung dem Arbeitgeber ein Mittel gewährt sei, sie 
bei der geringsten Störung zu entlassen oder zum Aus 
setzen zu zwingen, so daß sie ganz von seiner Willkür ab 
hängig wären. Das ist nicht zutreffend, denn was man 
unter einer „unvermuteten Störung“ zu verstehen hat, 
das unterliegt im Streitfälle der Nachprüfung des Richters. 
In vorliegender Sache kann jedenfalls kein Zweifel dar 
über entstehen, daß der hohe Wasserstand, der ja die 
Fortsetzung der Arbeit tatsächlich verhindert hat, als 
eine „unvermutete Störung“ zu erachten ist. Wenn aber 
§ 4 der Arbeitsordnung zu Recht besteht, so kann nicht 
§ 615 B.G.B. Anwendung finden; denn diese Bestimmung 
der Arbeitsordnung schaltet eben als besondere Verein 
barung die gesetzliche Bestimmung aiis. — Ich möchte 
hier einschalten, daß die Arbeiter den Einwand der 
Willkürherrschaft schon deshalb nicht hätten Vorbringen
	        
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