Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1909)

24. Dezember 1909 
BADZEITÜNG 
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Waisenhaus Straßburg 
sollen, weil im Maurergewerbe 
die Beendigung der Arbeit ohne 
jede Aufkündigung allgemein 
üblich ist. Kommt es doch 
nicht selten vor, daß die Maurer 
eines Baues sämtlich mittags 
oder abends die Arbeit nieder 
legen , ohne wieder zu er 
scheinen. Dieser Gebrauch hat 
sich im beiderseitigen Interesse 
herausgebildet. Wenn nun der 
Maurer, auch ohne irgendeine 
Störung, und zwar ohne jede 
Begründung, die Arbeit ver 
lassen kann, wenn es ihm be 
liebt, oder entlassen werden 
kann, sobald es dem Arbeit 
geber zusagt, so kann man 
auch nicht von einer Willkür 
herrschaft beim Aussetzen der 
Arbeit sprechen. Bestimmt der 
Arbeitgeber, daß die Maurer 
aussetzen sollen, so heißt das 
nichts andres, als daß sie sämt 
lich entlassen sind, aber sich 
mit der Aussicht auf Wieder 
beschäftigung nach Beseitigung des Hindernisses wieder 
melden können. 
Von Wichtigkeit, so führt das Landgericht weiter 
aus, ist allerdings der Einwaud der Maurer, daß sie nicht 
am 3. März, sondern erst zum 7. März entlassen worden 
seien. Am 3. März habe man ihnen gesagt, sie sollten 
jeden Tag auf der Arbeitsstelle erscheinen und sich zur 
Verfügung halten; erst am 7. März sei ihnen der Be 
scheid geworden, sie seien wegen Arbeitsmangel ent 
lassen. Liegt der Fall wirklich so, so hat der Arbeit 
geber den Lohn für die Zeit vom 3. bis 7. März zu 
zahlen. Denn dadurch wäre aufs deutlichste zum Aus 
druck gebracht, daß nicht die Erklärung vom 3. März, 
sondern erst diejenige vom 7. März das Arbeitsverhältnis 
beendigen sollte. Die Maurer unterstanden aber der 
Beaufsichtigung und Anleitung des Zeugen Neumann, 
und dieser erklärte aufs deutlichste unter seinem Eide, 
er habe die Leute nicht täglich zur Arbeit bestellt, er 
habe sie am 3. März entlassen und ihnen nur gesagt, sie 
könnten, da sie ohnehin diese Zeit keine Arbeit finden 
würden, ja täglich einmal nachsehen, ob das Hochwasser 
falle. Die Papiere hätte er den Maurern allerdings erst 
am 7. März ausgehändigt, aber nur, weil sie annahmen, 
daß die Störung eine vorübergehende sei. Wie die Maurer 
auch zugeben, dauerte aber das Hochwasser lange Zeit 
über den 7. März hinaus. Niemand sei behindert ge 
wesen, seinen Lohn und die Papiere schon am 3. März 
zu fordern. Ob die Maurer tatsächlich auf dem Bau 
erschienen seien, wisse er nicht zu sagen, aber jedenfalls 
würde ihr Erscheinen nur beweisen, daß sie anderwärts 
nichts zu tun hatten und deshalb Umschau hielten, ob 
hier beim Brückenbau Aussicht auf Wiedereinstellung 
vorhanden sei. 
Das Landgericht teilte diese Anschauung und wies die 
Kläger mit ihrer Berufung ab. F. Hd. 
Vereinsmitteilungen 
Württ. Baubeainten-Verein. Ihren Beitritt zum 
Verein haben angemeldet: 0. König, Bahnmeister in 
Gmünd, Bauamtswerkmeister Job. Renk, beim Kgl. Be 
zirksbauamt in Hall, Bauwerkmeister Jos. Herb in 
Tübingen, Herrenberger Straße 83, Bauwerkmeister Karl 
Kallenberg in Tübingen, Schleifmühlenweg 43, Bauwerk 
meister Robert Weller in Tübingen, Mohlstraße, Bau 
merkmeister Max Ehrle in Tübingen, Weberstraße 3, 
!ln!l! 
Bauwerkmeister Fr. Widmann 
in Tübingen, Gartenstraße 39. 
— Allen Mitgliedern sendet 
die besten Wünsche zum Neuen 
Jahr der Vorstand. 
Württ, Verein für Bau 
kunde. In der 4. ordentlichen 
Versammlung am 18. Dezember 
hielt nach geschäftlichen Mit 
teilungen des Vorsitzenden 
Herr Prof. Dr. Sauer von der 
Technischen Hochschule hier 
einen Vortrag über: Bau und 
Bildung der Alpen und 
Wirkung des Gebirgs- 
drucks bei Massenver 
schiebungen. Der Redner 
ging davon aus, daß die 
Geologie nicht bloß eine theo 
retische Geisteswissenschaft 
darstellt, sondern auch eine 
hohe praktische Bedeutung hat 
und namentlich in das Gebiet 
des Ingenieurs eingreift, z. B. 
Brunnen i n Fragen der Wasserverhält- 
nisse, Steinfestigkeit, Unter- 
grundbeschaffenheit u. s. w. Die dynamische Geologie, 
die sich mit den in und auf der Erdrinde wirkenden 
Kräften beschäftigt, hat in den letzten Jahrzehnten 
große Fortschritte gemacht, und zwar gingen diese 
von einem ganz unscheinbaren Instrument aus, das 
erst spät in den Dienst der Geologie getreten ist, dem 
Mikroskop. Mittels des letzteren werden sogenannte 
Dünnschliffe von nur 4 / 2 o mm Stärke in durchfallendem 
Licht untersucht, und man vermag damit die Verwmbung 
der Gemengteilo festzustellen, die wichtige Aufschlüsse 
über die Bildung des Gesteins liefern. Die Aenderungen 
im Gefüge der einzelnen Gesteinsarteu lehren die Schick 
sale, welche diese im Verlauf der Zeiten erfahren haben. 
Derartige Umwandlungen, sogenannte Metamorphosen, 
entstehen z. B. bei Einbrüchen, Ueberschiebungen, Ver 
schiebungen, Faltungen des Gebirgs, und zwar sind die 
Veränderungen um so größer, je stärker der Druck 
war. Eines der hervorragendsten Beispiele hierfür sind 
die Alpen, die durch ihre zentrale Lage und ihre leichte 
Zugänglichkeit eines der beststudiertesteu geologischen 
Gebiete darstellen. Nach neueren Forschungen sind sie 
als ein großes Faltengebirge anzusehen, das am Ende 
der Tertiärzeit durch einen von Süden her wirkenden 
Druck aufgefaltet worden ist und sich an einem alten 
Grundgebirge, das als Widerlager wirkte, aufgestaut hat. 
Dieses Gebirge ist noch erhalten im Schwarzwald, 
Böhmer- und Bayrischen Wald, Fichtelgebirge u. s. w., 
die in der Karbonzeit aufgerichtet, dann abgetragen und 
schließlich von jüngeren Ablagerungen wieder überdeckt 
worden sind. — Die in den Alpen sich findenden Schichten 
bestehen aus Sedimenten und kristallinen Gesteinen. Die 
genauere Deutung wird aber durch drei Ursachen wesent 
lich erschwert, einmal durch die vielfachen Lagerungs 
störungen, sodann durch die Umwandlung zu kristallinen 
Schiefern und endlich durch die Mächtigkeitsänderung 
der Sedimente nach Süden zu. Eine Wanderung von 
Norden her gegen die Alpen zeigt im Alpenvorland zu 
nächst noch klar unterschiedene Schichten. Wir können 
zum Beispiel bei Inuertkirchen unsre schwäbischen Kennt 
nisse des Jura noch gut verwerten, wenn auch die Ge 
steine schon stark verändert sind. Weiter hinein er 
scheinen Sedimente, die zunächst nicht gedeutet werden 
können, die sich aber einem eingehenderen Studium als 
umgewandelter Jura dar stellen. Die folgenden Gipse 
weisen auf die Tinas hin, während das dem Rotliegenden 
entsprechende Verrukano Gerolle enthält, die zu läng-
	        
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