6. März 1909
BAÜZBITUNG
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bewerbe, für die zweite die Bedingungen für beschränkte
Wettbewerbe zur Anwendung kommen. — Zur zweiten
Stufe dürfen nur die Preisgekrönten der ersten Stufe
zugelassen werden.
7. Das Programm zum Wettbewerb soll, soweit irgend
möglich, in allen Staaten am gleichen Tage veröffentlicht
und den Bewerbern zur Verfügung gestellt werden. —
Jeder Entwurf, welcher am Schlußtage des Wettbewerbs
noch nicht abgesandt ist, bleibt vom Wettbewerb aus
geschlossen. Der Stempel der Abfertigungsstelle gilt als
Nachweis.
8. Bei der Aufstellung des Programms sollen erfahrene
Architekten als Ratgeber zugezogen werden. — Die Ver
öffentlichung des Programms hat in französischer Sprache
zu geschehen.
9. Das Preisgericht wird von der Behörde ernannt,
die den Wettbewerb ausschreibt. Es ist dringend er
wünscht, daß diese Behörde, vor Ernennung der aus
wärtigen Preisrichter, sich mit dem ständigen Komitee
der internationalen Architektenkongresse in Verbindung
setzt. — Das Preisgericht eines internationalen Wett
bewerbes der Baukunst soll aus Architekten zusammen
gesetzt werden, welche sämtlich verschiedenen Ländern
angehören, wovon einer aber aus dem Lande sein soll,
in welchem der Wettbewerb ausgeschrieben wird. Ein
Rechtskundiger, welchen die ausschreibende Behörde er
nennt, soll, ohne selbst Stimmberechtigung zu haben, die
Verhandlungen und Maßnahmen des Preisgerichts leiten,
um die rechtmäßige Erfüllung aller Förmlichkeiten zu
sichern. — Die Mitglieder des Preisgerichts erklären
durch die Tatsache der Amtsübernahme, daß sie keinerlei
mittelbares oder unmittelbares materielles Interesse an
dem Ergebnis des Wettbewerbs haben.
10. Für die internationalen Wettbewerbe und ins
besondere für die vorbereitenden Wettbewerbe der ersten
Stufe empfiehlt es sich, keine enge Kostenbegrenzung auf
zustellen, um der künstlerischen Eingebung der Bewerber
gewisse Freiheit zu lassen. — Für den Fall jedoch, daß
die zur Ausführung des Wettbewerbentwurfes anfügbare
Summe genau vorgeschrieben ist, muß das Programm die
nötigen Elemente enthalten, um eine annähernd gleich
mäßige Kostenschätzung zu ermöglichen.
11. Der Gesamtbetrag der zur Verteilung kommenden
Preise soll sich auf 2 1 / 2 °/ 0 der Baukostensumme belaufen
für Bauwerke bis zu 2’/j Millionen Franken Wert, auf
2°/ 0 für Bauten bis 5 Millionen und auf l*/i°/o für Bauten
über 5 Millionen Franken Wert. — Als Grundsatz soll
gelten, daß dem an erster Stelle ausgezeichneten Künstler
die Ausführung seines Entwurfes übertragen werden soll,
und zwar unter den Bedingungen, welche in dem Lande,
wo der Wettbewerb ausgeschrieben ist, üblich sind. —
Der Betrag des Preises darf von dem Honorar nicht ge
kürzt werden. — Falls die Person oder Körperschaft, die
den Wettbewerb ausschreibt, wünscht, an die Persönlich
keit des an erster Stelle ausgezeichneten Bewerbers nicht
gebunden zu sein, so muß das Programm die Beding
ungen der Entschädigung enthalten. — Dieselbe Pflicht
der Entschädigung tritt ein für den Fall, daß eine Aus
führung des Baues überhaupt nicht zustande kommt. —
In allen Fällen behalten die Urheber das volle geistige
Eigentumsrecht sowohl an dem von ihnen eingesandten
Entwurf wie an dem Bauwerk, das nur eine Wiedergabe
des Entwurfs ist.
12. Beim einstufigen Wettbewerb sind sämtliche Ent
würfe in einem würdigen Raum auszustellen, und zwar
lange genug, daß alle Bewerber imstande sind, die Aus
stellung zu besuchen, deren Eröffnung rechtzeitig in den
Fachzeitungen bekanntzugeben ist. — Für die zwei
stufigen Wettbewerbe findet nach dem ersten Schieds
spruch keine Ausstellung statt; alle Skizzen müssen unter
Siegel verwahrt bleiben, um am Schluß nach der Ent
scheidung des zweiten endgültigen Wettbewerbes gleich
zeitig ausgestellt zu werden. — Den in der ersten Stufe
Preisgekrönten muß gestattet werden, von ihrer Skizze
eine Kopie zu nehmen, um danach ihren endgültigen
Entwurf auszuarbeiten. — Der vollständige und ausführ
lich zu begründende Bericht des Preisgerichts ist vor der
Eröffnung der Ausstellung zu veröffentlichen und allen
Beteiligten zur Kenntnis zu bringen.
Paris, den 20. November 1908.
Für die Richtigkeit der Uebersetzung aus dem
französischen Urtext:
Baurat L. Neher.
Ober- und Geh. Baurat Dr.-Ing. J. Stübben.
Y ereinsmitteilungen
Württ. Banheamten-Verein. Als Mitglied hat sich
angemeldet: Staatsstraßenmeister Kappler in Riedlingen.
Württ. Verein für ßauknnde. Die Mitglieder
des „Württ. Vereins für Baukunde“ und des „Stuttgarter
Architektenklubs“ hörten am 27. Februar abends im
Vortragssaal des Landesgewerbemuseums einen mit groß
artigen Lichtbildern ausgestatteten Vortrag von Professor
Lauser, Dozent für die Ornamentik des Altertums an
der Technischen Hochschule, über die Ara pacis
Augustae, den augusteischen Friedensaltar, errichtet
während der Jahre 13—9 v. Chr. auf dem Marsfelde zu
Rom. Voran ging ein kurzer Ueberblick über die Zeit
der schrecklichen Bürgerkriege am Ende der römischen
Republik, ein Hinweis auf die Ermordung Julius Cäsars
und den Kampf zwischen Antonius und dem Jüngling
Gajus Octavius, dem Erben Cäsars, dem nachmaligen
Kaiser Augustus, der in den Aufzeichnungen über sein
Lebenswerk bekanntgibt, daß ihm der Senat nach seiner
glücklichen Rückkehr aus Spanien und Gallien einen
Altar des Augustusfriedens weihte. Die schon vor dem
Jahr 1535 gemachten Ausgrabungen für die Fundamente
des Palazzo Fiano am Oorso haben aus 5 m Tiefe die
prachtvollen Werke des Bildhauers und Architektur-
ornamentikers wieder zutage gebracht. An den marmornen
Einfriedigungsmauern sah man oben in einem 1,51 m
hohen Friese den Festzug, das Opfer des Aeneas, das
des Augustus, zwei Stieropfer und die Terra mater. An
den unteren Mauerteilen rankte sich ein Ornamentwerk
hinauf, das scheinbar natürlich aussieht, aber von dem
Botaniker von Fach nicht erklärt werden kann, weil es
von rein sinnbildlich künstlerischer Art ist. Der Vor
tragende gab nach seinen Studien eine Erklärung, warum
die Griechen das Blatt vom Akanthusbusch für ihr
typisch griechisch-heimatliches Ornaraentwerk gewählt
haben, das sich grundsätzlich unterscheidet vom römischen
Eichenlaubwerk, einer von Jupiters heiliger Eiche ber-
rührenden ornamentalen Auszeiebnungsart. Nach der
letzteren konnte man entweder einzelne Zweige und
Blätter zum Kranze oder rosettenartig zusammenbinden,
oder auch irgendwelches Rankenwerk in sinnbildlicher
Weise stengelumfassend damit belauben, und zwar, wie
es in der Literatur heißt: „ob Jovem insignis“, d. h. von
wegen Jupiters so ausgezeichnet. Auf diese Art wurde
eine Stileinheit in der römischen Pflanzenornamentik
erzielt. Die Forschungen des Redners sind dazu geeignet,
das antike Pflanzenornamentwerk unserm Verständnis
wieder näherzubringen als lehrreiches Vorbild für neu
zeitliches Schaffen. Nicht blinde Nachahmung unver
standener Motive, wie bisher üblich, darf das Losungs
wort sein, sondern wir müssen wieder lernen, in welcher
Weise man vorliegende Gedanken mit Hilfe von Pflanzen
sinnbildlich künstlerisch zu verwerten vermag. Dies
führte der Redner noch weiter aus an verschiedenen
Erzleuchtern und Marmorkandelabern der griechisch
archaischen und römischen Zeit im Vergleich mit einem
in Silber getriebenen und vergoldeten Altarleuchter der
Renaissanceepoche, an dem möglichst im Sinn der römisch-