6. Juni 1914
BAUZEITUNG
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II. Hypotheken
Ueber die Gründung von städtischen Anstalten für
zweite Hypotheken sprach Beigeordneter Büren-Krefeld
auf dem 4. Rheinischen Städtetag, der unter dem Vorsitz
von Oberbürgermeister Wallraf-Köln unter starker Be
teiligung am 2. Mai in M. Gladbach tagte; es waren
sämtliche rheinische Städte mit mehr als 15000 Ein
wohnern vertreten.
Die mit Beifall aufgenommenen Darlegungen gipfelten
in folgenden Sätzen: 1. Solange nicht durch die Reichs
gesetzgebung die dem heutigen Hypothekenrecht anhaf
tenden Mängel beseitigt werden, und solange nicht eine
Organisierung auch des zweitstelligen Realkredits auf
breiter Grundlage gelingt, ist auf eine dauernde Hebung
der Notlage auf dem Markte der zweiten Hypotheken
nicht zu rechnen. 2. Die Städte sind nicht in der Lage,
der Not in vollem Umfange abzuhelfen; wenn sie nicht
den städtischen Anleihekredit aufs schwerste erschüttern
Ziele bei der Hergabe der Darlehen zu verfolgen.
7. Außer den auf die vorgenannten Gesichtspunkte be
züglichen Bestimmungen müssen in den Satzungen für
die Anstalten für zweite Hypotheken Vorschriften enthalten
sein über die Stelle, die über die Beleihung entscheidet,
die Tilgungsgrundsätze, die Schätzungsregeln, über die
Ansammlung eines Sicherheitsschatzes, über die Anfor
derungen an die persönliche Kreditwürdigkeit der Dar
lehnsnehmer, über die Auszahlung von Raten bei Bau
gelddarlehen usw. 8. Die Wege, auf denen sich die
Anstalten das Betriebskapital beschaffen, müssen der
Lage des Geldmarktes und den Verhältnissen der Eiftzel-
stadt angepaßt werden. 9. Bürgschaftsübernahme für
von Privaten unmittelbar gegebene Darlehen empfiehlt
sich nicht wegen des unübersehbaren Wagnisses, dagegen
ist Bürgschaftsübernahme für die von Kreditinstituten
gegebenen zweiten Hypotheken unter persönlicher Mit
haftung der Schuldner (Berlin-Schöneberger Hypotheken
bankverein), oder unter Rückversicherung (Frankfurt a. M.)
Werkbund-Ausstellung Cöln 1914 Verkehrshalle
Architekt: Professor Hugo Eberhardt-Offenbach a. M.
und, wegen der Unübersehbarkeit des Wagnisses, die
Bahnen einer soliden Finanzwirtschaft verlassen wollen.
3. Unter gewissen Beschränkungen aber lassen sich
Maßnahmen der Städte rechtfertigen, um den vorhandenen
Notstand wenigstens zu mildern. 4. Solche Maßnahmen
der Städte sind möglich in dreierlei Form: a) Durch
Gründung einer städtischen Anstalt für zweite Hypotheken,
deren Betriebsmittel die Stadt selbst beschafft; b) durch
Uebernahme selbstschuldnerischer Bürgschaft für zweite
Hypotheken, die von dritten Kredit-Organisationen her
gegeben werden; c) durch Vermittlung der Hergabe
zweiter Hypotheken unmittelbar durch Privatpersonen mit
oder ohne Bürgschaftsübernahme. 5. Bei allen drei Maß
nahmen sind nur Tilgungshypotheken zu berücksichtigen;
auch ist eine Einwirkung auf die erste Hypothek hin
sichtlich der Person des Darlehnsgebers oder der Dar
lehnsbedingungen anzustreben. 6. Die Beschränkungen,
die sich insbesondere die Anstalten unter a) auferlegen
müssen, richten sich nach den besonderen Verhältnissen
jeder einzelnen Stadt. Es ist Rücksicht zu nehmen auf
die allgemeine Finanzlage hinsichtlich der Höhe der zur
Verfügung zu stellenden Mittel, ferner auf die Verfassung
des Wohnungsmarktes hinsichtlich der zu beleihenden
Objekte. Ueberhaupl sind zugleich Wohnungspolitische
grundsätzlich nicht bedenklich. 10. Vermittlung von
zweiten Hypotheken durch die Stadt ohne Haftungsüber
nahme verspricht keinen Erfolg. 11. Die Erfahrungen,
die die Städte bisher mit den Anstalten für zweite Hypo
theken gemacht haben, sind — im Rahmen des Erreich
baren — günstig.
Vereinsmitteilungen
Württ. Ingenieurverein, ln der letzten Sitzung sprach
nach Erledigung des geschäftlichen Teiles Oberingenieur
R. Lind-Stuttgart über: Die neue Dampfanlage der Ersten
Kunstdruckpapierfabrik Carl Scheufeien in Oberlenningen,
die in ihrer Gesamtheit und in ihren Einzelheiten von
betriebs- und wärmewirtschaftlichen Standpunkte aus
manches Bemerkenswerte bietet.
Als Ersatz für die vorhandene 600 PS Dampfanlage
wurde zur Erzeugung der erforderlichen Kraft und zur
Ergänzung der mehrere hundert Pferdekräfte leistenden
Wasserturbinen eine Dampfturbine aufgestellt, die bis zu
2000 PS leisten kann. Der Dampf wird in einer Wasser
rohrkesselanlage mit 650 qm Kesselheizfläche, 224 qm
Ueberhitzerheizfläche und 384 qm Vorwärmerheizfläche
erzeugt. Die festgesetzte höchste Dampfspannung, mit