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BAUZEITUNO
Nr. 12/16
kirche und Kapelle. Vor den Toren Serajevos finden
wir Abbildung 1, deren einheitliche, charaktervolle Wir
kung nicht weiter zu erläutern ist.
Aber auch auf dem Gebiete des nicht besonders aus
gezeichneten Einzelgrabes finden wir ein eigenartiges,
geschmackvoll zurückhaltendes Empfinden am Werke,
als Beweis der Auffassung des Volkes. Von aufdring
lichen, stimmungsvernichtenden Grabinschriften, Bildern,
Anhängern^aller Art ist keine Rede, noch weniger zeigt
sich das Bestreben, des Nachbarn Grab im Qrabschmuck
zu überbieten. Schlichte Schriftplatten, wie stellaartige
Schriftsäulen sind die altgewohnten, zweckentsprechen
den Schmuckformen (Abbildung 2 und 3).
Besonderes Interesse erweckt die teilweise überaus
eigenartige Endigung der Schriftsäulen durch einen auf
gesetzten Turban, dem Kennzeichen der Männlichkeit,
entsprechend der römischen Toga virilis. Gerade in
Serajevo hat der Fremde Gelegenheit, in der im 16. Jahr
hundert erbauten Husreo-Bey-Moschee diese cultus-
im Sinne des Gesetzes — nicht bloss einen Niederschlag
praktischer Berufserfahrung darstellen, dessen Berück
sichtigung dem Ermessen der Mitglieder anheimgegeben
wäre, sondern eine für sie verbindliche Norm ihres Handelns
bilden. Von dieser abzuweichen, auf Grund der sub
jektiven Ansicht, daß die Beobachtung der Vorschrift im
besonderen Falle nicht erforderlich sei, kann, wenigstens
in der Regel, dem einzelnen Mitglied nicht gestattet sein-
In der Zuwiderhandlung gegen derartige Vorschriften, die r
wenn sie auch in erster Linie im Vermögensinteresse der
Berufsgenossenschaften erlassen sein mögen, doch zugleich
der Verhütung von Betriebsunfällen und damit also dem
öffentlichen Interesse dienen, muß daher eine Ausseracht-
lassungderdurchdieMitglieder der Berufsgenossenschaften
im Verkehr zu betätigenden Sorgfalt gefunden werden.
Hierzu sei auf nachstehenden Fall verwiesen;
Als der Bau des Architekten E. bis zur Dachhöhe
gediehen war, begann der Maurermeister auf dem un
mittelbar anstossenden Grundstücke mit Ausschachtungs-
mäßige’Ausstellung der Toten zu beobachten. Das grüne
Tuch der Fahne des Propheten umhüllt die sterblichen
Ueberreste, während als einziger Schmuck bei Männern
der aufgesetzte Turban des Verstorbenen dient. Diese
Cultussitte finden wir auf den Grabschmuck einfach
übertragen. Gerade der einsam vor Mostar gelegene
Friedhof (Abb. 3) läßt uns im Gesamteindruck empfinden,
daß im alttürkischen Friedhof eigenartige Kunstwerte zu
finden sind, die um vieles höher stehen als einige unserer
modernen friedhöflichen Ausstellungsplätze für Bildhauer,
ln der Beschränkung des Einzelnen liegt die Wirkung.
Dr. ing. Klaiber, Ulm.
Kleine Mitteilungen
Einsturz eines Neubaues durch Ausschachtungen
auf dem Nachbargrundstück. Das Reichsgericht hat
wiederholt ausgesprochen, daß Unfallverhütungsvorschriften
von Bauberufsgenossenschaften — keine „Schutzgesetze“
arbeiten, um gleichfalls ein Wohnhaus zu bauen. An
einem Maimorgen des Jahres 1907 stürzte nun der Front
eckpfeiler des Baues des Architekten mit einem Teile des
an das Grundstück des M. anstoßenden Giebels ein. E.
machte für den dadurch ihm entstandenen Schaden den
M. verantwortlich, seine Klage wurde aber sowohl vom
Landgericht wie vom Kammergericht Berlin als Be
rufungsgericht, abgewiesen. Dagegen hatte seine beim
Reichsgericht eingelegte Revision Erfolg. Der fünfte
Zivilsenat des obersten Gerichtshofes führte aus:
Bei Prüfung der Frage des Verschuldens geht der
Berufungsrichter insofern von einem rechtlich nicht zu
billigenden Gesichtspunkte aus, als er wiederholt betont,
daß dabei die von einem „normalen“ oder „Durchschnitts-
Maurermeister" zu erwartende Einsicht in Betracht komme.
Der Beklagte hat nun den Bau selbst mit Hilfe eines
Poliers ausgeführt, also die Tätigkeit eines Bauunternehmers
entfaltet. Von einem Bauunternehmer aber, namentlich in
einem Vororte Berlins, der selbstständig Bauten ausführt,
muß ein erheblich höheres Maß von Aufmerksamkeit ver