Mai 1918.
BAUZEITUNG
33
bezw. zu Lasten der beiden in Betracht kommenden Grund
stücke gesichert werden. Will der Grundstückseigentümer,
der im Gebiet geschlossener Bauweise offen zu bauen
beabsichtigt, den in diesem Fall einzuhaltenden Grenzab
stand ganz auf sein Baugrundstück übernehmen, so muß
der angrenzende Nachbar wenigstens die — durch Bau
last zu sichernde — Verpflichtung eingehen, daß die in
folgedessen sichtbar bleibende Nebenseite des auf seinem
Grundstück zu erstellenden Neubaus eine angemessene
Ausstattung d. h. ein der Umgebung nach Baustoff, Form
und Farbe angemessenes gefälliges Aeußeres erhält. Eine
solche Baulast ist deshalb notwendig, weil der Nachbar
an sich gesetzlich berechtigt ist, entlang der Eigentums
grenze eine kahle, unverputzte Brandmauer zu erstellen,
die alsdann das Straßenbild dauernd verunstalten würde.
Da übrigens die angemessene Ausstattung einer Um
fassungswand ohne Vorsprünge für Lisenen, Gesimse usw.
kaum möglich ist und außerdem meistens auch zur Be
lebung der Flächen, sowie zur besseren Ausnützung der
hinter der Außenwand liegenden Räume, die Anordnung
von Fensteröffnungen erwünscht erscheint, so wird die
Uebernahme des ganzen Gebäudeabstands auf nur eines
der beiden aneinanderstoßenden Grundstücke meistens
auf rechtliche Schwierigkeiten stoßen, die selbst bei ent
sprechender Verteilung des Abstands auf beide Grund
stücke noch zahlreich genug sind, weil die Uebernahme
einer derartigen Baulast auf ein Grundstück, wie schon
oben erwähnt, vor allem der Zustimmung der Hypotheken
gläubiger bedarf. Infolgedessen ist, falls je im Gebiet
der geschlossenen Bauweise freiwillig offen gebaut werden
will, in der Regel eine den Verhältnissen angemessene
Verteilung des Seitenabstands auf die beiden aneinander
stoßenden Grundstücke zu empfehlen.
Eine solche Verteilung des Gebäudeabstands ist in
§'35 Abs. 3 der neuen Satzung beim Uebergang von der
geschlossenen zur offenen Bauweise in der Art vorge
schrieben, daß das letzte Gebäude der geschlossenen
Reihe mit der einen Nebenseite auf die Eigentumsgrenze
zu stellen ist, während mit der andern, gegen die offene
Bauweise gerichteten Nebenseite, ein Grenzabstand von
mindestens 2,50 m eingehalten werden muß und der
nächste hier anschließende Nachbar den nach den Be
stimmungen für die offene Bauweise vorgeschriebenen
Grenzabsland einzuhalten hat.
Anders natürlich wenn der Nachbar schon vor In
krafttreten des Geschlossenbauens nach einer Abstands
vorschrift gebaut oder ein Bauwesen genehmigt erhalten
hat; dann kann nach § 34 Abs. 2 der neuen Satzung
jeder Beteiligte verlangen, daß trotz der neueren Vorschrift
des Geschlossenbauens noch nach der früheren Abstands
vorschrift gebaut wird. Es kann aber auch in einem
solchen Fall zwischen den beiden seitlich aneinandergren
zenden Nachbarn eine Vereinbarung getroffen werden,
die ein späteres „Geschlossenbauen“ ermöglicht. Dabei
wird allerdings in der Regel nicht ohne Uebernahme ent
sprechender Baulasten auf die beiden benachbarten Grund
stücke auszukommen sein.
Endlich ist noch eine Einigung zweier Nachbarn in
der Weise denkbar, daß der eine von beiden den bisher
zwischen ihren Gebäuden bestehenden 3 m Wichs wenig
stens teilweise — etwa auf Zimmertiefe — überbauen
darf. Es ist darnach also möglich daß, — insbesondere
im Stadtinnern — mit der Zeit da und dort die von früher
vorhandenen Seitenabstände vollständig verschwinden.
Andererseits aber kann die Baupolizeibehörde gemäß
§ 34 Abs. 3 der neuen Satzung auch da, wo nicht nach
zuweisen ist, daß bei der seinerzeitigen Erstellung des
Nachbarhauses Gebäudeabstände vorgeschrieben waren,
die Einhaltung eines Abstands verlangen, wenn sie im
einzelnen Fall, von besonders dringender Natur die Ein
haltung eines solchen zur Wahrung genügenden Licht- und
Luftzutritts für nötig erachtet.
Derartige Uebergangsbestimmungen fehlten bisher
bedauerlicherweise für einen Teil der Vororte, obwohl
dort der 3 m Wichs schon bei der seinerzeitigen Einge
meindung abgeschafft worden war. Solche Bestimmungen
sind aber dringend nötig, um insbesondere ältere, schon
Jahrzehnte und noch länger bestehende Gebäude gegen
die Verbauung von Licht und Luft, welche ihnen u. U.
durch etwaige auf dem Nachbargrundstück geplante Neu-
und Umbauten droht, mit Erfolg zu schützen und die
Neuschaffung ungesunder mit den Grundsätzen der neueren
baupolizeilichen Bestimmungen in Widerspruch stehender
Zustände nach Möglichkeit zu verhüten.
ln besonderen Fällen d. h. an den in § 71 der neuen
Satzung aufgezählten Straßen, an welchen ein künstleri
sches, besonders eindrucksvolles Gesamtbild angestrebt
wird, kann aber auch die freiwillig offene Bauweise
verboten werden, d. h. es kann an diesen Straßen, so
weit geschlossene Bauweise vorgesehen ist, das Zu
sammenbauen von sämtlichen Grundstückseigen
tümern verlangt werden.