Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1917/18)

Mai 1918. 
BAUZEITUNG 
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bezw. zu Lasten der beiden in Betracht kommenden Grund 
stücke gesichert werden. Will der Grundstückseigentümer, 
der im Gebiet geschlossener Bauweise offen zu bauen 
beabsichtigt, den in diesem Fall einzuhaltenden Grenzab 
stand ganz auf sein Baugrundstück übernehmen, so muß 
der angrenzende Nachbar wenigstens die — durch Bau 
last zu sichernde — Verpflichtung eingehen, daß die in 
folgedessen sichtbar bleibende Nebenseite des auf seinem 
Grundstück zu erstellenden Neubaus eine angemessene 
Ausstattung d. h. ein der Umgebung nach Baustoff, Form 
und Farbe angemessenes gefälliges Aeußeres erhält. Eine 
solche Baulast ist deshalb notwendig, weil der Nachbar 
an sich gesetzlich berechtigt ist, entlang der Eigentums 
grenze eine kahle, unverputzte Brandmauer zu erstellen, 
die alsdann das Straßenbild dauernd verunstalten würde. 
Da übrigens die angemessene Ausstattung einer Um 
fassungswand ohne Vorsprünge für Lisenen, Gesimse usw. 
kaum möglich ist und außerdem meistens auch zur Be 
lebung der Flächen, sowie zur besseren Ausnützung der 
hinter der Außenwand liegenden Räume, die Anordnung 
von Fensteröffnungen erwünscht erscheint, so wird die 
Uebernahme des ganzen Gebäudeabstands auf nur eines 
der beiden aneinanderstoßenden Grundstücke meistens 
auf rechtliche Schwierigkeiten stoßen, die selbst bei ent 
sprechender Verteilung des Abstands auf beide Grund 
stücke noch zahlreich genug sind, weil die Uebernahme 
einer derartigen Baulast auf ein Grundstück, wie schon 
oben erwähnt, vor allem der Zustimmung der Hypotheken 
gläubiger bedarf. Infolgedessen ist, falls je im Gebiet 
der geschlossenen Bauweise freiwillig offen gebaut werden 
will, in der Regel eine den Verhältnissen angemessene 
Verteilung des Seitenabstands auf die beiden aneinander 
stoßenden Grundstücke zu empfehlen. 
Eine solche Verteilung des Gebäudeabstands ist in 
§'35 Abs. 3 der neuen Satzung beim Uebergang von der 
geschlossenen zur offenen Bauweise in der Art vorge 
schrieben, daß das letzte Gebäude der geschlossenen 
Reihe mit der einen Nebenseite auf die Eigentumsgrenze 
zu stellen ist, während mit der andern, gegen die offene 
Bauweise gerichteten Nebenseite, ein Grenzabstand von 
mindestens 2,50 m eingehalten werden muß und der 
nächste hier anschließende Nachbar den nach den Be 
stimmungen für die offene Bauweise vorgeschriebenen 
Grenzabsland einzuhalten hat. 
Anders natürlich wenn der Nachbar schon vor In 
krafttreten des Geschlossenbauens nach einer Abstands 
vorschrift gebaut oder ein Bauwesen genehmigt erhalten 
hat; dann kann nach § 34 Abs. 2 der neuen Satzung 
jeder Beteiligte verlangen, daß trotz der neueren Vorschrift 
des Geschlossenbauens noch nach der früheren Abstands 
vorschrift gebaut wird. Es kann aber auch in einem 
solchen Fall zwischen den beiden seitlich aneinandergren 
zenden Nachbarn eine Vereinbarung getroffen werden, 
die ein späteres „Geschlossenbauen“ ermöglicht. Dabei 
wird allerdings in der Regel nicht ohne Uebernahme ent 
sprechender Baulasten auf die beiden benachbarten Grund 
stücke auszukommen sein. 
Endlich ist noch eine Einigung zweier Nachbarn in 
der Weise denkbar, daß der eine von beiden den bisher 
zwischen ihren Gebäuden bestehenden 3 m Wichs wenig 
stens teilweise — etwa auf Zimmertiefe — überbauen 
darf. Es ist darnach also möglich daß, — insbesondere 
im Stadtinnern — mit der Zeit da und dort die von früher 
vorhandenen Seitenabstände vollständig verschwinden. 
Andererseits aber kann die Baupolizeibehörde gemäß 
§ 34 Abs. 3 der neuen Satzung auch da, wo nicht nach 
zuweisen ist, daß bei der seinerzeitigen Erstellung des 
Nachbarhauses Gebäudeabstände vorgeschrieben waren, 
die Einhaltung eines Abstands verlangen, wenn sie im 
einzelnen Fall, von besonders dringender Natur die Ein 
haltung eines solchen zur Wahrung genügenden Licht- und 
Luftzutritts für nötig erachtet. 
Derartige Uebergangsbestimmungen fehlten bisher 
bedauerlicherweise für einen Teil der Vororte, obwohl 
dort der 3 m Wichs schon bei der seinerzeitigen Einge 
meindung abgeschafft worden war. Solche Bestimmungen 
sind aber dringend nötig, um insbesondere ältere, schon 
Jahrzehnte und noch länger bestehende Gebäude gegen 
die Verbauung von Licht und Luft, welche ihnen u. U. 
durch etwaige auf dem Nachbargrundstück geplante Neu- 
und Umbauten droht, mit Erfolg zu schützen und die 
Neuschaffung ungesunder mit den Grundsätzen der neueren 
baupolizeilichen Bestimmungen in Widerspruch stehender 
Zustände nach Möglichkeit zu verhüten. 
ln besonderen Fällen d. h. an den in § 71 der neuen 
Satzung aufgezählten Straßen, an welchen ein künstleri 
sches, besonders eindrucksvolles Gesamtbild angestrebt 
wird, kann aber auch die freiwillig offene Bauweise 
verboten werden, d. h. es kann an diesen Straßen, so 
weit geschlossene Bauweise vorgesehen ist, das Zu 
sammenbauen von sämtlichen Grundstückseigen 
tümern verlangt werden.
	        
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