46
BAUZEITUNG
Nr. 30/31
Der Rhein-Neckar-Donaukanal
von Regierungsbaumeister Bflhmler, Direktor der Tiefbauunter
nehmung Grün <S Bilfinger A.-G., Mannheim.
Die Verbindung des Rheines mit der Donau durch
einen Schiffahrtskanal auf dem Umwege über den Main
wird zur Zeit in Bayern mit größter Energie erstrebt.
Man zweifelt in Bayern nicht daran, daß eine solche
Wasserstraße dem Lande ungeheuren Nutzen bringen
wird, obgleich die Kostenberechnungen mit vielen Hun
derten von Millionen Mark abschließen. Man ist über
zeugt, daß auch durch den großzügigsten Ausbau des
Eisenbahnnetzes kein gleichwertiger Ersatz für eine der
artige Wasserstraße geschaffen werden könnte.
Der geplante Wasserweg, vom Rhein bei Mainz aus
gehend, folgt dem Main auf 370 Km. Länge bis Bamberg,
zweigt dann ab und führt als reiner Ueberlandkanal von
167 Km. Länge bis Steppberg zur Donau. Andere in
Betracht gezogene Linienführungen weisen noch größere
Weglängen auf.
Ein Blick auf die Karte zeigt, daß ein viel kürzerer
Kanal zwischen Rhein und Donau möglich ist, ein Kanal,
der badisches und württembergisches Gebiet durchzieht
und auf dem größten Teil seines Weges den Neckar
benützt. Der Neckar verläuft auf 212 Km. Länge vom
Rhein bei Mannheim in verhältnismäßig gerader Richtung
auf die Donau zu bis Plochingen.
An dieser Stelle, wo der Neckar eine andere Rich
tung einschlägt, ist der Neckar von der Donau bei Ulm
in der Luftlinie gemessen, nur noch 65 Km. entfernt.
Könnte man einen Schiffahrtsweg, der von Mannheim
bis Plochingen durchgeführt wäre, dort geradewegs wei
ter bis zur Donau leiten, so würde der Kanal auf mehr
als drei Viertel seiner Länge dem Neckartal mit seinen
zahlreichen Industrien und volkreichen Städten folgen und
nur ein Viertel müßte als Ueberlandkanal ohne Benützung
eines Flußlaufes ausgebaut werden.
Der Neckar ist heute schon für kleinere Schiffe von
Mannheim bis Heilbronn auf 115 Km. Länge befahrbar.
Die Schiffbarmachung dieser unteren Flußstrecke für 1200
Tonnen-Schiffe kann durch Einbau von Staustufen mit
verhältnismäßig geringen Aufwendungen durchgeführt
werden und wird besonders wirtschaftlich sein, wenn
ein nicht unerheblicher Teil der Gesamtkosten abgewälzt
werden kann auf die Nutznießer der wertvollen Wasser
kräfte, die beim Einbau der Staustufen gewonnen werden.
Von Heilbronn aufwärts bis nach Plochingen auf
eine weitere Strecke von 97 Km. ist es ebenfalls in ein
fachster Weise möglich, den Neckar durch den Einbau
von Staustufen, allerdings nur unter Zuhilfenahme einer
Anzahl von Seitenkanälen schiffbar zu machen. Diese
zweite Flußstrecke erfordert etwas größere Aufwendungen,
doch können auch hier die Kosten durch die gewähr
leistete Verwertung der Wasserkräfte erheblich herabge
setzt werden.
Auf der ganzen Flußstrecke von Mannheim bis
Plochingen muß der Schiffahrtsweg eine Höhe von 140
m überwinden.
Die Einführung des Rhein-Neckar-Donau-Kanals in
die Donau kann nur zwischen Ulm und Qundelfingen
erfolgen. Auf dieser Strecke liegt die Donau mehr als
200 m höher als der Neckar bei Plochingen. Man muß
also, um von Plochingen zur Donau zu gelangen, noch
mals eine beträchtliche Höhe überwinden. Da aber zwi
schen Neckar und Donau die schwäbische Alb noch
höher als die Donau emporsteigt und eine Wasserschei
de zwischen beiden Flüssen bildet, wird es notwendig,
noch höher als 200 m aufzusteigen, indem man den Kanal
zunächst auf die Alb hinaufführt und nach Ueberquerung
der Hochfläche ins Donautal mit verlorener Steigung
wieder hinableitet.
Um dies zu vermeiden, um also keine größeren
Höhen als 200 m überwinden zu müssen, hat man schon
erwogen, die Alb auf der Höhe des Donau-Wasserspie
gels mittelst eines Tunnels zu unterfahren. Der Gedanke
hat zunächst etwas Bestechendes. Man könnte durch
die Vermeidung der verlorenen Steigung eine größere
Anzahl Schleusen sparen; das für den Kanalbetrieb not
wendige Betriebswasser würde auf einfachste Weise dem
Kanal aus der Donau zufließen, was umso vorteilhafter
wäre, als dieses Betriebswasser am unteren Neckar zur
Gewinnung von Wasserkräften ausgenützt werden könnte.
Jedoch stehen diesen Vorteilen erhebliche Nachteile ge
genüber. Der kürzeste Tunnel unter der Alb hindurch
auf Höhe des Donauwasserspiegels würde mindestens
20 Km. lang werden und müßte der ungeheuren Kosten
wegen einschiffig durchgeführt werden. Zwei Schiffe
könnten sich auf dieser langen Kanal- und Tunnelstrecke
nicht begegnen. Selbst bei solchem einschiffigen Tunnel
würde das Tunnelquerprofil immer noch 2 1 /* mal so groß
werden müssen, als das Tunnelprofil eines zweigleisigen
Eisenbahntunnels und die Baukosten für den lfd. m Tun
nel immerhin 8—10000 Mark betragen, sodaß sich die
Gesamtkosten dieses 20 km langen Tunnels auf 160 bis
200 Millionen Mark belaufen würden. Schon diese Zah
len dürften genügen, um zu beweisen, daß ein Tunnel
unter der Alb hindurch nicht in Betracht kommen kann.
Aber auch andere Nachteile sprechen dagegen.
Der Schiffahrtsbetrieb in einem derartigen Tunnel
ist stets empfindlichen Störungen ausgesetzt. Zunächst
hätte jedes Schiff beim Durchfahren des Tunnels infolge
der Wartezeiten an den beiden Tunnelmündungen und an
den Ausweichstellen mit ganz erheblichem Zeitverlust zu
rechnen und zwar auch dann, wenn im Tunnelinnern
einige Ausweichstellen angeordnet wären. Infolge der
Temperaturunterschiede im Innern des Tunnels und voi
den Tunnelmündungen würde sich ständig Nebel bilden,
gegen welchen auch die beste Beleuchtung nicht aufkom-
men könnte, ein Mißstand, der die Schiffahrt zwar nicht
behindern würde, dem Schiffer aber sehr unangenehm
wäre. Daß beim Leckwerden und Sinken eines Schiffes
im Innern eines einschiffigen Tunnels die Schiffahrt auf
lange Zeit gesperrt wäre, ist ebenfalls eine unangenehme
Beigabe, die nicht außer Acht gelassen werden darf, weil
durch solchen Unfall die Betriebseinnahmen auf viele
Monate hinaus verloren gehen.
Aus all diesen Gründen, bei welchen die Kosten
frage allein schon ausschlaggebend ist, muß man mit
zwingender Notwendigkeit von der Anlage eines Tunnels
absehen. Es bleibt nichts anderes übrig, als einen Weg
über die Alb hinweg zu suchen. Für einen solchen Weg
gibt es zwei Möglichkeiten: eine Linienführung mit kür
zester Weglänge, bei welcher man eine hoch gelegene
Scheitelhaltung in Kauf nehmen muß, oder eine andere
Linienführung mit längerer Wegentwicklung, aber mit dem
Vorzug niederer Scheitelhaltung.
In beiden Fällen wird man zunächst von Plochingen
aus im Tal der Fils hochsteigen müssen, wobei das Fluß
bett der Fils wegen Geschiebeführung bei Hochwasser
nicht benutzt werden kann. Bei dem Weg mit kürzester
Linienführung wird man das Tal der Fils bis Geislingen
benützen und dann entlang der Geislinger Steige mit
Hilfe einer größeren Anzahl von Schleusen zur Albhoch-
fläche hochsteigen, bei Amstetten vorbei in einer einzigen
Haltung, der Scheitelhaltuflg von 25 Km. Länge, den Ab
hang des Donautales bei Ulm erreichen, um dort mittelst
einer Reihe von Schleusen zur Donau hinabzusteigen
Bei der Linienführung mit längerer Wegentwicklung
biegt der Kanal im Filstal oberhalb Göppingen ins Tal
der Krumm, unterfährt mittelst eines 700 m langen Tun
nels den Höhenzug zwischen Rechberg und Hohenstaufen
und führt im weiteren Verlauf an den Hängen des Rems-