Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1917/18)

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BAUZEITUNG 
Nr. 30/31 
Der Rhein-Neckar-Donaukanal 
von Regierungsbaumeister Bflhmler, Direktor der Tiefbauunter 
nehmung Grün <S Bilfinger A.-G., Mannheim. 
Die Verbindung des Rheines mit der Donau durch 
einen Schiffahrtskanal auf dem Umwege über den Main 
wird zur Zeit in Bayern mit größter Energie erstrebt. 
Man zweifelt in Bayern nicht daran, daß eine solche 
Wasserstraße dem Lande ungeheuren Nutzen bringen 
wird, obgleich die Kostenberechnungen mit vielen Hun 
derten von Millionen Mark abschließen. Man ist über 
zeugt, daß auch durch den großzügigsten Ausbau des 
Eisenbahnnetzes kein gleichwertiger Ersatz für eine der 
artige Wasserstraße geschaffen werden könnte. 
Der geplante Wasserweg, vom Rhein bei Mainz aus 
gehend, folgt dem Main auf 370 Km. Länge bis Bamberg, 
zweigt dann ab und führt als reiner Ueberlandkanal von 
167 Km. Länge bis Steppberg zur Donau. Andere in 
Betracht gezogene Linienführungen weisen noch größere 
Weglängen auf. 
Ein Blick auf die Karte zeigt, daß ein viel kürzerer 
Kanal zwischen Rhein und Donau möglich ist, ein Kanal, 
der badisches und württembergisches Gebiet durchzieht 
und auf dem größten Teil seines Weges den Neckar 
benützt. Der Neckar verläuft auf 212 Km. Länge vom 
Rhein bei Mannheim in verhältnismäßig gerader Richtung 
auf die Donau zu bis Plochingen. 
An dieser Stelle, wo der Neckar eine andere Rich 
tung einschlägt, ist der Neckar von der Donau bei Ulm 
in der Luftlinie gemessen, nur noch 65 Km. entfernt. 
Könnte man einen Schiffahrtsweg, der von Mannheim 
bis Plochingen durchgeführt wäre, dort geradewegs wei 
ter bis zur Donau leiten, so würde der Kanal auf mehr 
als drei Viertel seiner Länge dem Neckartal mit seinen 
zahlreichen Industrien und volkreichen Städten folgen und 
nur ein Viertel müßte als Ueberlandkanal ohne Benützung 
eines Flußlaufes ausgebaut werden. 
Der Neckar ist heute schon für kleinere Schiffe von 
Mannheim bis Heilbronn auf 115 Km. Länge befahrbar. 
Die Schiffbarmachung dieser unteren Flußstrecke für 1200 
Tonnen-Schiffe kann durch Einbau von Staustufen mit 
verhältnismäßig geringen Aufwendungen durchgeführt 
werden und wird besonders wirtschaftlich sein, wenn 
ein nicht unerheblicher Teil der Gesamtkosten abgewälzt 
werden kann auf die Nutznießer der wertvollen Wasser 
kräfte, die beim Einbau der Staustufen gewonnen werden. 
Von Heilbronn aufwärts bis nach Plochingen auf 
eine weitere Strecke von 97 Km. ist es ebenfalls in ein 
fachster Weise möglich, den Neckar durch den Einbau 
von Staustufen, allerdings nur unter Zuhilfenahme einer 
Anzahl von Seitenkanälen schiffbar zu machen. Diese 
zweite Flußstrecke erfordert etwas größere Aufwendungen, 
doch können auch hier die Kosten durch die gewähr 
leistete Verwertung der Wasserkräfte erheblich herabge 
setzt werden. 
Auf der ganzen Flußstrecke von Mannheim bis 
Plochingen muß der Schiffahrtsweg eine Höhe von 140 
m überwinden. 
Die Einführung des Rhein-Neckar-Donau-Kanals in 
die Donau kann nur zwischen Ulm und Qundelfingen 
erfolgen. Auf dieser Strecke liegt die Donau mehr als 
200 m höher als der Neckar bei Plochingen. Man muß 
also, um von Plochingen zur Donau zu gelangen, noch 
mals eine beträchtliche Höhe überwinden. Da aber zwi 
schen Neckar und Donau die schwäbische Alb noch 
höher als die Donau emporsteigt und eine Wasserschei 
de zwischen beiden Flüssen bildet, wird es notwendig, 
noch höher als 200 m aufzusteigen, indem man den Kanal 
zunächst auf die Alb hinaufführt und nach Ueberquerung 
der Hochfläche ins Donautal mit verlorener Steigung 
wieder hinableitet. 
Um dies zu vermeiden, um also keine größeren 
Höhen als 200 m überwinden zu müssen, hat man schon 
erwogen, die Alb auf der Höhe des Donau-Wasserspie 
gels mittelst eines Tunnels zu unterfahren. Der Gedanke 
hat zunächst etwas Bestechendes. Man könnte durch 
die Vermeidung der verlorenen Steigung eine größere 
Anzahl Schleusen sparen; das für den Kanalbetrieb not 
wendige Betriebswasser würde auf einfachste Weise dem 
Kanal aus der Donau zufließen, was umso vorteilhafter 
wäre, als dieses Betriebswasser am unteren Neckar zur 
Gewinnung von Wasserkräften ausgenützt werden könnte. 
Jedoch stehen diesen Vorteilen erhebliche Nachteile ge 
genüber. Der kürzeste Tunnel unter der Alb hindurch 
auf Höhe des Donauwasserspiegels würde mindestens 
20 Km. lang werden und müßte der ungeheuren Kosten 
wegen einschiffig durchgeführt werden. Zwei Schiffe 
könnten sich auf dieser langen Kanal- und Tunnelstrecke 
nicht begegnen. Selbst bei solchem einschiffigen Tunnel 
würde das Tunnelquerprofil immer noch 2 1 /* mal so groß 
werden müssen, als das Tunnelprofil eines zweigleisigen 
Eisenbahntunnels und die Baukosten für den lfd. m Tun 
nel immerhin 8—10000 Mark betragen, sodaß sich die 
Gesamtkosten dieses 20 km langen Tunnels auf 160 bis 
200 Millionen Mark belaufen würden. Schon diese Zah 
len dürften genügen, um zu beweisen, daß ein Tunnel 
unter der Alb hindurch nicht in Betracht kommen kann. 
Aber auch andere Nachteile sprechen dagegen. 
Der Schiffahrtsbetrieb in einem derartigen Tunnel 
ist stets empfindlichen Störungen ausgesetzt. Zunächst 
hätte jedes Schiff beim Durchfahren des Tunnels infolge 
der Wartezeiten an den beiden Tunnelmündungen und an 
den Ausweichstellen mit ganz erheblichem Zeitverlust zu 
rechnen und zwar auch dann, wenn im Tunnelinnern 
einige Ausweichstellen angeordnet wären. Infolge der 
Temperaturunterschiede im Innern des Tunnels und voi 
den Tunnelmündungen würde sich ständig Nebel bilden, 
gegen welchen auch die beste Beleuchtung nicht aufkom- 
men könnte, ein Mißstand, der die Schiffahrt zwar nicht 
behindern würde, dem Schiffer aber sehr unangenehm 
wäre. Daß beim Leckwerden und Sinken eines Schiffes 
im Innern eines einschiffigen Tunnels die Schiffahrt auf 
lange Zeit gesperrt wäre, ist ebenfalls eine unangenehme 
Beigabe, die nicht außer Acht gelassen werden darf, weil 
durch solchen Unfall die Betriebseinnahmen auf viele 
Monate hinaus verloren gehen. 
Aus all diesen Gründen, bei welchen die Kosten 
frage allein schon ausschlaggebend ist, muß man mit 
zwingender Notwendigkeit von der Anlage eines Tunnels 
absehen. Es bleibt nichts anderes übrig, als einen Weg 
über die Alb hinweg zu suchen. Für einen solchen Weg 
gibt es zwei Möglichkeiten: eine Linienführung mit kür 
zester Weglänge, bei welcher man eine hoch gelegene 
Scheitelhaltung in Kauf nehmen muß, oder eine andere 
Linienführung mit längerer Wegentwicklung, aber mit dem 
Vorzug niederer Scheitelhaltung. 
In beiden Fällen wird man zunächst von Plochingen 
aus im Tal der Fils hochsteigen müssen, wobei das Fluß 
bett der Fils wegen Geschiebeführung bei Hochwasser 
nicht benutzt werden kann. Bei dem Weg mit kürzester 
Linienführung wird man das Tal der Fils bis Geislingen 
benützen und dann entlang der Geislinger Steige mit 
Hilfe einer größeren Anzahl von Schleusen zur Albhoch- 
fläche hochsteigen, bei Amstetten vorbei in einer einzigen 
Haltung, der Scheitelhaltuflg von 25 Km. Länge, den Ab 
hang des Donautales bei Ulm erreichen, um dort mittelst 
einer Reihe von Schleusen zur Donau hinabzusteigen 
Bei der Linienführung mit längerer Wegentwicklung 
biegt der Kanal im Filstal oberhalb Göppingen ins Tal 
der Krumm, unterfährt mittelst eines 700 m langen Tun 
nels den Höhenzug zwischen Rechberg und Hohenstaufen 
und führt im weiteren Verlauf an den Hängen des Rems-
	        

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