HTOM
rx
Okt. 1918
FÜR WÜRTTEMBERG
ERDEN*HESSEN-GL
SHSS* LOTHRINGEN-
Inhalt: Soziale Wohnungsreform. — Der Bau von Kriegerheimstätten,
und Sparen!“ — Vereinsmitteilungen.
Alle Rechte Vorbehalten.
Soziale Wohnungsreform.
Ich sprach mich kürzlich, als vom Bauen in der
Uebergangszeit die Rede war, dahin aus, daß keine wirt
schaftliche Frage von so ungeheurer Tragweite sei, wie
die Wohnfrage. Wenn die Probleme in Bezug auf
Ernährung und Bekleidung immerhin vorübergehender
Natur seien, weil es sich hier nicht im eigentlichen Sinne
um Anlage-Kapitalien handle, so liege dies bei der Woh
nung des Menschen ganz anders. Würden Häuser mit dem
entwerteten Geld gebaut, so müßten hier Wirkungen aus
gelöst werden, die gar nicht zu überdenken wären. Es
müßte daher das Bestreben sein, zunächst hier Mittel und
Wege für einen einigermaßen annehmbaren Ausgleich zu
suchen, wie es notwendig sein werde, daß das Bauge
werbe den Forderungen der Zeit nach Vervollkommnung
bezw. Vereinfachung der Arbeitsmethoden in weitgehend
ster Weise Rechnung trage. — Ein paar Tage darauf er
hielt ich von zu Hause eine Schrift: Soziale Wohnungs
reform*) zugeschickt, die Georg Heyer, Berlin, zum Ver
fasser hat und die ich besprechen soll. Als nähere Er
klärung des Titels ist beigesetzt: »Allgemein-wirtschaft
liche Vorschläge zu einer durchgreifenden Aenderung der
gesamten Boden-, Bau-, Haus- und Wohnungswirtschaft.
Heyer ist Erbauer und Besitzer großstädtischer Wohn
häuser und man könnte daher geneigt sein, zu denken,
es werde sich hier ein richtiger Berliner Unternehmer
und Hausbesitzer für sich und seinesgleichen in’s Zeug
legen. Nichts von dem; Heyer ist im Gegenteil der Mann,
der bei viel praktischer Erfahrung einen Weitblick für
das, was der Allgemeinheit nottut, verrät, der alle Achtung
verdient. Durchgreifend nennt er seine Vorschläge und man
muß gestehen, daß er darin ganze Arbeit gemacht hat.
Und dies in einer Schrift, von nur 80 Seiten und in über
aus gemeinverständlicher Sprache. Er faßt seine Vor
schläge in 12 Punkten zusammen und man wird bei
näherem Studium gestehen müssen, daß hier Mittel und
Wege gezeigt werden, die geeignet sind einen annehm
baren Ausgleich zu schaffen — immer vorausgesetzt, daß
man soweit ist, um überzeugt zu sein, daß das Wohl
der Allgemeinheit und das eigene Wohl nichts gegen-
sätztiches ist. Wollte man ohne jede vorsorgliche Maß
nahme, sobald es die Zeit zuläßt, darauf los bauen, so
müßte man auf Baukosten kommen, die 3 bis 4 mal höher
kämen, als vor dem Krieg. Kann man aber denjenigen,
welche die Gründung eines eigenen Heims infolge ihrer
Militärpflicht hinausschieben mußten, zumuten, eine 3 bis
4 mal höhere Miete zu bezahlen? Der Unterschied in den
Mietspreisen wäre also so gewaltig, daß ein kleinliches
Herumlaborieren hier gar keinen Wert hätte. Heyer macht
•t Verlegt bei Puttkammer <S Mühlbrecht Berlin, Preis Ji. 3.50.
deshalb, wie auch schon von anderer Seite geschehen,
den Vorschlag, für die Uebergangszeit eine Mietssteuer
von 10% einzuführen, welche die alten Mieter zu Gunsten
der neuen aufzubringen haben. Das ist sicher sozial ge
dacht und auch durchführbar, wenn ich auch dafür wäre,
daß man die Steuern abstufen sollte, etwa bis vü 500.—
5%, von da bis 1000.— 10%, von da bis 1500.— 15%,
höher 20%. Der Apparat würde allerdings etwas um
ständlicher, aber für die schwächeren Schultern leichter
zu tragen. Es ist einleuchtend, daß eine solche Maß
nahme nicht allein für sich in Angriff genommen werden
kann, sondern nur im Zusammenhang einer völligen Um
gestaltung der ganzen Wohnungswirtschaft. Wie gesagt
Heyer stellt 12 Punkte dafür auf. So sollen u. A. die
Grundstücke nach dem Stand von 1914 abgeschätzt und
darnach die Verschuldungsgrenze auf 85% festgesetzt
werden. Die Schulden darüber hinaus sollen abgetragen,
die außer der 1. Hypothek eingetragenen Verbindlichkeiten
von den Körperschaften unter Garantie der Gemeinden
abgelöst und auch für die 1. Hypothek selbst soll das
Tilgungsverfahren angewendet werden. Damit würden
ruhige, sichere Kreditverhältnisse ein für allemal geschaffen.
WeitereVorschläge befassen sich mit einer Hausrentenzu
wachssteuer, Mietausfallversicherung, Wohnungsnachweise
und dergl. Besonders beachtenswert sind seine Anreg
ungen bezügl. Bekämpfung der hohen Bodenpreise und
die Niederlegung ungesunder Wohnviertel in den Groß
städten. Möge nun die Schrift ihre Wirkung tun, die
Geister aufwecken und sie nicht mehr ruhen lassen, ehe
nicht ganze Arbeit getan ist, damit das gesamte deutsche
Volk am eigenen Herd von Herzen froh werde.
K. Schüler, im Felde.
Der Bau von Kriegerheimstätten.
Wenn es auch heute beinahe schon wie ein Gemein
platz klingt, es kann nicht oft und eindringlich genug
wiederholt werden; der Kleinhausbau ist eine brennende
Lebensfrage unseres Volkes geworden. Die Hälfte der
Bevölkerung in Deutschland ist heute Großstadtbevölker
ung, die größtenteils in Mietskasernen haust. Wir dür
fen die Entwicklung unter keinen Umständen in dieser
Richtung weitergehen lassen, wenn wir nicht die schwer
sten Gefahren in körperlicher, sittlicher, seelischer und
auch wirtschaftlicher Beziehung heraufbeschwören wollen.
Dieser lange Krieg zeigt uns mit furchtbarer Deutlichkeit,
welch’ gewaltige Ansprüche an unsere körperliche und
seelische Kraft gestellt werden. Sie können künftighin
nur erfüllt werden bei einer durchaus gesunden Erziehung
des Nachwuchses, wofür das gesunde Wohnen im eigenen
Heim die erste Voraussetzung ist. Eine großzügige Re