Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1917/18)

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BAUZEITUNO 
Nr. 40/42 
einrichten lassen will, die Frage, wieviel Lagerfläche, d. 
h. wieviel Bodenfläche für seine Ernte erforderlich ist. 
Danach richtet sich dann die Zahl der anzulegenden Ge 
schosse, unter Berücksichtigung des verfügbaren Terrains 
bezw. der Bodenfläche des vorhandenen Gebäudes. Geh. 
Reg.-Rat Ludwig von Tiedemann gibt folgende gute Re 
gel für Berechnung des Raumbedarfs an. Der Speicher 
soll 2 / 3 der ganzen Ernte aufnehmen. Der Besitzer kennt 
ungefähr die Erträge des Gutes nach Scheffeln. (Die 
Umwandlung der Scheffel in Hektoliter ist einfach zu be 
rechnen, indem man die Scheffelanzahl mit 0,55 multi 
pliziert.) Nun hat man für jeden Hektoliter aufzuschüt 
tenden Getreides, einschließlich der für den Verkehr und 
zum Umschaufeln erforderlichen freien Plätze '/ s bis */« 
Quadratmeter Grundfläche zu rechnen. Da man bei Be 
rechnung auf anderem Wege zu dem gleichen Resultat 
gelangt, so ist es zweckmäßig, sich diese einfache Regel 
zu merken. 
Einen Speicher sollte man in Rücksicht auf die Feuer 
sicherheit immer massiv anlegen, weil das auf engem 
Raum aufgespeicherte Getreide einen sehr hohen Wert 
repräsentiert, sodaß die Mehrkosten des Massivbaues da 
bei nicht in Frage kommen können. Ein Fachwerksge 
bäude kann auch nicht als diebessicher angesehen wer 
den; denn es ist außerordentlich leicht, das schwache 
Mauerwerk aus einem Fache des Holzverbandes heraus 
zubrechen und so eine Oeffnung zum Einsteigen zu 
schaffen. Die Fenster des Speichers werden meist nicht 
verglast, weil sie bei der Arbeit offen stehen, also auf 
jeden Fall genügend Licht spenden. Andererseits soll 
auch die Luft bei Verschluß der Fenster durch diese hin 
durchstreichen können. Sie werden deshalb nur durch 
Läden verschlossen, die aus Brettern konstruiert sind. 
Zum Schutz gegen Diebe werden die kräftig konstruierten 
Läden von innen verriegelt. Weitergehende Sicherheits- 
Vorrichtungen wird man hier nicht gut schaffen können; 
vertraut man dieser Vorrichtung nicht, so muß für hin 
reichende Bewachung des Speichers Sorge getragen 
werden. 
Eine große Rolle spielt die zweckmäßige Anlage der 
Treppen und Winden. Die Treppen sollen möglichst 
nur gerade Läufe, also keine Wendelstufen besitzen, da 
sich diese nicht sicher begehen lassen und bei Begeg 
nung zweier, mit Säcken belasteter Arbeiter auf der Treppe 
leicht zu Unglücksfällen führen können. Die Treppen 
sollen auch so breit sein, daß zwei sich begegnende 
Arbeiter ausweichen können, der eine also nicht den 
andern am Auf- und Abstieg verhindert. Es liegt nahe, 
anzunehmen, daß ein einziger Abschluß der Treppe durch 
die Haustüre genügen müsse, wenn der Besitzer des 
Speichers nur sein eigenes Gut in demselben lagert. 
Aber das wäre aus mannigfachen Gründen verkehrt. Es 
ist schon aus Gründen der Sicherheit zweckmäßig, jedes 
Geschoß nach dem Treppenhaus zu durch eine sichere 
Tür abschließen, sodaß man bei Verschluß der Haustür 
eine doppelte Sicherheit hat. Sodann ist es auf diese 
Weise möglich das eine Geschoß zugänglich, alle übrigen 
aber verschlossen zu halten. 
Das Hinauftragen der Säcke in die verschiedenen 
Speicherabteilungen stellt eine sehr bedeutende Arbeits 
leistung dar, die man bei dem Mangel an Arbeitskräften 
möglichst abkürzen will. Deshalb dürfen Winden oder 
Aufzüge eigentlich bei keiner mehrstöckigen Speicheran 
lage fehlen. Am einfachsten und zweckmäßigsten hat 
sich wohl der gewöhnliche Flaschenzug erwiesen, der 
unter einer Dachausladung an der Front angeordnet wird. 
In jedem Geschoß liegt dann an dieser Stelle eine kleine 
Tür zum Einholen der Säcke. Häufig erfolgt das Auf 
ziehen derselben allerdings auch im Innern des Gebäudes. 
Der beladene Wagen fährt durch ein Tor ins Erdge 
schoß, unter eine Bodenöffnung, die in allen Stockwerken 
an derselben Stelle angeordnet ist. Im obersten Geschoß 
befindet sich ein drehbarer Kran, vermittelst dessen die 
Säcke bequem vom Wagen aufgezogen werden können. 
Der Drehkran erleichtert auch wieder das Beladen der 
Wagen bei Beförderung von Lasten nach einem neuen 
Bestimmungsort. 
Alle diese Einrichtungen sollen so einfach wie mög 
lich sein. Komplizierte maschinelle Anlagen, z. B. hy 
draulische Aufzüge oder dergleichen, sind für landwirt 
schaftliche Zwecke nicht zu empfehlen. Passiert irgend 
etwas an komplizierteren Vorrichtungen, die der einfache 
Arbeiter nicht in Ordnung bringen kann, dann kommt 
man unter Umständen in die größte Verlegenheit. Der 
Sachverständige, Maschinenbauer, Elektrotechniker usw. 
muß dann erst aus der nächsten Stadt, die vielleicht 
ziemlich weit entfernt liegt, herbeigeholt werden. Er 
kommt auch häufig nicht sofort, wenn er gerufen wird, 
und so werden wichtige Arbeiten verzögert. Jede von 
Hand zu betreibende Vorrichtung wird in der Regel ein 
fach genug sein, daß sie auch ein Handwerker auf dem 
Dorfe wieder reparieren kann. Darauf wird man also 
auch bei allen Vorrichtungen für die Speicheranlage auf 
dem Lande Bedacht nehmen müssen. 
Eine Entscheidung über die 
Jnvalidenrente. 
(Nachdruck verb. rd.) Infolge des steigenden Drucks 
der durch die lange Kriegsdauer bedingten finanziellen 
Belastung der Landesversicherungsanstalten prüfen diese, 
die anfangs fast stets ohne weiteres den Kriegs 
beschädigten die Invalidenrente zuerkannten, neuerdings 
jeden einzelnen Fall genau darauf, ob es sich nur um 
vorübergehende oder um dauernde Invalidität handelt 
und bewilligen je nachdem Kranken- oder Invalidenrente. 
In einem jüngst vom Württemberg. Oberversicherungs 
amt entschiedenen Streitfälle war einem Kriegsteilnehmer, 
dem infolge seiner schweren Verwundung das rechte Bein 
über dem Kniegelenk abgenommen worden war, die 
Krankenrente zugebilligt worden, da die Versicherungs 
anstalt auf Grund der ärztlichen Gutachten zu der Ueber- 
zeugung gelangt war, daß es sich bei dem Kriegs 
beschädigten nur um vorübergehende Invalidität handle. 
Hiermit war der Verletzte nicht einverstanden; im Klage 
wege beanspruchte er Zahlung der Invalidenrente und 
stellte eventuell den Antrag, die Sache gemäß § 1693, 
Abs. 1 der Reichsvers.-Ordnung an das Reichsver 
sicherungsamt abzugeben. 
Das Württemberg. Oberversicherungsamt hat jedoch 
beide Anträge des Klägers verworfen. Es konnte bei 
Durchführung einer geeigneten Heilbehandlung von An 
fang an damit gerechnet werden, so heißt es in den 
Gründen, daß der Kläger in absehbarer Zeit so weither- 
. gestellt sein werde, daß er ein Drittel der Norm ver- 
- dienen könne. In der Tat hat der Kläger jetzt — ein 
Jahr nach seiner Verwundung, — bereits eine Beschäftigung 
gefunden, bei der er 80 Mk. monatlich verdient. Er hat 
eine gutsitzende Prothese, mit der er unter Benützung 
eines Stockes langsam und sicher einhergeht, und sowohl 
der Vertrauensarzt des Oberversicherungsamtes wie auch 
der Lazarettarzt des Klägers haben sich dahin ausge 
sprochen, der Kläger werde bald mehr als ein Drittel 
der Norm zu verdienen imstande sein. — Nach der 
ständigen Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes 
ist eine Erwerbsunfähigkeit dann als eine vorübergehende 
anzusehen, wenn ihre Beseitigung nach verständiger, sach 
lich begründeter Voraussicht in absehbarer Zeit zu er 
warten ist. Das aber trifft nach Ansicht der Aerzte bei 
dem Kläger zu, und demgemäß ist ihm mit Recht nicht die 
Invaliden- sondern die Krankenrente zugesprochen worden.
	        
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