Full text: Süd- und Mitteldeutsche Bauzeitung (1919/20)

1./15. August 1919. 
BAUZEITUNG 
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tracht kommen. Für Ellwangen hatte Neumann außer 
dem schon erwähnten Seminargebäude und Rathaus noch 
eine Reihe anderer Bauwesen entworfen, aber nur zum 
geringsten Teil ausgeführt, so den Umbau und die Er 
weiterung des Spitals und das Residenzschloß. Nach 
seinen Angaben ausgeführt wurde eigentlich nur die Teil 
ung des Schloßhofes und die Wasserleitung, also ingenieur 
technische Arbeiten. Dagegen haben seine Pläne für das 
Stuttgarter Residenzschloß (ca 1749) die Ausführung De 
la Guepiere ohne Zweifel beeinflußt. Neben Leopold 
Retti, Leger und Bibima wurde Neumann zur Einreichung 
eines Konkurrenzprojekts aufgefordert. Neumann fiel zwar 
durch, aber für gewisse Teile, so hauptsächlich den Mittel 
trakt des Hauptflügels scheinen doch seine Anregungen 
bei der Ausführung Berücksichtigung gefunden zu haben. 
Der Beschreibung der einzelnen Bauwerke ließ der 
Redner noch eine kurze Erörterung über Neumanns Ar 
beitsweise und Stil folgen. Bezüglich der Arbeitsweise 
kam er zu dem Ergebnis, daß keine der bisherigen Mein 
ungen, die ihm entweder gar keinen Einfluß auf die Ein- 
zelarbeitung der Projekte, oder aber das Gegenteil zu 
schreibt, zu Recht bestehe; vielmehr die Wahrheit in 
der Mitte zwischen beiden Auffassungen zu suchen 
sei. Wie gewissenhaft Neumann technische Einzelfragen 
zu behandeln pflegte, zeigte Redner an einer Reihe von 
Zitaten aus seiner Baukorrespondenz zur Neresheimer 
Abteikirche. Der Stil Neumanns zeichnet sich durch un 
gewöhnliche Vielseitigkeit — gleichzeitig seine Stärke 
und seine Schwäche — aus. Die Hauptbedeutung der 
Neumannschen Kunst liegt auf dem Gebiet der Raum 
kunst, sowohl im engeren als im weiteren, städtebaulichen 
Sinn. Württemberg darf es sich zum Ruhme anrechnen, 
daß es eines der glänzendsten Beispiele der ersteren, die 
Neresheimer Kirchenhalle, auf seinem Boden stehen hat. 
Herbst-Baumesse in Leipzig. 
Seitens der Meßleitung wird uns geschrieben: Die 
Herbst-Baumesse findet statt vom Sonntag, den 31. August 
bis Freitag, den 5. September 1919, gleichzeitig mit der 
großen Mustermesse. Die beiden bisherigen Baumessen 
haben überzeugend bewiesen, daß ihre Abhaltung einem 
wirklichen Bedürfnis entspricht. Ihre Benutzung ergibt 
durch die geschaffene Geschäftszentralisalion eine bedeu 
tende Verringerung der Geschäftsunkosten, weil der In 
teressent auf einfachste Weise, in kürzester Zeit, auf 
billigstem Wege einen großen Teil seiner Geschäfte ab 
wickeln kann. Das Meßhaus Baumesse ist für die 
kommende Messe bis auf den letzten Platz besetzt. Da 
zurzeit ein allgemeines Kauf- und Orientierungsbedürfnis 
auf dem Baumarkt besteht, so ist auch der kommenden 
Baumesse wieder ein gewaltiger Zuspruch sicher. Jede 
Auskunft erteilt die Geschäftsstelle derBaumesse.in Leipzig, 
Kochstr. 134. 
Die Beeinflussung von Verträgen durch die 
Revolution. 
Sehr bemerkenswerte Ausführungen über das Recht 
der Baufirma, wegen Eintritts völlig veränderter Verhält 
nisse vom Bauverträge zurückzutreten, machte vor einiger 
Zeit das Oberlandesgericht Hamburg. Allerdings handelt 
es sich dabei um einen Vortrag, der den Bau von Schiffen 
zum Gegenstand hatte, indessen beanspruchen die von 
dem genannten Gerichtshof aufgestellten Grundsätze all 
gemeines Interesse. 
Die beklagte Baufirma hatte, um sich von dem Ver 
trage zu befreien, auf die Folgen des Krieges, die Material 
beschlagnahme, die Steigerung der Materialpreise, die 
wesentlichen Lohnerhöhungen, besonders aber auf die 
durch die Revolution hervorgerufene außerordentliche 
Änderung in den Arbeiterverhältnissen hingewiesen, und 
diesem letztgenannten Umstand hat das Gericht Bedeut 
ung beigemessen. 
Die Materialbeschlagnahme ist — so führte das Ge 
richt aus — schon vor einiger Zeit fortgefallen, und der 
Materialmangel, sowie die Lohnerhöhungen können nicht 
als so wesentlich betrachtet werden, daß dem Beklagten 
deswegen die Aufhebung des ganzen Vertrages gestattet 
werden könnte. 
Aber durch die Revolution hat sich die Sachlage 
ganz wesentlich geändert. Vor allem durch die Änder 
ung der Arbeiterverhältnisse und durch die Verschiebung 
des Einflusses, den die Arbeiter auf den gewerblichen 
Betrieb erlangt haben. Die eingeführten Tarifverträge 
bringen die wesentliche Neuerung, daß gelernte Arbeiter 
nicht viel mehr erhalten als ungelernte; die Abschaffung 
der Akkordarbeit vernichtet den Trieb, durch Fleiß mehr 
zu verdienen; auf Fähigkeiten und Leistungen wird nicht 
mehr, wie bisher, in der Lohnfrage Rücksicht genommen; 
der unbegabte und nichteifrige Arbeiter erhält denselben 
Lohn wie der intelligenteste und fleißigste. Dabei ist die 
Beklagte in der Wahl, und Anstellung ihrer Arbeiter nicht 
mehr frei, sondern es wird ein weitgehenderZwang ausgübt. 
Eine energische Förderung der Arbeit ist somit der Be 
klagten versagt. Dazu kommt, daß die Arbeiterräte sich 
in das Bestimmungsrecht über die Betriebsleitung einge 
mischt haben; die Arbeiter haben das Recht, mitten 
aus der Arbeit fortzulaufen, um den Arbeiterrat wegen 
vermeintlicher Beschwerde anzurufen. Dazu kommt weiter 
die Untersagung der Überstundenarbeit. So läßt sich 
eine zielbewußte Betriebleitung überhaupt nicht mehr durch 
führen. 
Bei diesen veränderten Arbeitsverhältnissen verschiebt 
sich die von der beklagten Baufirma vertraglich über 
nommene Garantie für die Ausführung der Arbeiten in 
nicht zu übersehender Weise. Wenn der klagende Be 
steller sich mit einer entsprechend eingeschränkten Garantie 
(aber nur für Material) einverstanden erklärt hat, und 
wenn er nach dieser Richtung hin der Beklagten weitere 
Zugeständnisse gemacht hat, so liegt hierin doch nichts 
weiter, als daß der Kläger sich selbst darüber klar ist, 
daß die Beklagte zuj Ausführung der Bauverträge, sowie 
sie abgeschlossen sind, nicht mehr imstande ist. Bei 
Ausführung der Bauverträge mit allen nicht präzise ge 
faßten Modifikationen würden sich Streitfragen ergeben, 
die kein Gericht entscheiden könnte. 
Prüft man die Ausführungen des Klägers und die 
von den Beklagten angeführten Schwierigkeiten, so kann 
man sich dem Eindrücke nicht entziehen, daß man billiger 
und verständigerweise nur auf Grund eines neu zu 
schließenden Vertrages die Neubauten zu Ende 
führen kann. Die gesamten Verhältnisse haben sich der 
art geändert, daß der beklagten Firma nicht zugemutet 
werden kann, die Bauten auf Grund des ursprünglichen 
Vertrages weiterzuführen. 
Rundschau. 
Siedlungspläne in Sachsen-Weimar-Eisenach. Die 
Regierung der Freistaaten Sachsen-Weimar-Eisenach be 
absichtigt ein das ganze Staatsgebiet umfassendes Sied 
lungsunternehmen in der Form einer Kleinsiedlunggesell 
schaft m. b. H. zu errichten. Es soll ein Stammkapital von 
wenigstens 1 V 2 Millionen Mark aufgebracht werden. Die Ge 
schäftsanteile sollen auf je Tausend Mark lauten. Zur 
Wahrung der Gemeinnützigkeit des Unternehmens ist vor 
gesehen, daß ein Gewinnanteil auf das Stammkapital von
	        
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