102
BAUZEITUNG
Nr. 33/34
Unternehmer nicht mehr zur Verantwortung gezogen
werden kann. Diese Grenze beträgt, wie gesagt, falls die
Parteien nicht etwas anderes vereinbart haben, fünf Jahre
seit der Abnahme des Baus.
Damit entsteht die Frage, was versteht man unter Ab
nahme eines Bauwerks? Eine Frage, die immer wieder
den Gegenstand zahlloser Differenzen und Meinungsver
schiedenheiten bildet! Denn immer wieder versucht der
Bauherr, der nach langen Jahren einen Mangel am Bau
zu entdecken glaubt, die Situation dadurch für sich zu
retten, daß er behauptet, er habe den Bau nicht abge
nommen.
Man kann mit Befriedigung konstatieren, daß die
Rechtsprechung des Reichsgerichts über den Begriff der
Abnahme einen günstigen Kurs genommen hat. Der
oberste Gerichtshof trat den Versuchen gewinnsüchtiger
Vorbehalten haben. Man nehme zum Beispiel an, der
Bauherr erklärt ausdrücklich, er wolle zunächst einmal das
Haus zur Probe beziehen, um sich über seine Beschaffen
heit ein klares Bild machen zu können. Hier fallen Einzug
in das Haus und Abnahme natürlich nicht zusammen.
Man wird aber auch hier dem Bauherrn keine allzulange
Probefrist zubilligen können, und es ist dann am Unter
nehmer, den Bauherrn zu einer Abnahme-Erklärung zu
drängen, um so die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen.
Uebrigens müßte man wohl in einem solchen Falle nach
einer angemessenen Probefrist auch ohne Erklärung des
Bauherrn annehmen, daß er nunmehr den Bau abgenom
men habe.
Damit berühren wir einen Punkt, der in einer der
neuesten Entschließungen des Reichsgerichts sich findet,
und die dem Unternehmer günstige Judikatur in einer
’tlfnluil: fufiW"
<W i/iiOHrtl'
IftHtmtr
w • f! t. < / <. .• I - -r
Grundriß vom^Erdgeschoß.
Bauherrn, die Verjährungsfrist durch Bestreitung der Ab
nahme sich ins Ungemessene zu verlängern, immer ent
schiedener und wirksamer entgegen.
Hiernach gilt der Bau als abgenommen, wenn der
Bauherr ihn körperlich hingenommen hat und zugleich
durch sein Verhalten bei und nach der Hinnahme zu er
kennen gab, daß er den Bau als in der Hauptsache
dem Vertrag entsprechend anerkenne. Wenn der Bau
herr den Bau nach der Fertigstellung bezieht und etwa
erklärt, er sei mit dem Bau ganz zufrieden, nur die Läden
müßten noch einmal nachgestrichen werden, so hat er
trotz dieses Vorbehaltes den Bau abgenommen. Denn
er hat zu erkennen gegeben, daß er in der Flauptsache
den Bau als vertragsmäßig anerkennt; die Rüge des klei
nen Mangels hindert die Abnahme nicht und hat das
Reichsgericht dies wiederholt betont.
Selbstverständlich sind auch Fälle denkbar, daß der
Bauherr, obwohl er schon längere Zeit das Haus bewohnt,
dasselbe immer noch nicht im Rechtssinne abgenommen
hat. Dann muß er aber beim Einzug das ausdrücklich
sehr bemerkenswerten, bei den Beteiligten allerdings noch
wenig bekannten, Weise zum Abschlüsse bringt. Das
Reichsgericht verkennt nicht, daß es für den Unternehmer
gegenüber übelwollenden Bauherren mitunter recht
schwierig sein kann, zu beweisen, daß sie durch ihr Ver
halten den Willen der Abnahme dargetan haben. Des
halb soll es nach dem neuesten Standpunkte des obersten
Gerichtshofes für den Begriff der Abnahme genügen, daß
der Besteller das Werk tatsächlich hingenommen und sich
so in die Lage versetzt hat, es zu prüfen. Während man
also früher zu dem Begriff der Abnahme immer noch
einen, wenigstens stillschweigenden, Willen des Bauherrn,
das Haus in der Hauptsache zu billigen, forderte, ist es
jetzt schon hinreichend, daß der Bauherr das Haus be
zieht, denn dadurch hat er die Möglichkeit, das Haus zu
prüfen.