STUTTGART
Süd- und mitteldeutsche^
Heue folge der Bauzeitung für Württemberg, Baden, fjessen,
Elsaß-Lothringen,
Gegründet als Württembergisdie Bauzeitung im lahre 1904.
Inhalt; Ersatz- und Spärbauweisen, insbesondere Lehmbau.— Baukunstrat für Württem
berg. — Deutscher Volkshausbund. — Dichtigkeitsgrad bei Betonmischungen. —
Massivbaustein System Benzinger.—Rundschau.—Vereinsmitteilungen, — Bücher.
Alle Rechte Vorbehalten.
Ersatz- und Sparbauweisen, insbesondere
Lehmbau.
Die württembergische Beratungsstelle für das Bau
gewerbe hat im Laufe des Winters eingehende Studien
über die verschiedenen, außerordentlich zahlreichen Er
satzbauweisen, die im Laufe des letzten Jahres angeboten
und teilweise auch ausgeführt wurden, angestellt. Zu
diesem Zwecke hat ein hiefür besonders angestellter Tech
niker alle wichtigen Baustellen in ganz Deutschland be
reist und auf diese Weise absolut zuverlässige Auskünfte
über die bisher gemachten Ausführungen gesammelt. Es
konnte deshalb dieser Techniker sehr interessante Mit
teilungen über erfolgte Ausführungen dieser Bauweise
machen, die in Form von 3 Abendvorträgen im Laufe der
vergangenen Woche im Festsaal der Baugewerkschule
in Stuttgart unter Vorzeigung zahlreicher Lichtbilder
erfolgten.
Im ersten Vortrag erstattete der Redner Bericht über
seine schon vorerwähnte Reise.
Trotz der großen Propaganda, welche seit Eintritt
der Baumaterialknappheit für die Ersatz- und Sparbau
weisen gemacht wird, konnten nur wenige Ausführungen
solcher Bauweisen festgestellt werden, wehigstens soweit
es sich um solche handelte, zu deren Erstellung Zement
notwendig ist. Selbst da, wo der Wille anzutreffen war,
solche Ersatzbauten zu erstellen, mußte die weitere Aus
führung derselben wegen Zeraentmangel eingestellt
werden.
Einige interessante Hohlwandsysteme, Balkenlagen
aus Bohlen und Rundhölzern, Holzrinnen und sonstige
neue Baueinzelheiten umfaßte die erste Lichtbilder-Serie.
Der zweite Teil des ersten Vortrags befaßte sich mit
den Lehmbau-Systemen, die gleichfalls an Hand von
Lichtbildern sehr eingehend behandelt wurden. Aus
gehend von den in Frankreich angetroffenen alten Lehm
bauten, schilderte der Vortragende die in Weilburg an der
Lahn vorhandenen alten Bauten aus Stampflehm. Eine
hundertjährige 3stöckige Fabrik und ein ebensolches
Sstöckiges Wohngebäude wurden im Lichtbilde vorge
führt und man muß mit dem Redner darin einig gehen,
daß die Tatsache des Vorhandenseins solcher heute noch
bewohnter, alten Lehmbauten unbedingt den Glauben an
die Möglichkeit stärken muß, Lehm als vollwertiges Bau
material verwenden zu können.
Die seit Wiederaufnahme der Lehmbauverfahren er
richteten Gebäude konnten allerdings diesen Glauben
wieder wankend machen, denn es sind im letzten Jahre
mancherorts betrübende Erfahrungen gemacht worden.
Diese sind teilweise mangelnden Kenntnissen zuzuschrei
ben, teilweise^er im vorigen Jahre leider so früh ein
getroffenen Frostperiode, welche die an diesem Zeitpunkt
noch nicht ausgetrockneten Lehmbauten beschädigte.
Ein Punkt wurde hervorgehoben, welcher der Be
achtung in hohem Maße wert erscheint. Warum, so
führte der Vortragende aus, benützen wir bei der jetzigen
Baustoffknappheit nicht wieder in viel ausgedehnterem
Maße das schon so altbewährte Bruchsteinmauerwerk.
Wir haben doch in Württemberg Bruchsteine an vielen
Orten in Hülle und Fülle! Werden die Bruchsteine in
Lehmmörtel vermauert, so ist damit ein Mauerwerk ge
geben, das keine kohlenverbrauchenden Baumaterialien
erfordert.
Den Schluß des ersten Vortrages bildete die Holz
frage, die zur Zeit viel wichtiger ist, als die Frage der
Erstellung von Mauern. Um letzteres Problem zu lösen,
findet man auch bei der jetzigen Baustoffknappheit jeder
zeit einen Ausweg. Aber die enormen Preise des Bau
holzes und der aus demselben hergestellten zahlreichen
Baugegenstände machen trotz Vorhandensein der un
zähligen Ersatz- und Sparbausysteme das Bauen von Tag
zu Tag schwieriger. Hier kann nur ein Eingreifen der
Staatsgewalt Hilfe schaffen.
Im zweiten Vortrag wurde die Verfügung des preuß.
Ministeriums über Lehmbauten bekanntgegeben, aus
> welcher hervorgeht, daß dieses Ministerium den Lehm
bau sehr fördert und dessen weitgehendste Verbreitung
wünscht. Einige Winke über die Erstellung von Lehm
bauten sind in dieser Veröffentlichung enthalten, die auch
für unsere württ. Verhältnisse Beachtung verdienen.
Das weiter Vorgetragene behandelte das Thema
„Lehm als Baumaterial“ und schilderte seine
Zusammensetzung, sein Vorkommen und seine Prüfung
auf Brauchbarkeit, welch letztere an verschiedenen Lehmen
aus Stuttgarts Umgebung praktisch durchprobiert wurde.
Für Jemand, der sich mit Lehmbau befassen will, ist
es natürlich unbedingt notwendig, das Material gründlich
kennen zu lernen, um selbst prüfen zu können, ob der
jeweils zur Verfügung stehende Lehm den Ansprüchen
als Baumaterial genügt und wie seinen Fehlern abzu
helfen ist. Dies wurde im zweiten Vortrag in anschau
licher Weise behandelt.
Der dritte Vortrag schilderte die praktische Durch
führung der verschiedenen Lehmbauweisen. Die beim
Lehmbau zu beachtenden Regeln wurden eingehend be
sprochen und auf Fehler aufmerksam gemacht, die ein
Gelingen des Lehmbauverfahrens in Frage stellen können.
Da der Vortragende auf Grund eigener Besichtigung einer
großen Anzahl von im vorigen Jahre in verschiedenen
Gebieten Deutschlands ausgeführten Lehmbauten in der
Lage war, auf die dort gemachten Erfahrungen hinzu
weisen, hat die Behandlung dieses Gegenstandes für alle,