Süd- und mitteldeutsche
Heue Folge der Bauzeitung für Württemberg, Baden, fassen,
CIsaB-rGothringen.
Gegründet als Württembergisdte Bauzeitung im lahre 1904.
16./30. Juni 1920
Inhalt: Ein begrüßenswerter Erlaß. - Die Besoldungsordnung und ner mittlere Tech
niker. — Die Gründung des württ. Staatstechnikerverbandes. — Ein neues
Attentat auf die-Presse. — Rundschau. — Vereinsmitteilungen. — Fragekasten.
Alle Rechte Vorbehalten.
Ein begrüßenswerter Erlaß
des Ministeriums des Innern an die Oberämter und die
Gemeindebehörden, betreffend die Durchsicht veralteter
Ortsbaupläne vom 12. Juni 1920.
Der Umschwung, der sich in den letzten Jahren auf
dem Gebiete des Wohnungswesens vollzogen hat, war
auch von grundlegendem Einfluß auf dem Gebiete des
Ortsbauplanwesens. Die Anforderungen, die heute an
einen guten Ortsbauplan gestellt werden, haben sich
gegenüber früher in mehrfacher Hinsicht von Grund aus
geändert. Angesichts der fast völlig ruhenden Bautätig
keit ist gerade die-gegenwärtige Zeit besonders geeignet
zur Aufstellung neuer und zur Umarbeitung veralteter
Ortsbaupläne und Ortsbausatzungen, weil diese Arbeiten
jetzt ohne äußeren Zwang auf Grund ruhiger und wohl-
abgewogener Prüfung der technisch-künstlerischen und
wirtschaftlich-rechtlichen Fragen von den durch sonstige
Bauaufgaben fast kaum in Anspruch genommenen Städte
bauern (Architekten, Bauingenieuren und Geometern, so
fern sie nur mit den Fragen des Städtebaus besonders ver
traut sind), durchgeführt werden können. Im Hinblick auf
die außerordentliche Bedeutung, die dem Ortsbauplan für
die künftige gesunde bauliche und wirtschaftliche Ent
wicklung der Gemeinden zukommt, wird daher den Ober
ämtern und den Gemeindebehörden dringend empfohlen,
veraltete Ortsbaupläne und Ortsbausatzungen einer
Durchsicht zu unterwerfen und zu ihrer Umarbeitung er
fahrene Städtebauer beizuziehen.
Die Besoldungsordnung und der mittlere
Techniker.
Vor wenigen Wochen ist die neue Besoldungsordnung
verabschiedet worden; sie hat, wenn auch in weiten Kreb
sen, so doch nicht überall restlose Befriedigung ausgelöst.
Mit bitterer Enttäuschung aber haben die mittleren Tech
niker davon Kenntnis nehmen müssen, daß gerade sie nicht
in d i e Gehaltsgruppe eingereiht worden sind, in die sie
auf Grund ihrer Dienstaufgaben hätten eingereiht werden
müssen, daß sie nicht einmal denjenigen Beamtengruppen
gleichgestellt wurden, mit denen sie seither sich in einer
Gehaltsabteilung befanden. Alle diejenigen Beamten des
württ. Staatsdienstes nämlich, die nach der früheren Ge
haltsordnung mit den technischen Beamten in der Ab
teilung III, Klasse 2 vereinigt waren, haben in der neuen
Besoldungsordnuog ihre Anfangsstellen in der Gruppe
VIII erhalten, nur die Techniker des mittleren Dienstes sind
der,Gruppe VII als Nr. 10, 12 und 16 angehängt worden;
sie sollen also ihre Anfangsstellen in einer Gruppe er-
I
halten, in welcher die Anfangsstellen der Beamten der
früheren Abteilung II sich befinden, dadurch hat sich also
der technische Beamte allen denjenigen Beamten gegen
über, denen er früher gleichgestellt war, recht erheblich
verschlechtert!
Einer Gleichstellung der mittleren Techniker mit den
Sekretären des Verwaltungs- und Justizdienstes, wie sie
offenbar beabsichtigt ist, können und dürfen wir unsere
Zustimmung nicht geben, und zwar deshalb nicht, weil
der Beamte des Verwaltungs- und Justizdienstes, der seine
Staatsprüfung in der Regel mit dem 20. Lebensjahr ablegt,
in verhältnismäßig jungen Jahren als planmäßiger Be
amter angestellt wird gegenüber dem Techniker, der kaum
vor dem 25. Lebensjahr seine Baumeister- und Wasser
bauprüfung ablegt und demnach in der Regel erst mit 25
bis 30 Jahren als unständiger Beamter erstmals an
gestellt wird; bis dieser dann in eine erste planmäßige
Stelle einrückt, befindet sich der gleichalterige Verwal
tungsbeamte bereits in gehobener Stelle. Dieser Un
terschied war seither wenigstens einigermaßen dadurch
ausgeglichen, daß die Anfangsgehälter der Abteilung II,
der die Verwaltungsbeamten angehörten, niedriger waren,
als diejenigen der Abteilung III, in. der die Techniker sich
befanden. Dieser gerechtfertigte Unterschied soll nun da
durch verschwinden, daß der technische Beamte des mitt
leren Dienstes kurzerhand aus der früheren Gehaltsäbtei-
lung III in die Abteilung II zurückversetzt und damit in
die Gruppe VII der neuen Gehaltsordnung eingereiht wer
den soll. Der beamtete Techniker ist also in Verfolg seiner
Standesfragen — und diese Angelegenheit darf nicht als
Gehalts-, sondern muß als reine Standesfrage aufgefaßt
werden — soweit gekommen, daß er sich nach rückwärts
verdrängen lassen muß, in einer Zeit, in der alle An
strengungen gemacht werden, um der Wertschätzung tech
nischer Arbeit erhöhte Geltung zu verschaffen. Der demo
kratische Abgeordnete Wieland hat vor wenigen Monaten
den Anstoß zu dieser Bewegung gegeben, und es wird
überall die Forderung erhoben, daß die Leistungen der
Techniker aller Zweige eine Wertschätzung erfahre, die in
genauem Verhältnis stehe zu seiner vielseitigen fachlichen
Ausbildung. Als eine Folge dieser Bewegung kann u. a.
auch die im Mai d. J. stattgehabte Veranstaltung der Tech
nikerwoche angesehen werden, und es ist eine Ironie, daß
gerade zu einer Zeit, in der der Techniker um die Hebung
seines Standes erfolgreich bemüht ist, im Schoße der Re
gierung der Entwurf eines Gesetzes zustande gekommen
ist, der die Wertschätzung technischer Arbeit in einem
Maße verneint, daß man sich erstaunt fragen muß, ob
die Verfasser dieser Gruppeneinteilung und insbesondere