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BAUZEITUNG
Nr. 27/28
eine rein akademische Ausbildung, fern von den eigentlichen
Trägem des Handwerks und der Technik, verlangen, wo sie
sich ihre Kenntnisse und Erfahrung in der Heranbildung der
Lehrlinge erwerben wollen.
Wir fragen uns: Wie kann ein akademisch gebildeter Ge
werbelehrer, mit seiner kurzen, auf dem Papier nachzuweisen
den praktischen Tätigkeit, die er auch in den Ferien machen
kann, Lehrlinge erziehen?
Wie kann er mit diesen die technische Sprache des Hand
werks sprechen?
Wie will er sich auf dem Werkplatz und im Werkstätten
unterricht beteiligen?
Die Beantwortung der Lehrerfrage wird doch bei gleicuer
Veranlagung folgend lauten:
Der, welcher die meiste Erfahrung im Gewerbe hat, wird
für den Fachlehrer die geeignetste Kraft ergeben, wenn er
dazu noch etwas L'nterrichiserfahrung erhält. Das sind außer
Zweifel diejenigen, die sich aus dem Technikerstande ent
wickelt haben, nicht diejenigen, die vom Gymnasium und von
der Hochschule kommen.
Als Nur-Akademiker wird er jeder werktätigen Arbeit
fern gegenüberstehen, und es wäre zweifellos von außerordent
licher Wichtigkeit, wenn die an Spielerei grenzende, drei- bis
vierwöchige praktische Tätigkeit in den verschiedenen Be
rufen eine Erweiterung erfahren würde.
Wir glauben nach dem Vorgesagten, daß der staatlich ge
prüfte Werkmeister, der seine dreijährige praktische Lehrzeit
hinter sich hat, der als Bauführer, oder Betriebsleiter vor Ab
legung seines Examens in allen in seinen Beruf einschlagenden
Gewerben bewandert sein muß, der durch seine verlangte,
jahrelange Bürotätigkeit die ganze Theorie beherrscht, die ge
eignetste Persönlichkeit zur Erteilung von Unterrircht an der
Gewerbeschule ist.
Wir verlangen deshalb, daß neben den speziell heran
gebildeten Gewerbelehrern künftighin die Tüchtigsten unter
den Absolventen der Baugewerkschule zum Qewerbelehrer-
dienst zugelassen werden. Wir setzen dabei voraus, daß den
Bewerbern um diese Stellen Gelegenheit geboten wird, sich
in Pädagogik, Gewerbekunde und Qewerbeschulpraxis aus
zubilden.
Die Ausbildung könnte unseres Erachtens in einem Jahr
beendet sein. Nach Ablegung einer Prüfung in vorgenannten
drei Fächern müßte sodann Anstellung als Gewerbelehrer er
folgen.
Nicht unerwähnt möchten wir lassen, daß in Württemberg
die Möglichkeit der Betätigung der Bauwerkmeister als Ge
werbelehrer schon längst besteht und jetzt noch weiter be
günstigt würde.
Unser Verlangen, in den Qewerbelehrerdienst aufgenommen
zu werden, ist umso berechtigter, als nach der Denkschrift der
badischen Gewerbeschulmänner 40 Prozent der Gewerbelehrer-
steilen unbesetzt sind. Mit dem weiteren Ausbau der Gewerbe
schulen dürfte dieser Mangel noch viel größer werden, wenn
auch eine vorübergehende Besetzung durch Hilfskräfte er
folgen sollte. Durch die Aufnahme der Absolventen der Bau
gewerkschule in den Qewerbelehrerdienst würde die für alle
Berufe und Stände so notwendige Erneuerung künftig auch
hier gewährleistet sein.
Wir stellen deshalb den Antrag:
Den Absolventen der Baugewerkschule, die ihr Staats
examen mit einer guten Note bestanden haben, ist alsbald die
Möglichkeit zu schaffen, nach weiterer einjähriger Berufsaus
bildung und nach abgelegter Prüfung in Pädagogik, Gewerbe
kunde und Gewerbeschulpraxis Verwendung zu finden.
Daß diese unsere Leitsätze Staub unter der Gewerbe-
lehrerschaft Badens aufwirbeln würden, war von vornherein
anzunehmen. Und daß man unsere Bestrebungen mit allen
Mitteln bekämpft, zeigen die Aeußerungen im Verbandsblatt
der Gewerbeschulmänner „Die Gewerbeschule“, die eigentlich
so richtig die Angst verraten, die die Gewerbelehrer befiel,
als sie von unseren Forderungen hörten. Angst verrät immer
ein unruhiges Gewissen, und wenn in der Gewerbeschule ge
sagt wird; „Die Eingabe der Werkmeister strotzt voll Wider
sprüchen und sachlichen Unrichtigkeiten und Unwahrheiten in
Gesuchen haben die kürzesten Beine“, so haben wir darauf
die Antwort: was man schwarz auf weiß besitzt, kann man
getrost nach Hause tragen.
Unsere Klarlegung, daß die an Spielerei grenzende drei-
bis vierwöchige praktische Tätigkeit dem Qewerbelehrerkan-
didaten nicht das ist, was sie ihm sein soll, und infolgedessen
eine Erweiterung erfahren muß, scheint die Herren am meisten
beunruhigt zu haben. Wenigstens versuchen sie alle möglichen
und unmöglichen Beweise, wovon aber keiner stichhaltig ge
nug ist, um auch nur als einigermaßen erbracht angesprochen
werden zu können. So lautet ein disputierbarer Satz in der
Gewerbeschule: Wir möchten bei dieser Gelegenheit noch er
wähnen, daß die effektive Auswirkung dieser zwei- bis drei
jährigen praktischen Tätigkeit der, in einem gereiften Alter
stehenden Gewerbeschulkandidaten hinsichtlich der Summe
des Kennens ein Vielfaches ist gegenüber der dreijährigen
Lehrzeit eines Werkmeisters als Maurer usw. in einem un
reifen Alter von 14—16 Jahren, bei welcher letzterer bekannt
lich manche Stunden in unproduktiver Tätigkeit mit Lauf- und
Handlangerdiensten usw. für die technische Ausbildung im
Könnnen verloren geht.
Stellen wir hierzu einen Vergleich:
Der Hochbauwerkmeister, den „Die Gewerbeschule“ am
meisten zu geißeln scheint, hat eine dreijährige praktische
Lehrzeit als Maurer und Zimmermann hinter sich. Unbestreit
bar hat er manche Stunde in unproduktiver Tätigkeit mit
Lauf- und Handlangerdiensten usw. verloren. Sagen wir, der
Zeitverlust beträgt, reichlich bemessen, ein Vierteljahr, so
bleibt doch immer noch eine gut ausgenützte praktische Tätig
keit von 2 Jahren unter der Aufsicht eines Poliers oder Bau
führers. Dies ist doch etwas ganz anderes, als wenn der Herr
Soundso sich gelegentlich einmal auf der Baustelle oder in der
Werkstätte einfindet und sich das und jenes betrachtet. Der
Maurerlehrling mußte sich in seine Arbeit hineinleben, was
man jedoch von dem „im gereiften Alter“ stehenden Qewerbe-
lehrerkandidaten wohl selten behaupten kann. Und seien wir
uns einig, was man sich nicht durch praktische Tätigkeit an
geeignet «hat, vergißt man bald wieder.
Hat dann der zukünftige Werkmeister nach seiner prak
tischen Tätigkeit einige Semester der Baugewerkschule be
sucht, so betätigt er sich als Bauführer. Vorgeschrieben ist
eine ISmonatige Bauführerpraxis, doch in den meisten Fällen
werden aus diesen 18 Monaten 4—5 Jahre, aus dem einfachen
Grunde, weil sich der meist wenig bemittelte Techniker das
Geld für sein Studium selbst verdienen muß.
Und was erlernt er nun alles als Bauführer, viel mehr,
was muß er als Bauführer alles kennen? Ist es nicht der
Maurer, Zimmermann, Steinhauer, Bildhauer, Holzschnitzer,
Schmied, Blechner, Dachdecker, Kupferschmied, Glaser, Schrei
ner, Schlosser, Gipser, Stukkateur, Maler, Elektriker und der
und jener Installateur, Linoleumleger, Dekorateur, Gärtner
usw., dem seine Arbeit angegeben und überwacht werden muß?
Wie stellt sich der Gewerbelehrer denn die Funktion eines
Bauführers vor? Wir wollen nicht fragen: Glaubt er vielleicht,
mit all diesen sich auf dem Werkplatz lustig tummeln und
mittelst der technischen Sprache des Maurers usw. Durchgei-
stigung und Duichseelung in die verschiedenen Handwerks
gebiete hineintragen zu können?, wie der Gewerbelehrer den
Werkmeister wörtlich fragt. Dem angehenden Werkmeister
muß also ein eingehendes Kennen und Können eigen sein,
wenn er sich als Baumeister durch das Leben schlagen will,
gar nicht daran zu erinnern, daß der Baumeister in 90 unter
100 Fällen auch gleichzeitig der Architekt ist und Entwurf und
Ausführungszeichnungen selbst anfertigt. Hier könnte von einer
Durchgeistigung und Durchseelung in den verschiedenen Hand
werksgebieten durch den Bauwerkmeister gesprochen werden.
(Schluß lolgt.)
Briefkasten.
Antwort an N. F.: Ihre Anfrage ist sehr unbestimmt.
Jeder Grundeigentümer ist berechtigt, sein Grundstück
entlang der Eigentumsgrenze einzufriedigen, wenn nicht
besondere polizeiliche Vorschriften oder Rechte Dritter
dem entgegenstehen. Die Vorschrift von Art. 66 Abs. 1
der BauO. ist im vorliegenden Falle kein Hindernis. Eine
Ortsbausatzung besitzt Ihre Gemeinde nicht, und auch
besondere ortspolizeiliche Vorschriften über Einfriedigun
gen scheinen dort nicht zu bestehen. In welcher Weise
das in der Anfrage erwähnte „Zufahrtsrecht und Zugangs
recht in unbeschränkter Weise“ sichergestellt ist, ist nicht
zu erkennen. Es dürfte aber kaum in der Weise festgelegt
sein, daß der Inhalt der Abortgrube auf jedem beliebigen
Wege über das Nachbargrundstück abgeführt werden
kann. Von Bedeutung wird sein, auf welche Weise der
Erbauer des Hauses beim Einholen der Baugenehmigung
die erforderliche Zufahrt zum Hause nachgewiesen hat
und welche zivilrechtliche Abmachung zwischen den bei
den Nachbarn in rechtsgültiger Weise getroffen worden
ist. Wenn Sie sich über diese beiden Punkte Klarheit
verschaffen, wird sich die Anfrage leicht beantworten
lassen.
Verantwort!.: Karl Sohuler, Stuttgart. Druck: G. Sttirner, Waiblingen.