Full text: Süd- und Mitteldeutsche Bauzeitung (1919/20)

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BAUZE1TUNQ 
Nr. 35/36 
Bau, Bildung und Nutzbarmachung der ober 
schwäbischen Torfriede, 
besonders des Wurzacher Rieds. 
Von Baurat D i 11 u s. 
(Schluß.) 
In den Besitz des Wurzacher Rieds teilen sich die 
Standesherrschaften von Waldburg-Wolfegg, Waldburg- 
Zeil, die Stadt Wurzach und verschiedene ringsum lie 
gende Private; der größere Teil mit 700 ha fällt Wolfegg 
zu, das es .vor mehr als hundert Jahren als wenig wert 
volle Grundfläche erhielt und noch nicht ausgebeutet hat. 
Dann kommt Waldburg-Zeil mit zirka 200 ha. Stadt 
Wurzach mit zirka 50 ha. Diese beiden sind in der Aus 
beutung ziemlich weit vorgeschritten; die erstere, wie er 
wähnt, durch Errichtung einer Torfstreufabrik und Ein 
führung von Maschinentorfgewinnen, die letztere durch 
Handstichtorfgewinnung für Stadt und Umgebung. Ein 
parallel zur Ach geführter alter Entwässerungskanal er 
möglicht die Ausbeutung. 
Die Grundbedingung für jede Torfgewinnung ist die 
Entfernung des Wassers aus dem Ried; erst bei möglichst 
vollständiger Abwesenheit von Wasser ist eine rationelle 
Gewinnung möglich. Diese ist eine rein technische An 
gelegenheit, die wegen der beckenförmigen Form des Ried 
untergrunds große Schwierigkeiten und Kosten verur 
sacht, wobei auch die besonderen Eigenschaften des Torfs 
zu berücksichtigen sind. In erster Linie weist der von der 
Natur gegebene Abfluß des Rieds, d. h. die Wurzacher 
Ach darauf hin, dort die Entwässerung des alten See 
beckens durch Tieferlegung vorzunehmen. Allein da we 
gen einer Mächtigkeit des Torfes von 9 m eine Tiefer 
legung der Ach um zirka 6 m nötig wäre, ist ein derartiges 
Projekt undurchführbar, nicht nur, weil dadurch für die 
auf nicht besonders gutem Grunde stehenden Gebäude der 
Stadt Wurzach deren Fundamente durch Senkung in Ge 
fahr kämen und auch Brunnen versiegen würden, sondern 
auch deshalb, weil wegen des schwachen Gefälls der Ach 
von 0,3 in auf 1000 ra die Korrektion auf 8—10 Kilometer 
ausgedehnt werden müßte, wobei Mahlmühlen aufzukau 
fen und weitgehende wasserrechtliche Regreßansprüche zu 
gewärtigen wären neben ganz gewaltigen Baukosten. Eine 
soweit als möglich gehende Vertiefung der Ach zur Ent 
wässerung der Riedanteile der Stadt Wurzach und von 
Zeil hat schon im Jahre 1870 stattgefunden. Ein anderes 
Entwässerungsprojekt, das schon vor 70 Jahren aufge 
taucht ist, ist die Ausführung eines Stollens von 1 km 
Länge durch die Moränebarre auf der Nordostecke, wo 
durch das Wasser durch den Mühlbach nach Eggmanns 
ried in die Lhnlach und in die Riß nach der Donau fließen 
würde. Auch hier würden wegen des schlechten Bau 
grunds der Moräne die technischen Schwierigkeiten und 
Kosten sehr bedeutend sein, ebenso die damit verbundenen 
wasserrechilichen Fragen. Allein da sich vom tiefsten 
Punkt des Seebeckens bis nach Eggmannsried ein Gefälle 
von 6—8 m ergibt, erscheint die Ausführbarkeit gesichert. 
Nur durch sie ist eine vollständige Lösung der Entwässe 
rungsfrage gegeben. Bei dem durch den Stollen zu er 
reichenden starken Gefälle ist die Gewinnung einer erheb 
lichen Wasserkraft möglich. Wenn man sich daran er 
innert, daß derzeit ein Kanalprojekt Neckartal—Ulm— 
Bodensee ernstlich erwogen wird, kann ein vermehrter 
Wasserabfluß aus dem Reservoir des Wurzacher Beckens 
durch die Umlach in die Riß und den Kanal nur erwünscht 
sein. Andere Lösungen der Entwässerungsfrage, wie An 
lage einer Wasserheberableitung, Versenkschächte können 
wohl nicht ernstlich in Betracht kommen. Dagegen kann 
zunächst an eia Auspumpen der jeweils im Ausbeutungs 
gebiet liegenden Wassermenge gedacht werden; ähnlich 
wie es in den Poldern Hollands geschieht. Freilich müßte 
hiezu eine größere Pumpanlage mit elektrischem Antrieb, 
womöglich durch eigenes Elektrizitätswerk, erstellt wer 
den. Wahrscheinlich würde diese Lösung die geringsten 
Baukosten verursachen. Allein die Pumpanlage müßte 
auch noch nach Austorfung des Gesamtrieds verbleiben, 
da sonst wieder ein See an Stelle des Rieds treten würde, 
wie zur Glazialzeit. Wurzach würde dann Seestadt wer- 
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