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BAUZEITUNG
Nr. 20/21
Schauläden sehen wir zugleich an dem eichengezimmerten
mit Holznägeln gezierten und gefestigten Bau auf dem
mächtigen Dach noch Hunderte von Dachläden im
schwingenden Wohlklang ihrer Reihen. Setzen wir dafür
Fenster, und die ganze Dichtung ist weg! In diesem
Liedsatz und in diesem Wort Schauläden *) erahnen wir
noch die unbefangene, lebenshungrige Freude des noch im
Jünglingsalter stehenden deutschen Volkes an den unge
ahnten Herrlichkeiten des Lebens, der Kunst, der Baukunst,
die damals Zimmerkunst war, und es wäre uns unmöglich,
uns diese Freude vorzustellen, wenn da statt des hoch
getürmten, mit steilem Dach in den deutschen Wetter
himmel hineinragenden Zimmerwerks etwa einer jener neu
zeitlichen Griechentempel im kleinen oder großen entstan
den wäre, wie sie nun den deutschen Boden zu Hundert
tausenden bedecken.
Wir könnten noch viel von dem reichen und schönen
Wortschatz der Zimmerraannssprache reden, von der
Schwelle, die ursprünglich das Wasser am Hauseingang
„schwellte“, daß es nicht hereinlief, von den Wänden, die
vom Winden**) herkommen, von Firsten, Pfetten, Riegeln,
von Walmen, Zwerchhäusern, Sprossen, Sprießen, Streben,
Bügen, Gaisfüßen, Weihenschwänzen, Dollen, Knaggen,
von Kehlen und Gräten, von Bünden und Zangen, Sparren
und Stichen, von Zweräxten und Ketschhöbeln, vom Stem
men und Rammen und hundert anderem, und keines dieser
Worte wäre aus fremdem Geist, und jedes zeigte, wie alt
und wie urdeutsch das Zimmerhandwerk ist, und be
leuchtete uns seinen Gegenstand mit einem ganz beson
deren und hellen Schlaglicht, wie das nur die bildkräftige,
unverbildete Seele des Volkes vermag. Wir könnten in
diesen Ausdrücken weitere Grundgedanken dieses deut
schesten aller Handwerke erlauschen, wir könnten aus
diesen Klängen und handwerklichen Urgedanken, die uns
da anrauschen, erfühlen, welch großes Leben in diesem
Handwerk steckte, welche Kraft, welche Umfassenheit, wel
ches Selbstbewußtsein, und es ginge vielleich tmanchem
eine Ahnung davon auf, warum heute noch jeder einfache
Zimmergeselle in seiner ganzen Haltung und Kleidung
dem, der die Augen offen hat, etwas ganz besonderes zeigt.
Aber wir können uns nicht zu sehr verlieren, und allein
schon diese geringen sprachlichen und schrifttümlichen
Untersuchungen genügen, um uns ohne jegliches gelehrtes
Kunstwissen und Bauforschen mit Ueberzeugungskraft
dahin zu bringen, daß der Zimmermann nicht nur der
erste Wohnungserbauer auf deutschem Boden war, son
dern auch der älteste deutsche Erhabenheits-, d. h- Monu-
umentalbaumeister, der älteste Baukünstler. Oder gehören
die mächtigen, hölzernen Rathäuser in unseren alten
Städten, die uns noch eine Ahnung von jenen ersten ragen
den Schloß- und Burgbauten in Holz, von deren einem
unser Gedicht spricht, geben können, nicht zur Groß-
und Erhabenheitsbaukunst?
Wenn man unserer zünftigen Kunstwissenschaft folgt,
die, unsere vorgeschichtliche Kunst überhaupt außer acht
lassend, bei den Aegyptern anfängt, bei den Griechen sich
zur Ruhe setzt und vom „deutschen“ Barock schwärmt
und in seinem Pfaffen-, Fürsten- und großbürgerlichen
Aufklärungsübermut die Fortsetzung des Geistes der Gotik
sieht, ist das allerdings zu verneinen, und damit sind wir
bei einem Rastpunkt unserer Ausführungen angelangt
und wollen das nächste Mal einige Nutzanwendungen aus
ihnen ziehen. Eugen Weiß.
*) Lade bedeutete ursprünglich Brett und bevor das Fenster
glas aufkam, wurden die Lichtöffnungen mit Brettern oder «Läden*
verschlossen.
♦*) Die Wände wurden zuerst aus Ruten «gewunden* oder
geflochten.
Lieber den Einfluß der Menge der Zuschlags-
materialien im Stampfbeton.
Die Bestimmung der Menge der Zuschlagsmaterialien
im Beton, also derjenigen Teile im Beton, welche —
bezogen auf deren Raum im fertigen Beton — zur Um
hüllung oder Verkittung viel weniger Zement als die Sand
körner erfordern, also den Zementbedarf beschränken, ist
für den Baumeister von erheblicher wirtschaftlicher Be
deutung. Leider wird dieser Umstand viel zu wenig be
achtet; systematische Untersuchungen zur Ermittlung der
wirtschaftlich zweckmäßigen Zusammensetzung des Betons
sind eine Seltenheit. Zur Erläuterung diene das folgende
Beispiel.
1
2
3
4
Reihe
Bezeich
nung nach
landesüb
licher Art
Zusammensetzung
des Betons
Würfel festig-
keit des Betons
im Alter von
28 Tagen
1
1 : 2
140 kg Zement, 200 Liter Rheinsand,
360
2
1 : 3
140 kg Zement, 200 Liter Rheinsand,
100 Liter Kalksteinschotter (Jura)
379
3
1 ; 4
140 kg Zement, 200 Liter Rheinsand,
200 Liter Kalksteinschotter
399
4
1 : 6
140 kg Zement, 200 Liter Rheinsand,
400 Liter Kalksteinschotter
405
Die Zahlen in Spalte 2 und 4 zeigen zunächst, daß
bei Zugrundelegung der landesüblichen Bezeichnung aus
zusprechen wäre: mit Abnahme des Mischungsverhältnisses
von 1 : 2 auf 1 : 6 steigt die Festigkeit des Betons.
Eine solche Folgerung kann aber nicht richtig sein. Die
Erklärung findet sich aus den Angaben der Spalte 3,
welche sagt, daß der Mörtel (Zement und Sand) in
allen 4 Fällen derselbe war, daß aber durch Zusatz von
hochwertigem Juraschotter 1 ) die Festigkeit des Betons
gehoben wurde. Eine weitere Vermehrung des Schotters
würde erfahrungsgemäß die Druckfestigkeit wieder ver
mindert haben, da bei Reihe 4 der Mörtel eben noch
ausreichte, die Schotterstücke zu umhüllen und ohne
nennenswerte Hohlräume einzubetten.
Die Ergebnisse der Reihen 1—4 zeigen in besonders
eindringlicher Weise die Notwendigkeit sachlicher klarer
Untersuchung der Verwendungsmöglichkeit unserer Bau
stoffe und legen bei dem derzeitigen Zementmangel unseren
Baumeistern und Baubehörden geradezu die Pflicht auf,
durch Veranlassung von Materialprüfungen den Ver
brauch des Zements auf das unbedingt nötige einzu
schränken. Gf-
Hauptversammlungen der baugewerbl. Zentralverbände.
Am 5. und 6. Mai hielten die beiden großen Zentral
organisationen des Baugewerbes, der Deutsche Arbeit
geberbund für das Baugewerbe und der Deutsche Wirt
schaftsbund für das Baugewerbe ihre diesjährigen Haupt
versammlungen in Eisenach ab. ln seiner Begrüßungs
ansprache wies der Vorsitzende Behrens-Hannover u. a.
darauf hin, daß, als im Jahre 1914 die Hauptversammlung
des Bundes in diesen Räumen stattgefunden habe, keiner
der Teilnehmer an den Krieg gedacht hätte. Der bevor
stehende Friede hülle unsere Zukunft in ein undurchdring
liches Dunkel. Deutsche Arbeit und deutsche Kraft wür
den auch diese drückenden Verhältnisse überwinden. Die
Quelle der Kraft aber liege in der Organisation.
Der Verwaltungsdirektor des Bundes, Dr- Froehner-
Berlin, berichtete über die Tätigkeit des Vorstandes im
abgelaufenen Geschäftsjahre. Wir führen daraus an:
Die Bewilligung der 4. Kriegsteuerungszulage an die Ar-
*) ohne Staub und Grus; Festigkeit des Jurakalkes bedeutend
höher als beim Mörtel der Versuchsreihe 1.