Full text: Süd- und Mitteldeutsche Bauzeitung (1919/20)

16./31. Juli 1919. 
BAUZEITUNG 
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Nun unsere Bemerkungen zu den einzelnen Abschnitten: 
Das Gutachten ist am 17. Mai dem Ministerium des Un 
terrichts übersandt worden. Als zuständiger Referent ist 
Herr Regierungsrat Bartning ausersehen. Von ihm er 
hoffen wir, daß er unsere Wünsche wohlwollend prüft 
und in gemeinsschaftlichen Besprechungen die dringende 
Reform zu einem guten Ende führen möge. 
Die Sitzungen bei der Durchberatung des Gutachtens 
waren immer gut besucht, von allen Seiten wurde reges 
Interesse gezeigt. Auch von den als Gäste eingeladenen 
Lehrern waren stets 3 bis 4 Herren anwesend. 
Bei einzelnen Punkten war die Diskussion so rege, daß 
mehrere Stunden aufgewendet werden mußten, um zu 
einem Resultat zu kommen. Schon die Besprechung über 
die neue Bezeichnung der Schule bewies, daß, wo viele 
Köpfe, auch viele Sinne sind. Es wurden Namen vorge 
schlagen wie: Badisches Landestechnikum, technische 
Staatslehranstalt, technische Staatsmittelschule u. a. m. 
Man einigte sich dann auf „badisches Staatstechnikum“. 
Eifrige Aussprache erregte die Schulordnung. Unsere 
Kommissionsmitglieder waren zuerst für volle akademi 
sche Freiheit, haben aber den reichen Erfahrungen des 
Herrn Tolle gerade in diesem Punkte nicht Stand halten 
können, da bei Vertiefung in diese Frage sich doch solche 
Bedenken geltend machten, daß wir zur Ueberzeugung 
kommen mußten, daß es im Interesse des ganzen Nach 
wuchses besser ist, den Schulzwang beizubehalten, den 
älteren Schülern jedoch gewisse Freiheiten in der Schul 
ordnung zu gewähren, ln der Diskussion kam zum Aus 
druck, wie weite Kreise der Akademiker heute wünschten, 
auch für die Hochschule die akademische Freiheit abzu 
schaffen, da ein wesentlicher Prozentsatz der Hochschüler 
(wenn ich mich recht erinnere, wurden 75 % genannt), 
ihr Ziel nicht erreichen und die Hauptschuld hiefür der 
„sogen. Freihei“ zugeschrieben würde. 
Ein von uns gestellter Antrag, wenigstens für das V. 
und VI. Semester die Schulfreiheit zu gewähren, wurde, 
trotzdem er die Unterstützung der Lehrerschaft fand, mit 
großer Mehrheit abgelehnt, darunter auch vom Techniker 
verband und vom Verband technisch-industrieller Beamter. 
Bezügl. der Aufnahmebedingungen waren Erwägungen 
im Gange, eine höhere Vorbildung für die Aufnahme in 
das Tectiikum zu verlangen. Es wurde jedoch mit Rück 
sicht auf die zu erwartende Neugestaltung unseres ganzen 
Schulwesens vorerst Abstand genommen, bestimmte Vor 
schläge zu formulieren. 
Und nun komme ich zu dem Punkt, der für uns wohl als 
der wichtigste bezeichnet werden darf, zur „Werkmeister 
prüfung und Berufsbezeichnungsfrage“. Die Art, wie die 
Prüfung jetzt vorgenommen werden soll, entspricht nicht 
unseren Wünschen, wir konnten jedoch auch hier mit un 
serem Antrag, die Prüfung als Staatsprüfung zu belassen, 
nicht durchdringen, da fast sämtliche andere Vereine un 
sere Ansichten nicht teilten. Es wurde geltend gemacht, 
daß eine Abschlußprüfung erforderlich sei, um unsere 
Schüler gleich zu stellen mit denen der andern Bundes 
staaten. Ob der Staat auf die Staatsprüfung seiner Tech 
niker verzichtet, muß vorerst dahingestellt bleiben. Unser 
Streben muß sein, falls dieser Antrag beim Ministerium 
durchgeht, zu verlangen, daß eine Staatsprüfung trotzdem 
abzulegen ist, analog der Prüfung der Regierungsbau 
meister. 
Der Vorstand muß auf diese für uns so wichtigen Fra 
ge sein Hauptaugenmerk lenken; es ist für ihn wichtig, 
hier die Ansicht der Kollegen kennen zu lernen und des 
halb für das weitere Vorgehen einen Beschluß des Gesamt 
vereins herbeizuführen haben. Sobald mit ruhigerer Zeit 
gerechnet werden kann, ist beabsichtigt, eine Hauptver 
sammlung einzuberufen. 
Rottenburg a. N. (Württemberg) 
Altes Bildstöckchen an der Gefängnismauer; 
in der Nische ein auf Blech gemaltes 
Marienbild. 
Aufnahme von Bauwerkmstr. Steinhilber, Stuttgart. 
Geradezu grotesk war die Aussprache über die Berufs 
bezeichnung. Während die Kommission trotz unserer 
starken Opposition vorschlug, den Titel Diplomtechniker 
zu wählen, gelangte in der Ausschußsitzung ein Antrag 
ein, die Berufsbezeichnung der Neuzeit entsprechend weg 
fallen zu lassen. Technikerverband, Verband technisch 
industrieller Beamter, Badischer Architekten- u. Ingenieur 
verein u. a. m. traten für diesen Antrag ein, ebenso stark 
von uns bekämpft. Das Abstimmungsresultat ergab, 5 Ver 
eine für eine Berufsbezeichnung, 7 dagegen. Damit war 
vorerst der Punkt Berufsbezeichnung erledigt. Wir griffen 
jedoch bei der nächsten Sitzung die Sache nochmals auf 
und verlangten, daß über diesen Beschluß nochmals die 
Diskussion eröffnet werden solle, dabei mit dem festen 
Vorsatz, falls wieder so gegen unsere Interessen gearbeitet 
werden sollte, sofort die Konsequenzen zu ziehen. Die 
neue Abstimmung ergab ein ganz anderes Bild. Wir 
drangen durch, den „Baumeister“ konnten wir jedoch 
nicht erzwingen. 
Der vorgeschlagene Kompromiß, wie ihn das Gutachten 
aufweist, war für uns annehmbar, da uns damit die Tür offen 
bleibt. Ich hoffe, aus der Mitte der Hauptversammlung 
auch für diesen Punkt weiteres Material zu erhalten. 
Mit der vorgeschlagenen Lösung bezügl. des Direktors 
und Kuratoriums waren wir vollständig einverstanden. 
Das von der Lehrerschaft vorgeschlagene Wahlrektorat 
mußten wir ablehnen, da, wie es sich heute schon zeigt, 
dieses System in der Hochschule schwere Mißstände zur 
Folge hat. Die bedingungslose Aufnahme der Absolventen 
des Technikums als ordentliche Schüler in die Hochschule, 
ist an der derzeitigen Verfassung der Hochschulen geschei 
tert. Doch auch hierüber dürfte, gleich der Aufnahme ins 
das Technikum, die Zukunft eine für uns befriedigende 
Lösung bringen. 
Die übrigen Punkte fanden wohl in sehr anregender De 
batte, aber ohne Reibungen ihre Erledigung.
	        
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