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BAUZEITUNG
Nr. 31/32
4 cbm in der Sekunde mit natürlichem Gefälle dem Neckar
übergeben kann.
Ein Hauptvorzug meines Projekts war die Möglich
keit des geheimen und daher billigen Orunderwerbs für
die Kläranlage zwischen Mühlhausen und Aldingen. Auch
waren gegen den neuen Plan weniger begründete Ein
sprachen zu erwarten als gegen die Kläranlage bei Hofen.
Außerdem war vorauszusehen, daß das neue Projekt bei
der Regierung mehr Anklang finden werde. In der Tat
mußte die K. Ministerialabteilung für den Straßen- und
Wasserbau am 22. August 1911 zugestehen, daß die neu
gewählte Lage gegenüber dem alten Platz auf der Markung
Hofen namentlich wegen der Abgeschiedenheit so erheb
liche Vorzüge habe, daß die Ministerialabteilung die Be
denken über die Trennung der Anlage in 2 Teile zurück
stellen könne. Zur Aufstellung meines geheimen Projekts
konnte ich die im Frühjahr 1909 von Baurat Conz und
Regierungsbaumeister Ritter für die Neckarkanalisierung
gemachten Geländeaufnahmen benützen. Durch das dan
kenswerte Entgegenkommen dieser Regierungsbeamten
Eine günstigere Aufnahme fand mein Projekt erst,
als im März 1911 Gemeinderat Sigloch nach Stuttgart kam.
Am 1. April 1911 besichtigten die Gemeinderäte Sig
loch und Weitbrecht mit mir das Gelände unterhalb Mühl
hausen, und als am 12. April 1911 von Gemeinderat Sig
loch das Tiefbauamt den Auftrag erhielt, ein Projekt für
eine Zentralkläranlage unterhalb Mühlhausen vorzulegen,
da wußte ich, daß mein Projekt endlich den Sieg über das
Hofener Projekt davongetragen hatte und daß die Ausfüh
rung der Kläranlage unterhalb Mühlhausen nur noch eine
Frage der Zeit war. Der durch Vermittlung des Geometers
Morlock von Zuffenhausen im Sommer 1911 versuchte ge
heime Grunderwerb scheiterte zwar nach einem vielver
sprechenden Anfang, und die Gemeinden Mühlhausen und
Aldingen, wie auch die Regierung machten der Stadt die
Durchführung des Projekts nicht leicht. Aber die Vertreter
der Stadt, an ihrer Spitze Herr Oberbürgermeister Lauten
schlager und Bürgermeister Sigloch, haben es verstanden,
alle Schwierigkeiten in verhältnismäßig kurzer Zeit zu
überwinden.
war es mir möglich, mein Projekt auf zuverlässigen, ge
nauen Grundlagen aufzubauen und 5 Lagepläne, 1 Länge
profil mit Berechnungen und Querprofile der Kläranlage
nebst Kostenvoranschlägen auszuarbeiten, ohne selbst Ge
ländeaufnahmen machen und dadurch das für den Grund
erwerb so wertvolle Geheimnis des neuen Projekts ver
raten zu müssen. Der Abwasser-Sachverständige, Prof.
C. Reichte in Berlin, ein Cannstatter Bürgersohn, den ich
in meine Pläne eingeweiht hatte, schrieb mir am 8. Juli
1910: „Ihr Vorschlag gefällt mir. Die Ersparnisse an dau
ernden Hebungskosten der Cannstatter- u. s. w. Abwässer
und an Geländeerwerb werden eine solche Stollenanlage
zweifellos lohnen. Selbstverständlich werde ich Ihre Mit
teilungen streng vertraulich behandeln.”
Die Schwierigkeit bestand nun für mich darin, die
Stadtverwaltung zur Annahme meines Projekts und zur
Durchführung des geheimen Orunderweros auf Markung
Mühlhausen und Aldingen zu veranlassen. Das Tiefbau
amt, das sich im Jahre 1910 mit der Ausarbeitung genauer
Pläne und Kostenvoranschläge für eine biologische Klär
anlage oberhalb Hofen befaßte, hielt an dem alten Platz
fest.
An der Ausführung des Projekts konnte ich selbst, so
sehr es mein Wunsch war, keinen Anteil haben, weil durch
die zu jener Zeit erfolgte Reorganisation des städt. Tief
bauwesens sich eine andere Verteilung der Aemter ergab.
Die weitere Bearbeitung des Projekts und die Bauausfüh
rung wurden von Stadtbaurat Dr. ing. Maier und Bau
inspektor Sohler übernommen.
Schlußwort.
Die Entstehungsgeschichte der Stuttgarter Hauptklär
anlage erscheint besonders deshalb interessant und lehr
reich, weil sie zeigt, daß es schließlich doch noch als ein
Glück für Stuttgart anzusehen ist, daß keines der vielen
früheren Projekte zur Ausführung gekommen ist. Je ein
gehender man sich mit der Sache befaßte, um so weiter
talabwärts wurde die Kläranlage verschoben, nämlich von
Oaisburg über Münster und Hofen bis unterhalb Mühl
hausen. Die Kosten für die Verlängerung des Haupt
sammelkanals von Berg flußabwärts wuchsen von 130,000
Mark im Jahre 1887 immer beängstigender bis zur Höhe
von 2 Millionen an. Trotzdem wird sich die Errichtung der
Kläranlage unterhalb Mühlhausen nicht nur in hygieni-