Full text: Götterlehre oder mythologische Dichtungen

hüllt. Wenn Jugend nnd Schönheit ein Raub [6e$ 
Todes wurden, so hieß es, irgend eine Gottheit ha 
be ihren Liebling non der Erd' entfuhrt. — Auf die 
Weise ward die Trauer mit Freude vermischt; und 
die Klage »m den Todte» gemildert. — Mau findet 
daher auch diese Dichtungen auf den Marmorsargcn 
der Alten am häufigsten dargestellt. 
Ganymed. 
Vom GannmedcS, einem Sohn des Tros und 
Urenkel des Dardanus, des ersten Stifters von 
Troja, sagt der Dichter: Er war der schönste un 
ter den sterblichen Menschen. — Die Götter selbst 
entführten ihn, seiner Schönheit wegen — damit 
er dem Jupiter den Becher reichte, und in der Ge 
sellschaft der Unsterblichen wäre. 
In der Gestalt des Adlers, welcher den Donner 
trug, entführte Jupiter seinen Liebling, von dem 
Gipfel des Jda , und trug ihn sanft in den gekrümm» 
<«N Klauen, schwebend, von der Erd' empor. 
Jit diese schöne Dichtung hüllte die tröstende 
Phantasie den frühe» Verlust drS Jünglings ein, 
dessen Jugend und Schönheit man sich unmöglich als 
sterblich denken konnte, und daher sein AerschwiN-' 
den , als eine Hinwegrückung von der Erde zum <öi? 
der unsterblichen Götter sich erklärte. 
In diese Sehnsucht nach dem Genuß eines hö' 
Hern Daseyns , lößt, nach der erhabnen Darstellung
	        
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