Full text: Erste Abtheilung. Eiserne Brücken. Heft II (1,2)

Eiserne Balkenbrücken 
mit Parallelgurten und gegliederten Wandungen. 
I. Technische Entwickelung. 
1. Die älteren Constructionen. 
Bis zur Mitte der vierziger Jahre waren die Gurtungen 
der eisernen Parallelträger durch volle, aus Kesselblech 
bestehende Wandungen verbunden worden. Die bedeutendste 
Anwendung dieser Constructionsweise war noch bei Aus 
führung der im Jahre 1850 vollendeten Britanniabrücke 
gemacht worden, deren Wandungen eine Höhe von 7,1 Mtr. 
an den Enden bis 9,14 Mtr. in der Mitte erreichten. Aus 
den mit der Modellröhre derselben angestellten Versuchen, 
wobei sich deren Wandungen unter der Probelast verbogen, 
hatte man erkannt, dass diese Verbiegung die Folge von 
Druckkräften sei, welche von oben nach unten wirkten, 
ohne jedoch über das Wesen und Wirken dieser, sowie der 
gleichzeitig auftretenden, von unten nach oben wirkenden 
Zugkräfte im Klaren zu sein. Die Natur dieser Kräfte 
war aber durch die hölzernen Fachwerk- und Gittercon- 
structionen der Amerikaner, worunter die im Jahre 1839 
patentirten L o n g ’ sehen, sogenannten Suspension bridges*) 
und die Town' sehen lattice bridges hervorzuheben sind, 
bereits praktisch aufgeklärt worden. Man wusste, dass die 
obenerwähnten Zug- und Druckkräfte auch durch einzelne 
Stäbe übertragen, mithin die vollen Wandungen in 
Reihen stabartiger Glieder aufgelöst werden könnten. 
Nachdem Howe, bei einer Verbesserung der Long’sehen 
Brücken, in Verbindung mit hölzernen Gurtungen, Streben 
und Gegenstreben bereits eiserne Zugstangen angewandt 
hatte, bildete Jones die Howe’sehen und der Maschinen 
fabrikant Rider in Washington die Long'sehen Brücken 
ganz in Eisen in einer Weise nach, welche bewies, dass 
Beide schon eine klare Einsicht in die Wirkung jener Zug- 
und Druckkräfte besassen, da sie denselben beziehungs 
weise Schmied- und Gusseisen entgegengesetzt hatten. So 
hat die zu den Nachbildungen der Howe’sehen Brücken in 
Eisen gehörige Strassenbrücke über einen Kanal in der 
Lehigh Avenue in Philadelphia **) einen gusseisernen, 
im Querschnitt verkehrt U-förmigen Obergurt und einen aus 
vier Flacheisen bestehenden Untergurt, während die im 
Querschnitt kreuzförmigen Haupt- und Gegenstreben, welche 
bei kleinen eisernen Brücken dieser Gattung gewöhnlich 
aus Gusseisen hergestellt sind, gleich den doppelten Häng 
stangen aus Schmiedeeisen bestehen. Die eiserne, in der 
Stadt Bergen erbaute Wegbrücke über die New- 
Yersey-Bahn, welche der Long’schen Fachwerkbrücke 
nachgebildet ist, enthält zwischen ähnlich ausgebildeten 
Gurten lothrechte, gusseiserne Druckpfosten und gekreuzte, 
schmiedeeiserne Zugdiagonalen. Die von Rider ausgeführte 
Strassenbrücke über den Rock-Creek, zwischen 
Washington und Georgtown, mit einer Oeffnung 
von 35,36 Mtr. (116' engl.) Spannweite, deren Brücken 
bahn durch die Tragrippen in 2 Fahrbahnen und in 2 Fuss- 
pfade abgetheilt ist, zeigt bei ähnlicher Anordnung der 
) Vgl. Suspension bridge. Specification of a Patent for a 
Suspension bridge, granted to Lt. Col. S. H. Long in 1839 und 
Description of Col. Long’s bridges. Philadelphia 1841. 
) Die Abbildung, Beschreibung und Literatur dieser, so 
wie der folgenden Brücken, insoweit jene hier nicht besonders auf 
geführt sind, s. Heinzerling, Die Brücken in Eisen. Lpzg. 1870. 
Gurtungen und Verticalen ein dreifaches System der 
gezogenen Diagonalen. Leider griff Rider, welcher seine 
Brücken aus ökonomischen Gründen über eine Schablone 
und mit möglichst geringem Materialaufwand construirte, 
die Abmessungen einiger derselben zu schwach, wie der 
im Jahre 1850 bei dem Passiren eines schweren Güter 
zugs erfolgte Einsturz einer Brücke von 18,89 Mtr. (62' 
engl.) Spannweite wahrscheinlich Folge zu geringer Dimen 
sionen der unteren Gurtungsschienen war. 
Eine nach Form und Verbindung der einzelnen Con- 
structionstheile abweichende Ausbildung fand dieses System 
durch Murphy-Whipple. Andere, von demselben vorzugs 
weise für Eisenbahn brücken construirte Parallelträger, wie 
sie unter anderen bei einer Brücke der Vermont-Canada- 
Bahn mit 44,5 Mtr. (146' engl.) Spannweite Anwendung 
fanden, haben nur in der Mitte gekreuzte, an den 
Enden einfach gezogene Diagonalen und, statt senk 
rechter, geneigte Endpfosten erhalten. Obwohl hierdurch 
die Construction der Parallelträger wesentlich vereinfacht 
war, so zeigten auch sie in der Abmessung ihrer Theile, 
von welchen die oberen röhrenförmigen Gurten und die 
durch je vier Spanndrähte versteiften Druckpfosten aus 
Gusseisen, die unteren schlingenförmigen Gurtungen und 
Diagonalen aus Schmiedeeisen bestehen, eine Leichtigkeit, 
welche das Eisenbahncommissariat des Staates New-York 
zu einer Prüfung ihrer Tragkraft veranlasste, welche ergab, 
dass einzelne ihrer Theile bei einer Belastung von 7500 Kg. 
p. 1. Mtr. (5000 Pfd. p. 1. Fuss engl.) Geleise fast bis zur 
Elasticitätsgränze angestrengt wurden. 
Auch das von Wendel Bollmann, ausser bei 
vielen anderen Brücken der Baltimore-Ohio-Bahn, an der 
über den Potomac führenden Brücke dieser Bahn bei 
Har per s Ferry ausgeführte System, welches in der 
Aufhängung einzelner, unter sich verbundener Trägerfache 
an je zwei eisernen Zugbändern besteht, deren Horizontal 
druck durch einen gusseisernen Spannbalken, den sogn. 
Winchester span aufgehoben wird, zeigte bei der von 
P a r k e r, dem Oberinspector jener Bahn, angestellten 
Prüfung verhältnissmässig grosse Durchbiegungen, gegen 
welche die von dem Erfinder hervorgehobenen Vortheile 
einer leichten Zusammensetzung und günstigen Disposition 
der Holztheile bei Feuersgefahr zurücktreten. Das dem 
Bollmann’schen System verwandte, bei Brücken der Balti 
more-Ohio-Bahn vielfach zur Ausführung gekommene 
Fink’sehe System besteht im wesentlichen aus einem 
gusseisernen Obergurt und eben solchen Verticalständern, 
welche mit den schmiedeeisernen Zugbändern einen zu 
sammengesetzten, umgekehrten Hängebock bilden, und be 
darf desshalb eines besonderen Untergurts nicht. Guss 
eiserne, zwischen die Verticalständer eingeschaltete Quer 
träger tragen die Langschwellen, auf welchen die Fahr 
schienen entweder direct oder vermittelst Querschwellen 
ruhen. 
Das erste Beispiel einer Nachbildung der T o w n ’ sehen 
Gitterbrücken in Eisen von grösserer Spannweite ist die 
im Jahre 1845 zur Uebersetzung des Royal Canals bei 
Dublin erbaute Brücke der Dublin-Drogheda-Bahn von 
42,67 Mtr. (140' engl.) Spannweite, deren doppeltes Ge 
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