Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 43, Bd. 2, 1883)

Die Entstehung der Frauenkirche in Tresden. — Ventilations-Anlagen für alle Stalleinrichtungen. 280 
Um diese Zeit lebten an dem wahrhaft glänzenden und nach den 
olitischen Prinzipien Angust's des Starken verschwenderischen Hofe, 
der selbst den Hofstaat Ludwig's XIV. übertraf, oder wenigstens zu 
ihertreffen suchte und an welchem sich alle Faktoren politischer, sozialer 
ind religiöser Verhältnisse in charakteristischster Weise entwickelten, 
zine Anzahl von Architekten und Hofbeamten, welche sich mehr 
oder weniger die Gunst ihres Königs erschmeichelt hatten und die 
heim Bau' der Frauenkirche mit in Erwähnung zu bringen sind. 
Noch in demselben Jahre der obengenannten Begutachtung schritt 
man zur Wahl dessen, der den Bau der neuen Kirche in die Hände 
iehmen und die dazu nöthigen Pläne und Risse verfertigen sollte. 
Wer wurde gewählt und wer ist der Erbauer des die Physiognomie 
Dresdens charakteristisch bezeichnenden Baues? Es ist bekanntlich 
Beorge Bähr, welcher am 15. März des Jahres 1666 geboren 
ward und den 16. März 1738, einen Tag nach seinem 72. Ge— 
»urtstag, starb. Sein Vater war ein einfacher Handarbeiter aus 
Fürstenwalde in der Nähe von Lauenstein. Nun wäre es angemessen, 
iber die Jugendjahre und die weitere Entwickelung Bähr's das 
Nöthigste zu berichten, aber wir eutbehren leider selbst der ein— 
sachsten Nachrichten, da uns die Biographen und Chronisten nichts 
überliefert haben; über seinen ersten Bildungsgang befinden wir 
ins vollstäudig im Dunkeln. Trotz alledem weiß man doch das 
TFine von Bähr, daß er gleichfalls, wie Chiaveri, der Schöpfer der 
m italienischen Barochstii errichteten katholischen Kirche, unermüdlich 
und rastlos thätig gewesen ist, was schon dadurch dokumentirt wird, 
aß er kraft seines regen Produktionsgeistes in noch verhältniß— 
näßig jungen Jahren die Stelle eines Rathszimmermeisters erhielt. 
Bähr' kam als 39 jähriger Mann nach Dresden und im Jahre 
1706 ward er in die Zunft aufgenommen. Woher hat nun Bähr 
eine Ideen, seine Vorbilder, so frägt man sich bei Betrachtung 
dieses gigantischen Baues? Die Antwort möchte vielleicht die sein: 
aß er für diesen Zweck bedeutende Kunstreisen gemacht habe, etwa 
iach Rom, wo er die große Peterskirche vor sich sehen konnte, 
»der Florenz, wo der große Filippo Brunellescho seine mächtige 
Domkuppel wölbte, der, um seine kühnen Pläne zu vollenden, mit 
ihnlichen Schwierigkeiten wie Bähr zu kämpfen hatte, und den 
nan sich nicht entblödete, für wahnsinnig zu halten. Von einer 
olchen Kunstreise finden wir indeß bei Bähr keinerlei Erwähnung 
Bähr soll nicht einmal über die Grenzen seines Vatertandes ge— 
'ommen sein, ihm war es nicht beschieden, größere Bauten und 
kunstwerke außer Landes an Ort und Stelle zu studiren. 
Indessen dies alles ersetzte er durch seine außerordentliche 
Thätigkeit und seine antodidaktischen Studien, die sich nicht allein 
nuf die Prinzipien der Architektur, sondern auch auf verschiedene 
indere technische und mechanische Wissenschaften erstreckten. Er 
deschäftigte sich namentlich mit den Gesetzen des Hebels, auch soll 
er eine ziemliche Anzahl neuer technischer Modelle für, bestimmte 
Zwecke des Bau- und Zimmermannsfaches geschaffen haben. Dies 
var wohl auch der Grund, daß man ihn alsbald zum Raths— 
ziimmermeister machte, wie dies auch nach aktenkundlicher Mit— 
heilung heißt: „Nachdem er sich selbstständig auch auf andere 
mechanische Wissenschaften geleget und es darinnen ziemlich weit 
gebracht, wurde er zu des Rathes Zimmermeister gemacht“. Ebenso 
harakteristisch für Bähr ist der Ausspruch, daß ihn seine Zeit 
zinen energischen, von dunklen Idealen erfüllten Geift nennt. Es 
vird immer bedauerlich bleiben, daß wir von diesem Manne kein 
Portrait besitzen, wir müssen uns seine Individualität aus seinen 
Werken zusammenstellen, nur seine Schöpsungen können uns seinen 
gewaltigen. Geist vergegenwärtigen. Bähr's Beschäftigung mit den 
porher erwähnten mechanischen und technischen Wissenschaften, sowie 
die Verfertigung von Modellen, ferner Messungen, Berechnungen 
und plastische, ingleichen einige monumental ausgeführte Ärbeiten 
denutzte er sicherlich, um sich für sein zukünftiges Werk vorzubereiten. 
Es ist interessant, daß wir ganz in unserer Nähe ein treffliches 
Beispiel dieser Vorarbeiten besitzen, ich meine die kleine Kirche zu 
Loschwitz, welche der Magistrat spezieils von des Rathes Zimmer— 
meister erbauen und am'3. August des Jahres 1708, also vor 
173 Jahren, Jurch den Superintendent Christoph Schrader, ein⸗ 
weihen ließ. Es fällt sofort in die Angen, daß die Bauart dieser 
dirche sich von der anderer Dorfkirchen in ihrer Grundrißentwicklung 
v»estimmt unterscheidet.“ Es ist der Vorwurf des in ihrer Um— 
assung liegenden Gedankens des Zentralsystems. Nicht uninteressant 
st auch die Stellung des Altars und der Kanzel. Dieses Werk 
Bähr's erregte damals große Aufmerksamkeit, es gefiel allgemein, 
o daß er bald darauf, im Jahre 1713. nach Schmiedeberg im 
Erzgebirge beordert ward, um daselbs einen ähnlichen Bau, in 
welchem sich der Grundgedanke des Zentralsystems wiederholt, zu 
errichten. Diefe Kirche zu Schmiedeberg. ward qm 8, Juni 1716 
inter großer Theilnahme', der Dresdener Behoͤrden‘ und vieler 
Fremden eingeweiht. In dem dortigen Kirchenbuche soll sich hier— 
iber auch die von dem Küster gemachte Bemerkung befinden: „Es 
'am ein starker Besuch von vielen Fremden; die sich über die 
Regularität der Kirche höchlichst verwunderten“. Bähr hatte sich 
durch diese beiden Kirchen unbedingte Achtung bei'm Rathe erworben. 
Außerdem werden dem Bähr noch verschiedene Privatbauten zu— 
geschrieben, von denen aber wohl noch sehr wenig vorhanden ist. 
stächstdem drängt sich uns nun die Frage auf: warum man zu 
»em großen Neubau der Frauenkirche gerade den einfachen, schlichten 
Zimmermeister Bähr vorschlug, wo es doch genug andere und 
derühmte Architekten an dem Hofe des Königs gab? Weßhalb 
richtete man sein Augenmerk nicht auf den berühmten Knöfel und 
varum ließ man selbst Pöppelmann, den genialen und berühmten 
Schöpfer der Dresdener Tuillerien, des großartigen Zwingerbaues, 
»ei Seite? Man war zur Wahl dieser Männer deßhalb nicht 
geneigt, weil beide in Folge ihrer Stellung in zu enger Verbindung 
nit dem Hofe standen und weil die Bürgerschaft Dresdens das 
janze Unternehmen als ihre eigene Sache ansahen, die Niemanden 
twäs anging und in die überhaupt Niemand hineinzureden hatte.“) 
Bähr war in Folge seines bescheidenen Auftretens bei den prote— 
tantischen Bürgern der beliebteste Architekt und seine Individualität 
chien am geeignetsten, den Bau in entsprechender Weise auszuführen. 
Er machte sich auch baldigst an die Arbeit und reichte schon 1723 
die ersten Pläne ein. Bähr hat es gewiß nicht geahnt, daß er 
nit Eingabe dieser Pläne einer trüben Laufbahn entgegenging. 
Wie bei jedem Bau, so wiederholt sich auch beim Bau der Frauen— 
irche die alte Erscheinung, daß er erst nach oft wechsel— 
eitigen Kämpfen und Meinungsverschiedenheiten zwischen Bau— 
jeber und dem ausführenden Architekten entsteht; nur ist hier noch 
»emerkenswerth, daß diese Meinungsverschiedenheiten bis zu den 
chärfsten Intriguen ausarteten. Bähr mußte große Opfer bringen 
ind er wäre vielleicht schon bei Zeiten untergegangen unter den 
Angriffen des Neides und der Bosheit, die man ihm namentlich 
von Seiten der scheelsüchtigen Hofbeamten in der ungerechtesten 
Weise entgegenbrachte, wenn er seiner Zeit nicht ein so geistig 
überlegener und besonnener Mann gewesen wäre. 
(Forts. folgt.) 
Ventilations-Anlagen für alle Stalleinrichtungen. 
(Hierzu 2 Fig.) 
Seitdem der große Werth der heilsamen Kraft der frischen 
Luft in geschlossenen Räumen zum Wohlbefinden der Menschheit 
inerkannt, haben sich die Bautechniker befleißigt, diesem früher zu 
wenig berücksichtigten Gegenstande der landwirthschaftlichen Bau— 
kunst ihre Erfindungskraft zu Theil werden zu lassen. 
Wenn auch schon der Aufschwung der Industrie die Mittel 
zur Erzeugung künstlicher warmer Luft, oder auch künstlich ge— 
zühlter Luft, sowie zur beliebigen Bewegung derselben gegeben, 
olieb dennoch die Art und Weise der Wirkung der frischen Luft 
nuf Menschen und Thiere die noch zu lösende Aufgabe. 
Betrachtet man die verschiedenen Arten der bisherigen Luft— 
bewegungen, als durch Gitter, Windrädchen, Jalousien ꝛc. ferner 
die eben so verschiedenen Punkte, sogar die entgegengesetzten, sowohl 
der Ein- als auch der Ausströmungen, so muß sich Jedem die 
leberzeugung aufdrängen, daß noch ein eifriges Suchen nach dem 
ichtigsten Prinzip der Luftwirkung stattzufinden habe. Daß dieses 
Suchen hauptsächlich seinen Grund nur in der Verhütung der Zugluft 
yei Förderung größerer Luftmassen hat, ist bekannt, deun das Ideal 
)er reinen Luft, wie es im Freien bei angenehmer Luft verwirk⸗ 
icht vorhanden, bleibt hei den bisherigen Einrichtungen unerreicht. 
Nur, diejenigen Menschen und Thiere erhalten bisher in ge— 
chlossenen Räumen frische Luft, welche sich in einer solchen künst— 
ich erzeugten Luftströmung befinden, während sie den außerhalb 
einer solchen Luftströmung befindlichen Menschen leider fehlt. 
Angesicht jener Uebelstände ergriff der Verfasser, weicher sich 
durch Ausarbeitung neuer und verbesserter Konstruüktionen von 
Privat- und landwirthschaftlichen Bauten viele Erfahrnngen über 
Bentilation in geschlossenen Räumen gesammelt und mehrfach zur 
Ausführung gebracht hat, die Gelegenheit, Versuche anzustellen. 
Zunächst stellte derselbe Vergleiche zwischen den Resultaten 
der massiv und Fachwerksbauten als Wohn⸗ und Wirthschaftsbauten 
cespektive Stallgebüͤude an, andenen sich bekanntlich nach den 
acuesten, Erfahrungen ergiebt: daß ‚namentlich in massiven Ge— 
äuden bei angewmessenen Temderatur-Bewegungen die Entwickelung 
und Erhaltung der Menschen und Thiere besser von statten geht, 
als in Fachwerksbauten, weil in ersteren meistens reine Luft und 
—R— 
Da nun aber die natürliche Windbewegling häufig eine zu 
ttarke ift, mitunter aber, wie. besonders an heißen Sommertagen, 
dieselbe deider gang aufhört so muß dann der Zustand · auch, in einem 
Fachwerksban ein sehr unvollkommenet sein. Die Sonuenstrahlen 
wirken dann zu intensiy auf die Fachwerkswände und die ˖ ent 
Unserer, Zejt wäre rine ähnliche Selbstständigkeit /der Bürgerscha⸗ 
ehr zu wünschen! Die Red.
	        

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