Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 43, Bd. 2, 1883)

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Die Entstehung und Baugeschichte der Frauen— 
kirche zu Dresden. 
Fortsetzung.) 
Höchst interessant ist der Bericht, den Bähr wohl noch an 
demselben Tage niederschrieb. 
Dieser Bericht findet sich in dem Anhang der „Nachrichten ⁊c.“ 
zedruckt. Der Bericht sagt gekürzt: „wie er (George Bähr) am 
17. August 1731 nachmittags nach 3 Uhren zu Ihro Majt. dem 
König durch einen Dero Cammer-Laqueyen vom Frauenkirchenbau 
gerusen worden, mit der Bedentung, die zu sothanen Bau gehörigen 
Risse mitzubringen. Allermaßen er sich nun sofort auf das Schloß 
in das Zimmer des Königs begeben. Als Bähr nunu seine Risse 
ausgebreitet, hätten Ihro Majt. gefragt: „warum er die Kirche so, 
wie aufm Risse, gesetzet, da keine rechte Entreé dazu wäre? Ich 
bedaure es und glaube, daß das Werk schon wird was kosten!“ 
Worauf Bähr geantwortet: „Es wäre so, wie Ihro Majt aller⸗ 
mädigst erinnert, allein er habe nicht anders, als nach dem 
pprobirten Risse bauen können.“ Ihro Majt. hatten dann noch— 
mals den approbp. Grundriß eine Weile angesehen und unter an— 
derem gesaget: „Das ganze Werk könne nun freilich nicht geändert 
verden, jedoch sähen Sie gerne und wollten haben, daß das 
Ddaupt⸗Portal gegen Mittag und der Altar gegen Mitternacht zu 
tehen käme. Es würde dieses soviel nicht kosten; der Herr Obrist— 
ieutenant Pöppelmann, so mit im Königl. Zimmer gewesen, 
jabe gemeinet, man könnte das Steinwerk wieder alles gebrauchen. 
Das heißt soviel, als man kann ja alles wieder einreißen; es war 
dies ein schlechter Zug von Pöppelmann, wir müssen aber be— 
enken, daß er dem Bähr feindlich gegenüberstand, denn er war 
der Vertreter von Knöfel. Den geringsten Umänderungsausspruch 
des Königs benutzte Pöppelmann sofort zur Verkleinerung Bähr's. 
Daraufhin hätten Ihro Majt. ihn, Réferenten, angesehen und 
gefraget: Wie meint er? Worauf er geantwortet: „er fände, daß 
Ihro Majt. großes Recht hätten ꝛc., jedoch glaube er, wenn auch 
das Haupt-Portal allergn. verlangtermaßen auf die Mittagsseite 
zebracht würde, der Altar dennoch auf der Morgenseite und wo 
zr ietzo stünde bleiben könnte, weil man selbigen, wenn man in 
die Kirche träte, anf der rechten Seite sehen könnte und es dem 
Werke keinen Uebelstand gebe; er wisse andere Kirchen, die auch 
so gebauet wären.“ Hierauf hätte ihn der König sehr gnädig und 
freündlich angesehen, woraus er geschlossen, daß derselbe mit seiner 
Antwort zufrieden wäre. Weiterhin hätten Ihro Majt. noch gefragt: 
„Es wäre schade, wenn das Werk so sollte verstecket bleiben, denn 
s wird den Leuten schon was Rechtes kosten“. Dann hätte der 
König wiederholt den Grundriß verlanget und auch solchen dem 
dr. Obrist⸗ Liéutenant Pöppelmann die ietzige Hauptwache ge— 
diesen und gezeiget „wie man, wenn solche weg wäre, die Kirche 
m Prospect wohl sehen könnte. Dann habe der König dem 
Obrist-Lieèut. befohlen, nebst Bähren zum Grafen v. Wackerbarth 
zu gehen und demselben mitzutheilen. daß er wünsche. daß die 
Dauptwacht weg sollte. 
Hierauf fuhr Bähr in einer Königl. Karosse zum Grafen 
». Wackerbarth, um demselben des Königs Wunsch zu vermelden. 
Wackerbarth mag sich in einer höchst unangenehmen Situation be— 
iunden haben, als er hörte, daß sein Lieblingsgebäude, die quer 
hor der Kirche befindliche Wache des Corps de Garde ver-— 
schwinden sollte; so etwas hatte er nicht erwartet. Er war, wie 
man sagt, ganz verblüfft, so daß er sich Wein kommen ließ. Der 
Schluß von dem Bähr'schen Bericht sagt, wie er mit dem Grafen 
»on Wackerbarth lange Zeit über das Werk und was Ihro Maijit. 
allergn. Intention sey, so deutsch als französich gesprochen ꝛc. 
Ihro Excell. hätten ihm darauf ein Glas Wein auf die Gesund— 
seit Ihro Majt. des Königs und glücklichen Ausgang des Frauen— 
Kirchen-Baues zugebracht und ihn dabey Herr Bau⸗-Collega ge— 
heißen, mit dem Zusatze: Er sollte nicht echappiren. ine sterben. 
zis der Bau fertig wäre ꝛc. 
In dieser ganzen Relation sehen wir also, wie sich Bähr 
rechtfertigt und in klaren, beweiskräftigen Worten dem König seine 
Ansicht darstellt, und wir sehen, wie der König mit Bähr's Ver— 
heidigung wohl zufrieden und von der Wahrheit der Bähr'schen 
AUnsichten überzeugt ist. Vor allen Dingen mag es wohl aber das 
geistesbewußte und doch bescheidene Wesen Bähr's gewesen sein, das 
den König zu Gunsten Bähr's stimmte. Bähr ging, wie es seine 
Feinde nicht erwartet, siegreich aus der Audienz hervor, seine 
Begner aber gedemüthigt. Dieser ersten Audienz folgten noch 
mehrere, welche alle zum Vortheil Bähr's ausfielen. August d. St. 
hjatie sich bis zu seinem 1733 erfolaten Tode für dieses Werk 
außerordentlich interessirt 
Die Entstehung und Baugeschichte der Frauenkirche zu Dresden. 
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Indessen, trotz der Protektion, die Bähr seitens des Königs 
genoß, wagten es seine Feinde dennoch, den Fortschritt des Baues 
in jeglicher Art zu hemmen. Bähr wollte ungeachtet der Intri— 
zuen weiter arbeiten, was ihm aber herzlich schwer gemacht wurde. 
da man immer wieder neue Gutachten von ihm forderte. 
Die Tagesfrage und das Tagesgespräch gipfelten wesentlich in 
den gegenseitigen Meinungsverschiedenheiten uͤber die Ausführung 
iud Vollendung der Steinkuppel. Am 22. Sept. 1733 reichte 
ruch der Generallieutenant Jean de Bodt ein vom Rath ver— 
angtes Gutachten ein. Jean de Bodt ist mit der Bähr'schen 
Tonstruktion vollständig einverstanden, trägt aber gegen die Aus— 
ührung, der Laterne und Pyramide in Stein großes Bedenken 
ind räth, dieselbe lieber aus Holz mit Bleibedeckung herzustellen. 
Frerner meint Jean de Bodt, dieses Material (mit welchem Bähr 
aue) zu verwenden, sei nicht rathsam, da es nicht so hart und 
'onsistent sei, wie das italienische. Ebenso sprach sich der Raths— 
naurermeister Fehre sehr unbestimmt aus, er wäre eher für die 
dolz als für die Steinkuppel geneigt. Zu diesen Begutachtern 
sesellt sich noch der Steinmetzmeister Ebhardt aus Stolpen. Er 
var ein angesehener Mann und auf sein Wort wurde schon etwas 
BSewicht gelegt. Er ist in seinem Gutachten für die Steinkuppel. 
Es wird freilich gesagt, daß dies gewissermaßen nur aus speku— 
ativen Rücksichten geschehen sei, da er beim Bau als Steinmetz 
neister jedenfalls viel Verdienst hatte. Man hat sich auch nicht 
zescheut, zu behaupten, daß er den Rathszimmermeister Bähr um 
herschiedene Summen betrogen habe. 
Auffallend ist es, daß man den Oberlandbaumeister Knöfel 
nicht zum Begutachter hinzuzog, er wurde nicht um Rath gefragt. 
SZeit der siegreichen Audienz Bähr's scheint er etwas zurückgesetzt 
vorden zu sein, er versteckte sich aber und lauschte, ob sich das 
janze Unternehmen zu seinen Gunsten wenden würde, in welchem 
gau⸗ er selbstverständlich alles mögliche gethan hätte, um seinen 
egner Bähr an den Pranger zu stellen. Auf alle Beschuldigungen 
drachte nun Bähr seine Rechtfertigung und wies mit der ihm 
nnewohnenden Geistesgegenwart wissenschaftlich und überführend 
die Haltbarkeit seiner Konstruktion nach, wobei er haupfisächlich 
»etonte, daß die ganze Figur der Kirche eine gesetzte Pyramide 
harstelle, ein Bau von dieser Konstruktion habe vielmehr Kraft 
um Tragen, als ein solcher, welcher grade in die Höhe aufgeführt 
vürde, denn das centrum gravitatis zertheile sich sehr vielmal 
ind verhindere das Ausschieben des Zirkels, welchem so wie so 
urch die 4 Thürme vorgebeugt sei. Die 8 Pfeiler formirten den 
Zirkel und Kranz zur innern Kuppel, und diese scheinen auf ihnen 
u ruhen, diese Pfeiler aber seien jeder mit 2 starken Spiramen 
s'also Pfeiler und Bogen, welche den Druck der Kuppel nach außen 
uuf die Fundamente vertheilen soll) von den Thürmen und Haupt— 
nauern versehen und unter allen Emporkirchen mit starken wo 
zusammengehangen und mit starken Ankern verwahrt. Die meiste 
Last der Hauptkuppel ruhe daher auf den Spiramen und nicht 
allein auf den 8 Pfeilern, und die Kraft zum Tragen mache mehr 
denn 24 solcher Pfeiler aus. (Bei dem Worte Spiramen wird 
man lebhaft an den Bau der Augustusburg auf dem Schellenberg 
eꝛriunert. Herr Prof. Dr. Steche erwähnt diese Thatsache einmal 
n einem seiner Vorträge. Bekanntlich änderte Kurfürst August 
vährend des Baues der Augustusburg seinen Plan und verlangte 
non Lotter eine Pointirung der Ecken des Gebäudes durch Thürme. 
Um diese Thürme, welche August wünschte überhaupt ausführen 
zu können, war Lotter gezwungen, im Keller und Parterre Mauer— 
herstärkungen vorzunehmen, was er dadurch erreichte, daß er im 
Innern nächträglich Pfeiler aufführte, dies ganz besonders, um der 
Fähigkeit größere Lasten aufzunehmen gerecht zu werden. Hierbei 
st es interessant, zu hören, wie in dem Briefwechsel zwischen Lotter 
ind dem Fürsten in Bezug auf diese Angelegenheit ebenfalls der 
Ausdruck Spiramen zur Sprache kommt.) 
Endlich, am 17. August 1733, erhielt Bähr die definitive 
krlaubniß, die ganze Kuppel von unten bis oben in Stein aus— 
uführen, mit dem Vorbehalt, daß die Laterne in Holz auszuführen 
ei. Bähr übernahm nun in uneigennütziger Weise die praktische 
Lusführung der Kuppel gegen das Akkordquantum von 19,000 Thlr. 
kr setzte den Bau der oberen Kuppel ununterbrochen fort und die 
Baupolizeibehörde schien sich in dieser ganzen Zeit wenig um den 
Bau zu kümmern. Auch wird unterdessen am 88. Febr. 1734 die 
dirche für den Gottesdienst feierlich eingeweiht, ungeachtet des an 
diesem Tage über die Stadt hereinbrechenden orkanartigen Sturm— 
vindes. Die Chronisten berichten, daß der Superintendent Dr. Löscher 
nit vernehmlicher Stimme, so daß man ihn bei dem sonst so 
jeftigen Sturmwinde dennoch überall deutlich hören konnte, 21/, Stunden 
gepredigt habe. Die ganze Feier begann früh 7 Uhr und endete 
rst gegen Vtittaag 12 Uhr. Bähr dlaubte seinen Kuppelbau un—
	        

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