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Die Entstehung und Baugeschichte der Frauen—
kirche zu Dresden.
Fortsetzung u. Schluß.)
Es war gerade in der Zeit seines Patentes, als Chiavari
»om König zum Baumeister der katholischen Kirche ernauut wurde.
Plötzlicher Stolz, Eifersucht oder Verrath mögen wohl die Ursachen
in den Verirrungen gewesen sein, die er in seinem Gutachten zu
Tage förderte. Chiavari war sonst nie bestechlich, er wies Allen
die Thür, zeigte Alle an, die es je wagten, ihn zu bestechen. Das
ieblose Urtheil, welches er nun über Bähr und sein Werk verhängt,
st gewissermaßen später auf ihn selbst übergegangen, zur Zeit,
als“ das Gerücht von dem zu befürchtenden Gewölbecinsturz der
'atholischen Kirche in der Stadt verbreitet wurde, bis Rafael Mengs
diese Thorheit aufklärte. Dieser Chiavari spricht in seinem Gut—
ichten zuerst von der Rechtfertigung Bähr's und mit unbegreiflicher
Hefühllosigkeit sucht er Bähr's Vertheidigung, welche er uüngescheut
itirt und in das Lächerliche zu ziehen sucht, zu zersplittern. Er
agt z. B.: „es sei ein Werk von viel zu schwachen Pfeilern, von
chlechter Manier, holländisch und interimistisch.“ Chiavari warf
die theoretischen und statischen Gesetze Bähr's vollständig über Bord
ind fährt in seinen Beleidigungen gegen Bähr weiter fort, während
etzterer in seiner Vertheidigungsschrift dem Chiavari ziemlich deutlich
agt: „Ich glaube aber doch mit der Hülfe Gottes und vermöge derer
Regel der Baukunst die Kuppel zu vollenden.“ Chiavari jedoch
reibt mit diesen Worten seinen Spott und spricht: „warum sagt er,
ch glaube doch, warum sagt er nicht, ich glaube gewiß?“. In gleichem
Tone fährt Chiavari fort: „mit der Hülfe Gottes! Was heißt das?
Mit der Hülfe Gottes kann man auch Unmögliches schaffen“. Fer—
ner tadeit er die Unwissenschaftlichkeit des Bähr'schen Verfahrens,
denn „derer Regel der Baukunst“, meint Chiavari, das hieße gescherzet,
veil Bähr niemalen ein Bauverständiger gewesen, wie man dies
aus seiner Arbeit sehen könne; die Kuppel sei so gefertigt, daß sie
einfallen müsse. Am Schlusse fällt es dem Chiavari gar ein, zu
agen, es würde das Sicherste sein, wenn die ganze Kuppel bis zum
Tambour vollständig abgetragen und man darauf eine elegante leichte
und graziöse Kuppel setze. Ja, Chiavari geht noch weiter, indem
er sagt, man möge auch die innere Kuppel abtragen. um eine über—
viegende Last des Baues zu entfernen ꝛc
Kurz, ein Gutachten der raffinirtesten Art. Glücklicher
Weise blieb dieses Gutachten durch David Schatz's Dazwischen—
treten unbeachtet. David Schatz fühlte sich noch einmal berufen,
die ganze Sache ernsthaft in die Hünde zu nehmen. Schatz begann
im 4. August 1738 seine Lokaluntersuchung unter Begleitung des
Ober-Consist.-Präsidenten, des Superintendenten, des Buͤrger—
neisters und des Stadtsyndikus, sowie zweier Maurermeister und
3 Gesellen, welche an dem Frauenkirchenbau schon von Anfang an
hetheiligt waren, zunächst damit, daß er den ganzen Bau von
Stein zu Stein, von Grund an bis oben hinauf genau untersuchte.
Zuerst sorgsame Prüfung des starken Grundes; jede Lagerung,
ede Schicht wurde geprüft. Schatz erkundigte sich genau uach der
Zeit und nach der Temperatur, in welcher die Steine eingefügt
vurden. Ferner erfolgte genaueste Erkundigung nach dem Material
und allen Bindemitteln. Wer beim Aufgang in die Kuppel die
nneren Kuppelwände aufmerksam betrachtet, wird einige feine Risse
bemerken, über diese urtheilt Schatz, daß sie daher kämen, daß die
Putzrouten zu zeitig ausgekratzt seien. Es sind sehr feine Risse,
vielleicht von der Stärke eines Messerrückens. Hierbei betont
Schatz noch besonders, daß diese Schäden aber von keiner bedenk—
ichen Bedeutung seien und daß sie nicht durch Baufehler, sondern
zum Theil durch den Druck, welchen einzelne Quadern von etwas
veicherer Steinart zwischen den härteren erlitten hätten und an
velchen deshalb kleine Schaalen abgesprungen, entstanden seien.
Die Beschädigungen an einigen Pfeilern, meint Schatz, seien
iamentlich durch die ungeheure Last des zu Aufführung der oberen
cuppel innerlich aufgesetzten Gerüstes (zu welchem übrigens
700 Stämme Bauholz und 100 Schock Bretter gebraucht, auf
velches Gerüst sodann viele Tausend Stück große Quadersteine ⁊c.
mit Karren und Pferden hinaufgefahren und theilweise zu großer
Erschütterung des Gebäudes abgeworfen worden sein möchten) her—
beigeführt worden. Diese Schäden könnten jedoch leicht reparirt
verden. Interessant ist, daß Schatz die Belastung der Kuppel
nit in das Bereich seines Gutachtens zieht und sagt, daß, wenn
die große Last des Gerüstes mit den noch darauf liegenden mehreren
dundert Fudern Schutt ꝛc. weggeräumt werde, eine weitere schäd—
iche Drückung nicht zu befürchten sei. Außerdem könne jeder un—
»afsionirte Bauverständige gar wohl erkennen, daß Bähr ein ver—
tändiger und geschickter Baumeister gewesen sei.
Mit diesen Untersuchungen hatte Schatz das Material, um
die Geaner Bähr's aus dem Sattel zu heben. Schatz schrieb ein
Die Entstehung und Baugeschichte der Frauenkirche zu Dresden.
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Butachten von 16 Folioseiten, mit welchem er Chiavari allerdings
vissenschaftlich lächerlich machte und dessen architektonischen Ruͤf
hedeutend schädigte. Schatz bewies die unbedingte Haltbarkeit der
Bähr'schen Kuppel mit der schärfsten Darlegung, und alle An—
gzriffe und Verleumdungen qegen Bähr mußten sich gehorsamst
zurückziehen.
Die Kirche besaß immer noch keine Laterne; nach der Begut—
achtung Schatz's wurde höheren Orts beantragt, die Kirche so, wie
ie sei, zu lassen und Schatz's Vorschlag gemäß statt der von Bähr
entworfenen Laterne mit steinernem Obelisken ein Observatorium
—
Viele die Idee eines astronomischen Observatoriums an dieser
Stelle nicht für eine recht künstlerische Idee hielten.
Nach vielem Berathen wurde endlich 1740 die Erlaubniß
zjegeben, die Laterne in Stein so auszuführen, wie wir sie noch
jeute sehen, deren hölzerne Haube mit Kupfer bedeckt und ani
27. Mai 1743 den goldenen Knopf erhielt, in welchen eine Gedächt—
nißschrift und mehrere, in demselhen Jahre gevpräͤte Münzen gelegt
wurden.
—A
vollendet worden. Vergleichen wir nun die verschiedenen Kosten-
inschläge, so finden wir gewaltige Differenzen. Als Bähr den
ersten Kostenanschlag von 103 000 Thlr. einreichte, schlug man die
hände über dem Kopf zusammen, und zuletzt betrug die genaue
Zusammenstellung sämmtlicher Kosten 288 000 Thlr. 13 Groschen
*/ Pfennig. Es ist bewundernswürdig, wie Bähr es angefangen
hjat unter den fortwährenden Intriguen immer größere Summen
zu verlangen. Bähr hatte eine ungemein schwierige Stellung, nur
nühsam gelangte er an sein Ziel. Seine Ehrlichkeit und sein
hiederes Wesen waren sein Schutzpanier.
Der unvermögende Bähr muß ungemein große Liebe zu
einem Bau gehabt haben, so hat er z. B. 100 Thlr. aus seinen
HPitteln dazu gegeben, damit nur die Gemälde der inneren Kuppel
tach seiner Idee ausgeführt wurden. Trotz seiner freiwilligen
Spenden hat man ihn auch noch des Betruges zu beschuldigen
gesucht. Fragen wir nun nach seinem Lohn, so war derselbe kärg—
ich genug. Der Rathszimmermeister Bähr erhielt bis zum Jahre
735 als Architekt und Bauleiter der Frauenkirche wöchentlich
2 Thlr., dafür hatte er jedenfalls auch noch verschiedene Garantien
u übernehmen, desgl. Pläne, Modelle ꝛc. einzureichen, obendrein
noch Zeitverlust und Aerger. Nach den archivalischen Mittheilun—
jen scheint Bähr doch nicht ganz ausgekommen zu sein, denn die
Hesammitansprüche der Bähr'schen Erben beliefen sich nach ihrer
Angabe auf über 3000 Thlr. Diese wurden aber durch einen
m Jahre 1755 getroffenen Hauptvergleich mit einer kostenfreien
Summe von 500 Thlr. beseitiat. der Erbprozeß selbhst dauerte
zegen 17 Jahre.
23 Jahre waren seit dem Tode Bähr's vergangen, als das
nerhängnißvolle Jahr 1760 heranrückte, welches sein großes
Werk in gefahrvollster Weise bedrohte, welches aber zu gleicher
zeit einen neuen evidenten Beweis der Rechtfertigung des großen
dünstlers gab. Es ist das Jahr des Dresden so schwer heimsuchenden
Bßombardements. Am 19. Juli flogen nicht weniger als 1400 Ge—
chosse in die Stadt, so daß mancher schöne Bau zertrümmert
vurde und in Flammen aufging, aber der eine Bau, auf den es
er alte Fritz ganz besonders abgesehen hatte, blieb wacker stehen.
Ohnmächtig prallten die schweren Geschosse von der Kuppel ab,
ie leistete hartnäckigen Widerstand. Die Kugeln kamen mit un—
seheurer Wucht über die Pillnitzer Straße hergeflogen, was aber
jas Werk Bähr's durchaus nicht genirte. Die Kugeln prallten
vieder ab und wütheten desto grimmiger in den Nachbarhäusern.
xs leuchtet ein, daß die erfolglose Beschießung der Kirche die
Angst und den Schreck vor dem, der nächsten Nachkommenschaft
o gewiß und baldigst angedrohten Einsturz vollständig beseitigte.
„Mit Recht“, sagen die Chronisten, „konnte der Prediger
m ersten Gottesdienst nach der Belagerung sagen, unsere Kirche
st von unten an bis oben gewissermaßen nur ein Stein.“ Eine
chöne Symbolik, und in der That steht dieser Bau in seiner Art
jast einzig da, da er nicht das mindeste Holzwerk besitzt. sondern
Alles aus Stein, Eisen und Blei besteht.
Die „Nachrichten“ ꝛc. bemerken indessen ausdrücklich, daß wir
ins nicht verhehlen dürfen, daß, wenn auch das Bombardement
die steinerne Kuppel weder durchdringen, noch zerstören konnte
was bei einer hölzernen Kuppel, trotz der sinnreichsten Konstruktion,
rfolgt sein würde), doch durch die Gewalt der Geschosse und die
Erschütterung des Gebäudes im Ganzen dieser Kirche immerhin
»einiger Nachtheil zugefügt worden sei. Desgl. konstatiren die
Bauverständigen, daß die gewaltsame Erschütterung der Kuppel
durch das Aufschlagen der Bomben den Wirkungen eines zwar
gelinden, jedoch lange anhaltenden Erdbebens zu vergleichen sei.
Was ist es wohl. was uns hei der Retrachtung dieser Kirche