Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 43, Bd. 2, 1883)

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Baugewerksmeister und Architekt. 
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so imponirt? Es ist zunächst die große Einfachheit! Aller reiche 
Schmuck ist weggelassen, weil er vollkommen entbehrlich ist, denn das 
Zanze wirkt schon durch die Harmonie der Verhältnisse. Diese 
rirche ist Repräsentant eines neuen Stils, dessen Blüthe aber leider 
hald im Keime geknickt wurde, und die bestimmte Einfachheit, 
welche Bähr angebahnt, verfiel bald darauf in die geistloseste Ver— 
flachung. Herr Prof. Dr. Hettner sagte einmal in einer seiner akade— 
nischen Vorlesungen: „trotz einzelner im Detail auftretenden HZopfigkeit 
ei das Ganze so groß, so mächtig aus sich selbst herausgewachsen, daß 
diese unsere Frauenkirche unbedingt neben dem Berliner Schloß 
hon Andreas Schlüter die glänzendste Leistung der deutschen Kunst— 
geschichte im Anfang des 18. Jahrhunderts sei.“ 
„Während wir“, wie Albert von Zahn betont, „in der katholischen 
kdirche die abschließende Leistung des italienischen Barockstils auf 
zeutschem Boden in seiner malerischsten und geschmackvollsten Er— 
cheinung kennen lernen, zeigt sich in der Frauenkirche die echt 
beutsche Tendenz nach rationeller Einfachheit, die, freilich nicht in 
der Dekoration, aber in der Konstruktion in unserer Frauenkirche 
einen zwar vereinzelten, wohl aber den genialsten Ausdruck gefun— 
den hat.“ 
Diuhr hat mit seinem Konstruktivsystem zugleich bewiesen, 
wie durch Einfachheit und Proportionalität aller Schmuck zu ent⸗ 
Jehren ist. Abgeschlossenheit, Einheit, Uebereinstimmung und Selbst⸗ 
ständigkeit sind bekanntlich Eigenschaften, welche die Gleichmäßig— 
keit repräsentiren und welche ünerläßliche Forderungen der Schön— 
heit sind. Das alles hat George Bähr gar wohl berüchsichtigt. 
Die Faktoren der Zweckmäßigkeit, Sicherheit und Dauerhaftigkeit 
der Bähr'schen Konstruktion begründen sich wiederum auf der Natur 
des dazu verwandten Materials und der Technik. Jeder bedeutende 
Fortschritt in Entwickelung der Architektur beruht auch auf dem 
Fortichritt in der Entwickelung der technischen Wissenschaft. Es 
am bei diesem Bau darauf an, ein schwieriges Problem zu lösen, 
ind wie schön hat Bähr den Schlüssel dazu gefunden. 
Bähr ist eine gewaltige Person, er kann in seiner 
Individualität mit Luther, Lessing und Winkelmann 
derglichen werden; mit Luther wegen seiner Erhabenheit 
uund Unerschrockenheit, die muthig dem vorgesteckten 
Ziele entgegenarbeitet, mit Lessing wegen der Schärfe 
des Verstandes, d. h. wegen der kräftigen, kritischen 
Beweisführung und mit Winkelmann wegen seines 
Sinnes für Wahrheit, ẽæ—r tie und Schönheit der 
unst, und daher gebü ste Ehre dem Gedächt— 
riß des vielgeprüften Geb— uhr. Th. Thürigen. 
Mittheilungen aus der Praris. 
Baugewerksmeister und Architekt. 
Lon geschätzter Seite wird uns geschrieben: 
Fine der hervorstechendsten Eigenthümlichkeiten der modernen 
Produktionsmethoden auf den meisten realen, ja sogar auf den 
dealen Schaffensgebieten ist die Theilung der Arbeit, ein Prinzip, 
dermöge dessen nicht eine Hand und der nämliche Kopf die 
Schöpfung eines Werkes vollbringen, sondern Mehrere daran mit— 
arbeiten, so daß Keinem die Urheberschaft des Ganzen, jedem aber 
die eines Theiles zukommt. Die Nachtheile und Vortheile dieses 
Systems sind bekannt; auch dürfte schwerlich Jemand bezweifeln, 
)aß es im Baugewerbe nur bis zu einem gewissen Grade durch— 
ührbar und foͤrderlich ist. Hauptgrundsatz ist und bleibt: die 
Arbeitstheilung gehört in die Fabrit, nicht in's Handwerk! Na— 
nentlich muß sie sehr mit Vorsicht angewendet werden bei einem 
Handwerk, welches gleichzeitig eine Kunst ist. Hier paßt kein 
Zchablonisiren. 
Die Werke der Baukunst werden geschaffen dadurch, daß die 
orgefaßte, auch soweit es angeht, riß- und zeichnungsmäßig fixirte 
und veranschaulichte Idee in der Sinnenwelt reell und ma— 
er iell verwirklicht wird. Da nun Geist und Körper, Idee und 
Realität, wie Feuer und Wasser verschieden sind, so schiene es 
m Baugewerbe eine natürliche und logische Nothwendigkeit zu sein, 
daß die eine Person die Idee des Bauwerks faßte, die andere fie 
körperlich ausführte. Es schiene demnach ein Syftem der Arbeits- 
heilung unerläßlich für die Schöpfuüngen des Baugewerbes, so 
aßt zum es gleich herauszusagen, die geistige Thätigkeit von einem 
Architekten, Baumeister oder wie er sich nennen mag, zu über⸗ 
nehmen wäre, während den hanptsächlich (kunste) handwerksmäßigen 
Theil. das physische Erbauen, der Maurer, Zimmer—⸗, Tischler-⸗, 
Schlosser⸗, Dachdecker- ⁊tc. Meister mit seinen Leuten vollführte. 
Diese Theilung der Arbeit nach dem physischen und deellen 
Gebiet ist unseres Erachtens für das Baugewerbe im Prinzip ver⸗ 
werflich; ersprießlich kann nur sein, daß der praktische Ausführer 
—B— 
keiten, die physische und die intellektuelle, von Kopf und Hand der 
rämlichen Person ausgehen. Natürlich stellen wir nicht die un— 
innige Forderung, der Meister solle selbst sein eigener nu dan 
Polier X. sein.s) Die Arbeitstheilung auf dem physischen Gebiet 
illein, und wenn dieses als Einheit betrachtet wird, ist so be— 
rechtigt als nothwendig, was nicht weiter ausgeführt zu werden 
»raucht. Der Meeister leitet und beaufsichtigt nur; des Gesellen, 
Lehrlings ꝛc. Hände sind seine eigenen Hände. 
In früherer Zeit gab es keinen speziell abgegrenzten Stand 
der Architekten oder Baumeister (welche die Idee des Bauwerks 
uu schöpfen gehabt hätten) gegenüber dem praktischen Meisterstand. 
Zeide Funktionen waren in derselben Person vereinigt und zwar 
uicht zum Schaden der Baukunst, wie so viele herrliche Denk— 
näler derselben uns überzeugend beweisen. Was ist auch wohl 
atürlicher und förderlicher, als daß derselbe Mann, welcher vor— 
ihnenden Geistes in seiner Idee das Bild eines Bauwerks zuerst 
chaute, dasselbe auch in die Wirklichkeit stellt? Sind beide Funk— 
ionen getrennt, so sind Mißverständnisse unvermeidlich, denn oft 
sat nur, wer die Idee zuerst konzipirte, die reinste und zugleich 
örperlichste Anschauung, die er durch Riß, Zeichnung, Maaß und 
Rechnung doch nur in matterem Bilde einem Andern, der die 
Idee ausführen soll, mitzutheilen vermag, so anerkennenswerth in 
sieser Beziehung auch die Fortschritte der Technik sind. Es wird 
ilso oft durch die Ausführung die Idee nicht treu genug wieder— 
jegeben, von anderen praktischen Mängeln und Bedenken gegen die 
Theilung der Funktionen des Baumeisters und des Bauausführers 
Jjanz zu schweigen. 
Erst die staatliche Büreaukratie mit ihrem hierarchisch ge— 
zliederten Beamtenheer schuf jene verwerfliche Arbeitstheilung 
wischen Baumeister und Bauausführer. Der bauende Fiskus 
»rauchte für seine zahlreichen Bauwerke und sein immobiles Eigen— 
hum besondere Aussichtsbeamte. Diese übernahmen dann allmälig 
nuch den künstlerischen, idealen Theil, und es hatte nach ihrer Idee 
Riß, Zeichnung ꝛc.) der praktische Baugewerkmeister die Aus— 
ührung des Bauwerks zu vollziehen. Die Folge dieser büreau— 
ratischen Schablone waren denn jene jammervollen Staatsbauten 
ilterer Zeit, die zum Theil noch stehen, soweit sie nicht beseitigt 
ind. Die Kommunen folgten dem Staate nach und bald gab es 
zuch besondere Stadtbaumeister. 
Daß solchermaßen der Baugewerkmeister aus seinem ureigen— 
hümlichsten Gebiet, nämlich dem ideenschöpferischem, gleichsam 
xpropriirt wurde, hatte neben anderen Ursachen (Verfall des 
Zunftwesens, Mangel der Zentralisation, politischen Druck ꝛc.) die 
chädliche Seitenwirkung, daß der Baugewerksmeister sich entwöhnte, 
jach eigenen Ideen zu bauen. Er ward abhängig in dieser Rich— 
ung von dem technisch geschulten Beamten, dem mit Amtswürde 
ehaͤngten Banmeister. Begierig riß dieser die sogenannte „Privat— 
»raxis“ an sich und fabrizirte auch für den Meister den Riß und 
esorgte das Rechnungsmäßige. Der Brotherr Staat (Kommune ꝛc.), 
»bwohl er sonst seinen Beamten ganz für sich haben will und 
Privatarbeiten (außer Schriftstellerei) und Nebenämter verbietet, 
ieß im Bauwesen dergleichen zu, vermuthlich, weil die maß— 
jebenden Baubeamten, welche zu verbieten gehabt hätten, selber 
ergleichen Nebenverdienst machten. 
Inzwischen aber raffte sich auch das praktische Baugewerk 
vieder auf. Treffliche Bauschulen privater Natur entstanden und 
s gedieh wieder die Pflege des Hauptstücks der Baukunst, der 
Idee, auch im bürgerlichen Baugewerbe. Der Staat selbst nahm 
diese Schulen zum Vorbild, um ähnliche für seine Beamten ein— 
zurichten und sucht sie neuerdings völlig an sich zu reißen, auch 
inter seine botmäßige büreaukraätische Aufsicht zu bringen. So 
zewährt der Staat vielen Baugewerkschulen, ihre Geldverlegenheit 
ind schlechte ökonomische Verfassung benutzend, nicht sehr erhebliche 
Zzuschüsse, läßt sich aber dafür sehr wesentliche Verwaltungs- und 
Lufsichtsrechte einräumen. Gern werfen sich solche Schulen dem 
Staat in die Arme, um von seinem Nimbus, womit er die Be— 
imten bekleidet, zu profitiren; die Abgangsprüfungen besonders 
cheinen durch Zuziehung von fiskalischen anne an Werth 
zu gewinnen, wenigstens in den Augen des Privatmannes, als 
»b bürgerliche Bauschulen, wenn man ihnen nur Zeit zur Ent— 
vickelung läßt, nicht mehr leisten würden, als reglementirte Staats— 
instalten! War es ein Staatsbaubeamter oder nicht vielmehr der 
ürgerliche Architekt Paul Wallot, der dem Reiche die Idee zu 
einem prächtigsten Palast schuf? Die Kunst ist frei und muß frei 
ein, sie läßt sich nicht in büreaukratischem Getriebe fortschieben 
ind in die Formulare des Beamten bannen. 
So wurde hauptsächlich in den letzten Jahrzehnten durch den 
Aufschwung der technischen Lehranstalten das Bauhandwerk nach 
der Richtung hin regenerirt, daß nun auch der Baugewerksmeister, 
H Ebenso selbstperständlich ist die Theilung des Bauhandwerks in 
Naurer⸗, Zimmer⸗, Klempner⸗, Schlosser⸗ ꝛc. Meister. Auch diese Arbeits— 
theilung liegt auf dem praktischen Gebiet.
	        

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