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Der Bautechniker im Landtag. — Schwimmende Leuchtthürme.
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her seine Zeit auch auf nur einer mittleren Bauschule benutzt
hat, im Stande ist, für die üherwiegende Mehrheit seiner Arbeiten
iuch den künstlerischen Theil selbst auszuführen. — Es hatte je—
doch neben der Wiedergeburt des Bauhandwerks die Vervollkomm—
rung der technischen Anstalten eine weitere wichtige Folge. Es
„ildete sich nämlich als eine Art Mittelglied zwischen dem Bau—⸗
zewerksmeister und dem beamteten Baumeister der Stand der
Ärchitekten, Ingenieure (Privatarchitekten, Zivilingenieure) und
Bauführer (im Gegensatz zum Regierungsbauführer, der bekannt—
lich Beamter ist); diese Männer haben sich einer privaten Erwerbs
dot gteit im Baufach gewidniet und den Staatsdienft verschmäht,
obwohl sie nicht selten gewisse Vorstufen desselben absolvirt haben.
Auch der Geschäftskreis des Architekten ꝛc. ist, objektiv betrachtet,
derselbe, wie derjenige der betreffenden Beamten des Staats—
dienstes, während die praktischen Leistungen der Privatarchitektur
die Werke der büreaukratischen Baumeisterei entschieden über—
ragen. Die Büreaukratie ist hier der Kunst gegenüber ohnmächtig,
ind so wenig wie ein Hofpoet oder ein Wirklicher Geheimer Ober⸗
hofpoet (mit dem Titel Excellenz) darum die besten Verse macht,
bensowenig ist ein Geheimer Oberbaurath darum schon ein ge—
nialerer Baukünstler, als ein titel- und ordensloser Privatmann,
sper sich selbst seine Diplome in den Werken seiner Kunst aus—
tellt.
wart ein potenzirtes Können und Wissen bedingen, wer wollte dies
mit Grund in Abrede stellen?
Soviel über das Verhältniß zwischen Baugewerksmeister und
Architekt im Allgemeinen. Im Folgenden sollen die rechtlichen
Beziehungen beider zu einander und des Bauherrn zu beiden er—
jrtert werden. 5.
Der Bautechniker im Landtag.
Korrespondenz aus Württemberg.
In der Stuttg. Landesztg. wurde der Württemb. Regierungs—
ehörde durch irgend einen berüfenen oder unberufenen Rathsertheiler
üngst in einem bezüglichen Artikel der Vorschlag gemacht, „man
nöchte in den Dienstvertrag der mit vierteljähriger Kündigung
ingestellten, durch die Amtsversammlung gewählten Bautechniker
den Passus aufnehmen, „daß durch eine Bewerbung um ein
Abgeordneten-Mandat Vertragskündigung stattfinde.“
Das lautet fast, wie wenn in dem kleinen Schwabenländchen
)as noch kleinere Landtägchen aus lauter Bautechnikern gebildet
väre, in Folge dessen etwa die Selbstständigkeit des Landes gefähr—
det sei! Sollte man nicht gerade umgekehrt schließen koönnen,
daß da, wo es auf die „Selbstständigkeit“ eines Gebäudes ankommt,
doch in erster Linie ein Baumeister anstatt eines Schneiders erfor⸗
derlich wäre? Nichts von alledem, gerade wie auch in anderen
»ekannten Gauen des „großen Deutschen Reichs“!
Es muß nun in Kürze bemerkt werden, daß unter 70
zewählten Abgeordneten nur 2 solche Bautechniker sind, und daß
iur mit Aufbietung aller Kräfte der „einsichtsvollen Wähler“ ein
Oritter durch einen Professor besiegt wurde, wie sich jener jeden—
alls ebenso einsichtsvolle Landeszeitungsschreiber ausdrückt. Nun
itzen aber noch 3 „höhere Techniker“ im Landtage; sind jene nach
einer Ansicht „höher berufen“, um für den Preis eines Abgeordneten—
Hdandats die Dienstpflichten hintan zu setzen, denn anders kann
ꝛs doch nicht gemeint sein, wenn man dem „weniger hohen“ Tech—
uiker bei Annahme eines Mandats mit Vertragskündigung winkt!
Von den vielseitigen Kenntnissen, die aber ein gebildeter
Techniker gerade in einer solchen Amtsfunktion von den Bedürf—
nissen des Volkes sich im Laufe der Zeit aneignet und wie sehr
gerade die bewährten Techniker vermöge ihrer praktischen Erfahrungen
zei den so vielfach vorkommenden Berathungen der Baugesetze ⁊c.
Piitglieder „von Werth“ für die Stünde-Bersammlung sind — darüber
zeht es jenem Korrespondenten, wie eben noch vielen Andern seines
Rleichen. weit über die Grenzen Schwabens hinaus g.
Der Architekt, von welchem wir hier handeln wollen, be—
schäftigt sich wesentlich damit, dem Privatpublikum gewisse, durch
heoretische Kunstkenntniß bedingte Arbeiten zu vermitteln, die als—
dann der Baugewerksmeister nebst seinen Leuten plastisch in die
Erscheinung treten läßt. Auch der letztere gehört, besonders bei
Bauarbeiten, für deren Entwerfung er sich nicht die nöthigen
Jahigteirn zutraut, zu den Kunden des Architekten. Oft auch
riti der Bauherr direkt mit diesem in Verbindung, läßt sich Riß
und Zeichnungen von ihm anfertigen und sucht alsdann den prak⸗
tischen Maurermeister ꝛc. auf, der Alles ausführen soll.
Es ist nicht zu leugnen, daß insofern der Stand des Privat—
Architekten, wie wir ihn beschrieben, eine Art von Nothwendigkeit
st, als nun der Kunde nicht mehr auf den büreaukratischen Staats⸗
‚aumeister angewiesen ist, dem doch schließlich sein Amt die Haupt⸗
ache bleibt, bezw. seine fixe Löhnung und welcher für die —
draxis nur gerade soviel Zeit übrig haben und nur soviel Mühe
uind Geisteskraft darauf verwenden wird, als ihm sein Amt übrig
läßt. Schlimm würde es um die Kunst stehen, wenn die Regie—
rungsbeamten ein Monopol auf auch die Bauten aller Bürger
zjätten. Erst wenn durchgängig auch der praktische Baugewerks—
neister über diejenigen technischen, theoretischen Kenntnisse verfügen
wird, welche die Plan- und Rißzeichnung, Maßberechnungen ꝛc.
zrheischen; wenn ferner erst durchgängig ein verallgemeinerter
Kunstsinn es bewirkt, daß auch den Ansorderungen, welche die
Architektonik in idealer und ästhetischer Hinsicht stellt, aus der
Mitte des praktischen Bangéewerks heraus genügt werden
kann — erst dann wird auch der Stand der Architekten seine Mission
in der Hauptsache wenigstens erfüllt haben. Schon giebt es zwar,
iamentlich in den Ceutren aller nationalen Bildung und den
Kulturwerkstätten des Volkes, den größeren Städten, gewiß sehr
biele Baugewerksmeister, welche allermeist bei ihren Arbeiten auch
hre eigenen Architekten sind. Jedenfalls solche, die es sein könnten.
Allein noch hat sich — eben wegen der Existenz eines besonderen
Standes der Architekten — der praktische Meister nicht durch—
zängig, zumal nicht in kleineren Städten, daran gewöhnt, die
rchitekturarbeit mit als seine Aufgabe und Arbeit zu betrachten;
ind ebensowenig würde der Bauherr gerade so gern dem Meister
solche Arbeit besonders vergüten, als er sie anstandslos dem Archi—
cekten bezahlt, der als Mittelsmann dazwischen tritt, mit der
draktischen Arbeit Nichts zu schaffen hat (vielleicht die Uebernahme
der Bauaufsicht ausgenommen) und deshalb für seine Leistung
doch nothwendig ein Entgelt bekommen muß. Es ist ferner als—
dann der Architekt dermalen kaum zu umgehen, wenn der Bauherr
»en Bau nicht im Ganzen, sondern nach Materien vertheilt ver⸗
»ingt; hier würde zwischen den verschiedenen Meistern (Maurer-,
Zimmer- ꝛc. Meister) eine Kollision eintreten können. — In den
kleineren und mittleren Städten ist nicht durchgängig, nament—
lich nicht bei den Baugewerksmeistern der älteren Schule (trotz
ibgelegter Gesellen- und Meisterprüfung der Innungszeit), der—
jenige“ Grad theoretischer Ausbildung vorhanden, welchen die ra—
piden Fortschritte der neueren Entwickelung verlangen, so tüchtig
ene alten Meister auch in ihren bürgerlichen Bauarbeiten, na—
mentlich im Praktischen und in der soliden Ausführung, sind
— Eigenschaften, welche leider nicht selten an den Meistern der
Theorie mehr oder weniger vermißt werden. Daß aber der mo—
zerne Geschmack oft geradezu raffinirte Anforderungen an die Lei—
stungsfähigkeit der Ängehörigen des Baugewerbes stellt und daß
die geiteigerten Bedürfnisse und der verfeinerte Lurus der Gegen—
Schwimmende Leuchtthürme.
Wenn Leuchtthürme versinken, wie es s. 8. an der Weser—⸗
nündung vorkam, so ist die Idee für schwimmende Leuchtthürme
edenfalls für Handels- und Marinekreise eine sehr interessante.
Der Gedanke klingt übrigens abenteuerlicher für uns Bautechniker,
As er in Wirklichkeit ist, und dürfte es daher den Lesern d. Bl.
rwünscht sein, über dies neueste Projekt zu erfahren, was enalische
Fachzeitschriften darüber schreiben:
Das Projekt schwimmender Leuchtthürme wird neuestens von
en technischen Autoritäten jenseits des Kanals eingehend erwogen.
ẽs haändelt sich um die Erbauung und praktische Verwendung
chwimmender Tiefsee-Leuchtthürme. Ein solcher Bau würde aus
johlvernietetem Eisenwerk in Form eines großen Cylinders von
twa 36 Fuß (engl.) Durchmesser und 290 Fuß Länge konstruirt
verden und im Wesentlichen aus 3 Theilen bestehen. Der obere,
is zu einer Höhe von 140 Fuß sich über die Wasserlinie erhebende
Theil des Cylinders würde ganz in Bezug auf, Gestalt und Ein—
ichtung den üblichen Leuchtthürmen gleichen. Daran schließt sich
er zweite Theil, etwas oberhalb der Wasserlinie beginnend und
n proportionalem Verhältnisse unter dieselbe hinabreichend. Dieser
Theil soll mit einem Material gefüllt werden, welches bedeutend
eichter als Wasser ist, also z. B. Korkholz, und hinreichende Trag—
ähigkeit besitzen, um die Bezeichnung des Baues als eines „schwim—
nenden Leuchtthurms“ zu rechtfertigen. Der untere Theil endlich
oll bis zu 100 Fuß Tiefe reichen, der treibenden Kraft von Wind
ind Wogendrang Widerstand leisten und als Ballast den Schwer—
nittelpunkt des ganzen Baues reguliren. Solche schwimmenden
deuchtthürme nun sollen in größern Entfernungen vom Lande aus
jelegt, mittelst mächtiger Stahldrahttaue und Anker von je 200 Ton-
jen Gewicht am Meeresgrunde verankert und in solche Positionen
sebracht werden, daß jedes Ankertau, um den nöthigen Spielraum
zerzustellen, etwa die dreifache Länge der örtlichen Meerestiefen
rhaͤlt. Indem nun jeder derartig festgelegte Tiefsee-Leuchtthurm
nit dem Festlande in Verbindung gesetzt wird, hofft man die im
Interesse der meteorologischen Wissenschaft und nautischen Praxis
8 außerordentlich wünschenswerthe Einrichtung stationärer Beobach⸗