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Bauprozesse und Entscheidungen. — Konkurrenzwesen. — Literaturbericht.
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„Im Termine zur Zwangsversteigerung eines Grundstücks wurde
mit diesem zugleich eine Forderung aus der Feuerversicherung eines
auf dem Grundstücke befindlich gewesenen abgebrannten Gebäudes aus—
geboten. Der Kläger A. blieb Meistbietender und erhielt deu Zuschlag,
ohne daß dagegen von Seiten der anwesenden Interessenten, darunter
war der Subhastat, Widerspruch erhoben wurde. Das Zuschlagsurtheil
schlug dem Kläger das Grundstück für das abgegebene Meeistgebot zu,
ohne die mitausgebotene Forderung zu erwähnen. Der Beklagte
ließ dieselbe nachträglich wegen einer ihm gegen den Subhastaten
zustehenden Forderung pfänden. Dagegen erhob A. Klage auf An—
erkennung seines durch das Zuschlagsurtheil erworbenen Rechts
auf die Fenerversicherungsgelder und Aufhebung der Pfändung
Auf Grund dieser unangesochtenen und, soweit ersichtlich, unangreif—
baren thatsächlichen Feststellung hat der Berufungsrichter das nach
dem Klageantrage verurtheilende erste Erkenntniß bestätigt. Die ein—
gelegte Revision konnte keinen Ersolg haben, weil die angegriffene
Entscheidung auf der ihr gegebenen thatsächlichen Unterlage gerecht—
fertigt ist. Thatsächlich fest steht, daß nach Absicht der Inter—
essenten der Kaufgegenstand der Zwangsversteigerung bestehen sollte
nicht blos aus dem Grundstücke, sondern auch aus der streitigen
Forderung nicht minder, daß also das Meistgebot insgesammt für
beide Gegenstände abgegeben wurde. Daß die Realgläubiger, denen
nach 8 30 Ges. vom 5. Mai 1872 über den Grunderwerb die dem
Eigenthümer zufallenden Versicherungsgelder für abgebrannte Ge—
bäude verhaftet sind, befugt waren, die streitige Forderung zum
Verkauf zu stellen, kann hier um so weniger zweifelhaft sein, als
es geschehen ist mit Zustimmung des Subhastaten. Es kaun des—
halb dahingestellt bleiben, ob es, von dieser Zustimmung abgesehen,
einer besonderen Beschlagnahme der Forderung bedurft hätte, oder
ob sich auf dieselbe als Zubehör des Grundstücks die im 8 9 der
Subh.O. v. 15. März 1869 ausgesprochene Wirkung der Einlei—
tung der Subhastation miterstreckt hatte. Die Verhandlung im
Versteigerungstermin findet aber ihren Abschluß erst durch das
Zuschlagsurtheil und deshalb ist weiter zu untersuchen, ob durch
dieses, obwohl es die streitige Forderung nicht erwähnt, die—
selbe doch dem Kl. übereignet worden ist. Wenn, wie hier, über
die Ertheilung des Zuschlags kein Streit obwaltet, so ist, wie der
Berufungsrichter zutreffend ausführt, das Zuschlagsurtheil lediglich
deklaratorischer Natur. Es ist beschränkt auf die Aufgabe, daß Er—
gebniß des mit Abschluß der Versteigerungsverhandlung hinsichtlich
der Willensübereinstimmung der Kontrahenten vollendet gewordenen
Kaufgeschäftes zu fixiren und eine Bestätigung des Zuschlages aus—
zusprechen unter denselben Voraussetzungen und Bedingungen, die
seiner Ertheilung im Bietungstermin zu Grunde lagen — wenn
im Uebrigen die gesetzlichen Vorschriften für die Zwaugsversteige—
rung beobachtet worden sind (840 der Subh-O.). Daher ist zu
vermuthen, daß auch im vorliegenden Falle das Zuschlagsurtheil
dieser seiner Aufgabe hat gerecht werden und den Kaufgegenstand
nicht anders hat bestimmen wollen, als es vorher geschehen war.
Die Annahme, es sei die streitige Forderung aus Versehen über—
gangen, liegt auch um so ferner, als dasselbe Gericht, welches die
Versteigerung leitet, das Zuschlagsurtheil zu erlassen hat (Nr. 9
Ges. vr 4. MNärz 1879, betreffend die Zwangsvollstreckung in das
unbewegliche Vermögen). Muß also davon ausgegangen werden
es habe der Zuschlagsrichter auch die streitige Forderung dem Kl
übereignen wollen, so ist nur noch zu prüfen, ob dafuͤr ein ge—
nügender Ausdruck vorhanden ist. Dabei bedarf es wiederum nicht
der Erörterung der Fräge, ob der Anspruch auf Feuersicherungs—
gelder durch die Einleitung der Subhastation von selbst Zubehör
des Grundstücks wird, und im Verneinungsfalle dieser Frage, ob
es, wenn die streitige Forderung als selbstständige Sache anzusehen
gestattet sein würde, im Wege der Interpretation die fehlende Be—
stimmung im Zuschlagsurtheil zu ergänzen. Denn, wenn die For—
derung nicht unmittelbar aus dem Gesetze Zubehör des Grundstücks
war, so ist es durch den Willen der Berechtigten geworden. In
dem Verfahren, welches lediglich bestimmt und geregelt ist für den
Zwangsverkauf unbeweglicher Sachen und sich von dem für die
Zwangsvollstreckung in beweglichen Sachen unterscheidet, konnte die
Verbindung der streitigen Forderung mit dem Grundstücke zu einem
Kaufgegenftande nur die Bedeutung haben, daß die bewegliche Sache
zu der unbeweglichen in das rechtliche Verhältnißß eines Zubehörs
treten solle. Deshalb hat das Zuschlagsurtheil ordnungsmäßig
verfahren, indem es sich von dieser Auffassung leiten ließ und nur
die Hauptsache als Gegenstand des Zuschlags bezeichnete. War der
Beklaͤgte Realgläubiger, so muß er dieses Urtheil wider sich gelten
lassen, weil er es hat rechtskrästig werden lassen. Als Personal⸗
gläubiger fehlt ihm nach Lage der Sache jede Legitimation, das
zwischen seinem Schuldner und seinen gesetzlich bevorzugten Gläu—
bigern vor der Pfändung getroffene und ausgeführte Abkommen
anzugreifen.“
Die neue Baupolizeiordnung für Berlin, über
die ein Jahrzehnt lang zwischen dem Magistrat und dem Polizei—
hpräsidium verhandelt worden ist, wird nunmehr, wie man mittheilt,
noch im Laufe d. Mts. (resp. Anfang Juli) veröffentlicht werden.
Sie liegt augenblicklich dem Minister des Innern zur Unterschrift vor.
Der Widerstand, den die neue Bauordnung gefunden, hatte bekanntlich
einen Grund in den nicht unerheblichen Beschränkungen der Rechte
der Hausbesitzer. Nicht nur, daß die Benutzung der Räume in
»em Hofe wesentlich beschränkt worden, auch die Kellerwohnungen
ind den Anforderungen, die heute an die Sanitätspolizei gestellt
verden, angepaßt, die Fenster müssen bedeutend höher als bisher
iber der Erde sein, wie denn überhaupt die Keller bei Weitem
nicht so niedrig, als es bis jetzt der Fall war, angelegt werden
»ürfen. Auch die Bestimmungen über die Höhe der Häuser weichen
yon den bisherigen Vorschriften erheblich ab, so daß über der
dierten Etage keine Dachwohnungen mehr möglich sein werden.
Wir werden später Veranlassung haben, auf den Gegenstand zurück—
ukommen.
Konkurrenzwesen.
Konkurrenz Ausschreiben. Für die Beschaffung gene—
eller Entwürfe zum Nenbau der evangelischen St. Petri-Kirche
iuf dem Schillerplatze zu Chemnitz für den Preis von 450000 Mt.
vird hiermit eine allgemeine Konkurrenz unter den Architekten
Deutschlands eröffnet mit dem Bemerken, daß für die besten Pläne
Prämien ven 3500 Mk., 2500 Mk. und 1000 Mk. gewährt wer—
den, und daß das Preisrichteramt von den Herren Architekten
Stadtbaurath Friedrich in Dresden, Geheimer Regierungsrath
Hase in Hannopoer und Professor Raschdorff in Berlin über—
iommen worden ist, denen noch die Kirchenvorstands-Mitglieder:
derr Brandvers.-«Inspektor Fuchs und Herr Baumeister, Professor
Bottschaldt, beide in Chemnitz, als berathende Meitglieder bei—
gegeben sind.
Diejenigen Herren Architekten, welche sich an der obigen
Kenkurrenz zu betheiligen gedenken, werden ergebenst ersucht, das
hierüber festgestellte Konkurrenz-Programm nebst Konkurrenz-Be—
dingungen, welche Schriftstücke von den Herren Preisrichtern
genehmigt worden sind, aus der Pfarramts-Expedition zu St.
Petri, Mauerstraße No. 5 in Chemnitz, unter genauer Angabe
der Adresse beziehen zu wollen.
Chemnitz, den 15. Juni 1883.
Der Kirchen-Vorstand zu St. Petri.
Gutzschebauch.
Literaturbericht.
Technologisches Lexikon. Handbuch für Gewerbe—
treibeude und Industrielle von Dozent G. Brelow, Dr. O.
Dammer und Prof. E. Hoyer. In zwei Bänden oder 30 Lie—
ferungen à 50 Pf. mit ca. 800 Abbild. Leipzig, Bibliographisches
Institut, 1883.
Dieses erste populäre Werk seiner Art, dessen rasches Er—
cheinen ihm den so seltenen Vorzug sichert, in allen Theilen auf
dem Laufenden zu sein, bewährt sich für den Techniker, sowie auch
ür den Kaufmann und Landwirth ebensosehr als eine Fundgrube
praktischer Winke, Aufklärungen und Rathschläge, als es für den
Besucher technischer Bildungsanstalten ein vorzügliches Orientirungs—
und Hilfsmittel bei der Vorbereitung auf die Praxis ist.
Der erste (chemische) Theil, der, wie versprochen, mit der
15. Lieferung vollständig geworden ist, enthält die Gewinnung der
Metalle, die Legierungen, Galvanoplastik und Metallpräparate;
die Produkte der chemischen Großindnstrie, Farben und Explosiv—
toffe; die Technik des Glases und der Thonwaaren, Kalk, Gips
ind Mörtel; Färberei, Gerberei, Leim- und Seifenfabrikation,
gautschuckindustrie; die Gewinnung des Zuckers und Stärkemehls ꝛc.,
Bierbrauerei, Spiritus- und Weinbereitung; die Industrie der
sdahrungs- und Genußmittel, Leucht- und Brennmaterialien ꝛc.,
mit steter Berücksichtigung der Haus- und Landwirthschaft. Er
ist mit ca. 300 vorzüglichen Abbildungen ausgestattet und hat den
als Kapazität auf diesen Gebieten bekannten Dr. O. Dammer
in Berlin zum Verfasser.
Der z weite (mechanische) Theil, die gemeinschaftliche Arbeit
zweier bewährter Fachleute, Professor E. Hoyer in Mäünchen und
Dozent G. Brelow in Berlin, bringt dagegen die Beschreibung
der Werkzeuge, Apparate, Maschinen, Stoffe und nützlichen Mine—
ralien, die Verfahrungsarten, welche in den Gewerben zur Ge—
winnung und Verarbeitung der Metalle, des Holzes und der ver—
wandten Substanzen (Horn, Elfenbein u. a.) in der Spinnerei