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Bauberichte aus verschiedenen Städten.
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zieses regere Leben gegenüber vielen, sogar unzähligen langweiligen
däusern z. B. in Berlin und anderen Städten wohl nicht zum
venigsten“ dem guten Vorbilde, was wir in den schönen, noch
lange nicht genug gewürdigten Spätrenaissance— und Zopf⸗Bauten
des Breiten Weges täglich vor Augen haben.*)
Die beiden Hauptstraßen unserer Stadt: der Breite Weg
ind die Kaiserstraße übertreffen daher in mancher Beziehung viele
moderne Straßen Berlin's und z. B. die vielgerühmte „Zeile“
in Frankfurt a. M. bei weitem, ohne daß wir durch diese Aeuße—
rung dem Lokalpatrigtiamus zu viel nachgegeben zu haben glauben
möchten.
Der Grundriß unserer hiesigen modernen Häuser ist im
Banzen ziemlich übercinstimmend. Wir finden fast überall ein
ziiemlich hefes Vorderhaus mit einem nach dem Hofe vorsprin—
genden Treppenanbau; an das Vorderhaus schließt sich rechts und
inks ein Seitengebände an, welches wieder im Hintergebäude den
»ollständigen Abschluß bildet. Dieses Hintergebäude hat bei den
bdielen sehr tiesfen Grundstücken auch oft noch hinter sich einen
weiten Hof, der jetzt meistens als Garten einger'chtet wird. Die
Erdgeschosse des Vorderhauses sind meistens zu Läden und großen
Komtoiren eingerichtet. Darüber liegt vorn eine Reihe von Zim—
mern, welche vor sich einen, vom Treppenhause aus zugänglichen,
neist durch eine Zwischenwand getrennten und so als Eingang für
wei Wohnungen eingerichteten Xlur haben. An die Vorderzimmer
tößt gewöhnlich hiuten die durch ein einziges breites Fenster
»eleuchtete „Berliner Stube.“ Von dieser aus führt nun in den
Zeitengebäuden ein mehr oder weniger langer Korridor, der den
zugang zu den Schlaf- und Hinterräumen bildet, nach der Küche,
neben welcher, der Ersparniß einer zweiten Wasserleitnng halber,
in der Regel das Waterkloset angebracht ist. Von der Küche aus
gelangt man zur Hintertreppe, welche zugleich die Haupttreppe der
leineren Wohnungen des Hintergebäudes bildet, die meist aus
»iner Stube, einer Kammer und einer Küche bestehen.
Wie man sieht, ist der Typus dieses Grundrisses aus dem
Studium Berliner Miethshäuser der besseren Gattung hervor—
gegangen, welche Hitzig in seinen „Entwürfen“ zuerst veröffentlicht
sat und die grundverschieden von dem Tywwus der füddeutschen
Miethshäuser sind.
Oft haben hier in Magdebnurg auch zwei Grupndstücks—
»esitzer sich vereinigt und beide in der Mitte ihrer Grundstücke
einen durch hypothekarische Eintragung in das Grundbuch für unan—
rastbar erklärten breiten und tiefen, nür durch eine niedrige Mauer
zetrennten Hof liegen lassen, so daß auf diese Weise, durch die
tädtische Bauverwaltung begünstigt, große Höfe entstanden sind,
ind auch den ärmeren Bewohnern der Hoswohnungen ein gesundes.
menschenwürdiges Wohnen gestatten.
Die Facçaden sind, durch die Billigkeit der in Gipsguß her—
zestellten Stuckverzierungen veranlaßt, in der Regel sehr reich
oerziert, und in den Details durch diese Kunst, die hier einige sehr
uͤchtige Vertreter (besonders in Habo und seinen Schüler Jahn)
hat, oft gar nicht ungeschickt auͤsgebildet. Allerdings sieht man
zuweilen Zusammenstellüngen von Ornamenten, die in ihrer Bedeu⸗
ung wohl nicht ganz verstanden zu sein scheinen.
Wir beginnen nun den Reigen unserer Beschreibung hervor—
ragender Privatbauten unserer Stadt mit einem Hause, welches
sür den Kausmann Hammerschlag nach den Zeichnungen der Archi—
sekten Ende und Böckmann zu Berlin von einem hiesigen Bau—
meister erbaut ist. Dasselbe enthält im Erdgeschoß einen großen,
eine ganze Front einnehmenden Verkaufsladen und daranstoßend
ein durch sämmtliche vier Geschosse des Gebäudes, eines Eckhauses,
ceichendes und sich durch die ganze Tiefe erstreckendes Lagerhaus
nit hreiten, mächtigen Treppen, einer Beleuchtung durch breite
Zpiegelscheibenfenster und einem mittels eines Gasmotors aus der
)ekannten Deutzer Fabrik getriebenen Aufzug.*x) Die drei im
Hause befindlichen sehr geräumigen Wohnungen sind im Erd—
Jeschoß durch eine breite, reichverzierte Marmortreppe, von da an
durch in gutem Eichenholz ausgefuͤhrte hölzerne Treppen zugänglich.
Bom großer Schönheit ist namentlich der don dem bekannten Holg
ildhauer Kiefhaber gearbeitete, reich geschnizte Thorweg “und
ie dahinter liegende, mit Stuckmarmorfäulen geschmückte gewölbte
nach dem Hofe. Die Gesammtbaukosten dieses schr
n n Weete Ecgrundstückes betragen bei den 25,00 und
2. en und tiefen Fronten. unter Abzug des inneren
Hofes von 65,50 qm Fläche, also bei einer bebauten Grundfläche
on 734,60 qm rund 350 000 Mark, was für einen qm etwa
176 Mark Kosten ergiebt. Die hierbei betheiligten Bauunter—
iehmer sind der Maurermeister Förster, der Zimmermeister
Lehnert, der Bildhauer Habo, der Italiener Detoma für die
Stuckmarmorverzierungen, der Bildhauer Kiefhaber für die
dolzarbeiten, der Tischlermeister Helmholz für die Fenster, die
Paler Ohnesorge und Bertram für die Malerarbeit und
endlich der Fabrikant Krimmling für das Häusler'sche Cement—
zach und die Klempuerarbeiten.
Andere Gebände hervorragender Bedeutung sind die von dem
Maurermeister Stirmes in französischer Rengissance erbauten Eck—
rundstücke an der Bahnhofsstraße und am Theaterplatze, ersteres
in Hôtel, welches in Bezug auf seine äußere und innere Aus—
tattung, die Bequemlichkeit und den Luxus seiner Einrichtung sich
zreist mit den ersten und besteingerichtetsten Berliner Hötels messen
anun. Für den Fremden zeichnet sich das Central-Höôtel durch
inen mächtigen, halbrunden, reich mit Balkonen ausgestatteten und
nit Schiefer eingedeckten, hohen Eckthurm aus, der dem Gebäude
m Volksmunde den Beinamen des „Schwarzen Peters“ verschafft
)at. Von großer Schönheit sind in diesem Hôtel namentlich das
Bestibül, das Treppenhaus, der Hauptspeisesaal. das Badezimmer
ind endlich die Küche.
Das zweite oben genannte Gebäude, am Theaterplatze ge—
egen, ist ebenfalls mit einem Eckthurme versehen, in reicher fran—
zösischer Renaissance aufgeführt und enthält nur Wohnungen,
iußerdem aber im Sonterrain eine fein ausgestattete Bier-Restau—
cation. Der Fries des Hauptgesimses zeichnet sich durch auf
Boldarund autgemalte Kindergruppen aus.
Fortsj. folgt.)
Bauberichte aus verschiedenen Städten.
Berlin. Bauliche Aussichten. Ueber die, wie wir
nittheilten, in den letzten Sitzungen der Szadtverordneten-Ver—
ammlung am 28. und 29. v. M. gefaßten Beschlüsse bezüglich
roßer und wichtiger baulicher Unternehmungen der Stadt Berlin
chreibt das „Grundeigenthum“: Der wichtigste unter den gefaßten
Beschlüssen ist wohl derjenige, durch welchen der Magistrat er—
nächtigt wird, eine Summe von pp. 4500000 Mark zur Anlage
einer mit der Stadteisenbahn verbundenen Markthalle zu ver—
venden und die erforderlichen Betriebsverträge mit der Staats—
Fisenbahn-Verwaltung abzuschließen. Damit ist nach endlosen Er—
jrterungen die Frage der Markthallen für Berlin aus dem Sta—
zium des Wunsches in das der That übergeführt worden. Nach—
»em es erst in diesem einen Falle gelungen ist, die Bedenklich—
eiten zu besiegen, welche der Einführung jeder Neuerung in Berlin
segenüber stehen, dürfte der Bau einer Anzahl weiterer Markt—
sallen, für welche zum größten Theil schon Grundstücke erworben
ind, binnen kurzer Zeit sich anschließen. — Mit der Genehmi—
ung der Baufluchtlinien für die neue Kaiser Wilhelm Straße,
pelche als eine Fortsetzung der Straße Unter den Linden in einer
Breite von 26A28 w vom Lustgarten quer durch den Stadttheil
Alt-Berlin geführt werden soll, ist fernerhin ein seit Jahren ver—
olgtes Projekt zum Abschluß gekommen, dessen nunmehrige Ver—
birklichung nicht nur für die Ansicht, sondern auch für die Ver—
ehrs-Verhältnisse der ältesten Theile der Residenz von außerordent—
ichem Einfluße sein und diesen seit langer Zeit gegen den Westen
zernachlässigsten Stadt-Quartieren etwas von ihrer früheren Be—
eutung zurück geben dürfte. — Nicht minder günstig wird in
demselben Sinne der Bau eines neuen, mit einem Gefängniß zu
»erbindenden Dienstgebäudes für das Polizei-Präsidium
im Alexanderplatz wirken, dessen Bauprogramm die Genehmigung
er Stadtverordneten erhielt, und dessen Ausführung voraussichtlich
im 1. April 1884 beginnen soll. Die Wichtigkeit dieses Neubaues
eruht nicht allein darin, daß mit demselben der Schwerpunkt der
Stadt wieder etwas nach Osten verschoben wird, sondern mehr
ioch darin, daß nach Vollendung desselben die bisherige Stadt—
»Ooigtei abgebrochen und damit eine Reihe der einschneidendsten
Lerbesserungen im Straßennetz der Altstadt, namentlich die Durch—
reuzung derselben durch Pferdebahn⸗-Linien, durchgeführt werden
ann. — Endlich ist auch noch die Annahme des Antrags er—
vähnenswerth, wonach der Magistrat ersucht wird, der Stadt⸗
jsemeinde die Benutzung des jetzt von der Hygiene-Ausstellung ein⸗
senommenen Terrains inkl. der Stadtbahnbögen für eine längere
seihe von Jahren zu sichern und event. auch zur Erwerbung des
gegenwärtig dort errichteten Ausstellungsgebäudes Schritte
zu thun. Können wir die Lösung, welche bei Ausführung dieses
Vorschlags die Frage des Ausstellungswesens für die Reichshaupt⸗
tadt erfahren würde, auch nicht als eine ideale, allen Ansprüchen
zenügende betrachten, so wäre dieselbe doch immerhin mit Freude
) Wir wundern uns daher, daß Lübke in seinem vortrefflichen Buche
iber die Deutsche Rengaissance unser Magdeburg vollständig übergangen
at, umnd könnte sich unseres Erachtens nach ig junger Architekt durch die
reue Wiedergabe und Aufnahme dieser leider täglich mehr und mehr ver⸗
chwindenden Bauten ein rechtes Verdiensi erwerben.
*) In späteren Nummern unseres Blattes werden wir verschiedene der
demerkenswerthesten Bauwerke, unter andern auch dieses, in Grundrissen,
Façaden und Durchschnitten folgen lassen und hofsen dadurch den Wünschen
zieler unserer Leser entgegen zu kommen