Friedhofskapelle in Wilhelmshaven.
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Friedhofskapelle in Wilhelmshaven.
Hierzu 6 Fig)
Obgleich die jüngste Stadt im Deutschen Reiche, ist Wilhelms⸗
haven längst nicht mehr die unwichtigste, sondern in einer Hinsicht
sogar die bedeutendste Stadt; denn ihre Hafenanlagen und die
ricsigen Werkstätten der Kaiserlichen Werft finden nirgend anders
Ihresgleichen, und ebenso steht sie in Bezug auf die Intelligenz
der Bevölkerung vielen ihrer älteren Schwestern voran. Was in—
dessen noch unfertig ist und weiterer sorgsamster Pflege bedarf, ist
das Gemeinwesen und die mit demselben nothwendig verbundenen
Einrichtungen. Wilhelmshaven wurde gegründet, aber ihm wurden
feine Vrittel mitgegeben, die zu einer Kommune gehörigen Anstalten
zu beschaffen: es fehlte ihm, so zu sagen, an allen Ecken und Enden.
Noch heute fehlt es an einer Kirche für die Civilgemeinde, die
aͤbrigens ebenfalls erst seit etwa einem Jahre besteht, obgleich die
Zahl der Einwohner 12000 bereits übersteigt. Die nöthigen
Ifale jür Volks- und Mittelschulen sind zum größten Theil von
finden sollten, außerdem war ein Glockenthürmchen vorgeschrieben
und die Ausführung in Ziegelrohbau mit gothischen Formen be—
dingt. Für das Ganze stand eine Summe von nur 6000 Mark
zur Versügung. Daß unter solchen Umständen die Aufgabe nicht
seicht zu lösen war, wenn trotz der bescheidenen Mittel und bei den
ziemlich hohen Preisen der Arbeitslöhne und Materialien, ein an—
ehnliches Gebäude geschaffen werden sollte, glaubt wohl jeder Sach—
nerständige ohne besondere Versicherung. Dennoch dürfte die vor—
iegende Lösung keine dürftige zu nennen und interessant genug
ein, um an dieser Stelle bekannt gegeben zu werden.
Die innere Raumdisposition betreffend, ist die zweckmäßige
Verbindung zwischen Kapellenraum und Leichenkammer hervorzu—
jeben, die so angelegt ist, daß in den durch Vorhänge geschlossenen
Thüröffnungen vorköommenden Falls zugleich 2 Särge stehen und
zer vor dem Altar stehende Prediger im Stande ist, die Einsegnung
der Leichen vornehmen zu können, so daß die in der Kapelle be—
findlichen Leidtragenden die Feier mitansehen können, dabei aber
der Kapellenraum selbst durch die Aufbahrung der Särge nicht
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Fia. 1. Sauptansicht
Fig. 2. Seitenansicht.
Fia. 3. Choransicht.
der Marine für diese Zwecke hergeliehen worden und bilden des—
halb diese Anstalten noch immer kein einheitliches Ganze. Die
Magistratsverwaltung mit dem Standesamt, das übrigens hier
verhältnißmäßig mehr frequentirt ist, wie in irgend einem andern
Orte des Reiches, ist — gewiß ein seltener, wenn nicht der einzige
derartige Fall — miethweise sogar in dem Empfangsgebäude der
Oldenburgischen Eisenbahn installirt worden, und zwar lediglich
deshalb, weil der Miethszins dort nur verhältnißmäßig gering ist.
So ließen sich noch eine Reihe anderer Daten anführen, welche
alle Zeugniß ablegen für die äußerste Beschränkung aller Mittel;
der Leser wird sich danach auch nicht mehr wundern, wenn er er⸗
fährt, daß die Stadt bisher keinen eigenen Friedhof besaß, der in
dessen jetzt endlich erworben und angelegt worden ist.
Jumitten desselben steht die von dem Unterzeichneten ent
worfene und in der Ausführung nahezu vollendete Friedhofskapelle,
welche durch die beigefügten Zeichnungen näher erläutert wird.
Ihre Größe beträgt rot. 13,5 zu 6,6m und ist darauf berechnet,
daß ein mäßig großes Leichengefolge in dem Kapellenraum Platz
finden kann. Das Programm verlangte außer diesem Raum noch
einen Gerätheraum und eine Leichenkammer, in der 3 Särge Plap
beengt wird. Für solche Zuhörer, die dem Todten ferner stehen
oder sich den beobachtenden Blicken anderer während der Trauer—
ieier entziehen wollen, ist über dem Vorplatz und dem Gerätheraum
roch ein besonderer Platz, eine Art Empore mit hervorgekragter
Balerie, in einfachster Weise geschaffen. Zu dieser Empore gelangt
nan durch eine rechts vom Eingange liegende, allerdings sehr
zrimitive und steile Treppe, die indessen für den vorliegenden Zweck
ausreicht. Die Chornische mit dem um 2 Stufen gegen den Fuß—
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kammer ein, dadurch die Art der Aufstellung der Särge bestimmend,
o daß 2 derselben mit der kurzen Seite den oben erwähnten Thür—
öffnungen zugewendet stehen und der dritte mit seiner langen Seite
an der hinteren Chornischenwand liegt. Zu dem Glockenthürmchen
gelangt man von der Empore aus mittelst einer einfachen Leiter.
Die Dekoration aller genannten Räume beschränkt sich selbst—
»erständlich auf das geringste Maß, die Wandflächen sind einfach
mit Leimfarbe gestrichen und gequadert; die Holzdecke mit Oelfarben—
instrich versehen; nur die Chornische und speziell die Altarwand
jaben eine etwas reichere Ornamentirung mit gothischen Motiven
⸗halten. Die Fenster sind aus mattem und arünem Glase in