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Der neue Entwurf zum Reichstagshause von P. Wallot.
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einem der Zeichnung genau entsprechenden Muster zusammengesetzt
ind geben mit dem dreitheiligen, über die Empore hinweg von
unten sichtbaren Fenster der Hauptfront und dem bunt verglasten
kleeblattfenster der Chornische eine sehr stimmungsvolle Wirkung.
Für die Behandlung des Aeußeren sind die schräg ansteigenden
Wände charakteristisch. Dieselben geben dem Gebäude das Ansehen
großer Solidität und ernster Ruhe, ohne daß besonderer Aufwand
in Material, sowohl was die Quantität als was Formgebung des⸗
selben betrifft, erforderlich war, denn die schräge Fläche ist nicht
zurch entsprechend geformte Steine, sondern durch einfache Mauer—
ziegel von dem hier viel gebrauchten kleinen Format 22: 11: 5 cm
hergestellt, so daß jede Schicht gegen die vorhergehende um eine nur
von unten bis oben der inneren Mauer vorgelegt sind. Der Fuß—
hoden des Kapellenraumes zeigt eine Asphaltschicht auf flachem
Ziegelpflaster, die Thüren sind von bestem Kiefernholz gefertigt
ind mit reinem Oelfirniß gestrichen, ebenso das übrige sichtbare
dolzwerk im Innern.
Das Dach ist mit viereckigen verschiedenfarbigen Schiefer—
Alatten auf Latten und nach dem auf der Zeichnung sichtbaren
Pduster eingedeckt, ebenso das Glockenthürmchen, dessen Höhe bis
ur Spitze 20m beträgt. Schließlich bleibt noch die Sicherung der
Fundamente zur Verhütung ungleichen Senkens des Gehäudes zu
rwähnen. Dieselbe ist durch Eisenbahnschienen bewirkt, welche auf
»en Fundamenten sämmtlicher Wände liegen, so zwar, daß die
Tie
. Grundriß.
Fig. 5. Längenschnitt
jeringe Größe (etwa 2 mw) zurücktritt, welches Maß durch die
Lagerfuge vermittelt, dem Auge des Beschauers durchaus nicht be—
nerkbar wird; im Gegentheil macht die ganze Fläche durchaus den
kindruck einer Ebene. Die Fensterbänke, der Fries und die
Zwickel der Fenster sind in Cementputz hergestellt, während Säulen
ind Konsolen aus Cementguß gefertigt sind.
Die malerische Wirkung, die dem Aeußeren nicht abzusprechen
ein dürfte, wird insbesondere noch hervorgerufen durch den Aufbau
der Chornische mit der herumgelegten Galerie und die in halber
Höhe des Gebäudes mit besonderem Dach abgeschlossene Leichen—
ammer, eine Anordnung, die hier sehr gefallen hat. Durch die
in den Umfassungswänden liegende Luftisolirschicht von 3 bis 23 cm
Weite werden die inneren Wandflächen absolut trocken erhalten, und
zient diese Luftschicht zugleich noch zur bequemen Herstellung der
iußeren Schrägflächen, die in der Stärke von einem halben Stein
Fig. 6. Querschnitt.
Schienen der Querwände auf denen der Langwände aufliegen und
der Druck aller gleichmäßig von allen getragen wird. Dabei sind
zie Fundamente und das Mauerwerk unmittelbar über den Schienen
n gutem Cementmörtel ausgeführt, auch die Schienen selbst gut in
Tementmörtel gelegt, so daß eine Bewegung derselben im Mauer—
verk unmöglich ist.
Die noch nicht definitiv festgestellten Baukosten dürften
chlimmsten Falls die Summe von 6000 Mark nur um ganz Ge—
inges übersteigen, bleiben aber voraussichtlich innerhalb derselben
ind wird so der Stadt für eine außerordentlich kleine Summe ein
Vebäude geschaffen, das nicht nur den ausgesprochenen Zweck er—
üllt, sondern zugleich eine Zierde der ganzen Friedhofsanlage bildet,
Wilhelmshaven, im Juli 1883.
Ad. Kelm.
Der neue Entwurf zum Reichstagshause
von P. Wallot
st keineswegs als eine durchweg endgültige Lösung zu betrachten,
ondern nur als ein weiterer Schritt in der Entwickelung des
zur Ausführung bestimmten Baugedankens. Daraus, daß in
hiesem neuen Entwurfe das Erdgeschoß Hauptgeschoß geworden
ist, haben sich mehrfache Abweichungen gegen den ersten Wallot'-
schen Entwurf ergeben, jedoch ist der Hauptgedanke dieses
letzteren festgehalten. Derselbe besteht darin, daß die Queraxe des
dauses als Lebensader für den inneren Verkehr desselben aus—
gjebildet ist, sodaß sich im östlichen Theil der Sitzungssaal mit
jen Logen, die Geschäftsräume des Bundesraths, des Präsidiums
ind des Büreaus, im westlichen Theile diejenigen Räume befinden,
velche zum Aufenthalte der Abgeordneten außerhalb der Sitzungen
ind zur Erholung bestimmt sind.
An Stelle des fortgefallenen westlichen Eingangs ist jetzt der
weite Hauptraum des Hauses, die Halle, getreten, deren archi—
ektonische Ausbildung und Abmessungen ihr den Platz anweisen,
velcher im Konkurrenz-Programm dem Festsaale zugetheilt war.