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Magdeburg's Bauwesen der neuesten Zeit.
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Die Garderoben befinden sich jetzt zu beiden Seiten der
Halle, während die Halle selbst nach der Westseite zu mit Thüren
gedacht ist, welche in einen event. nur für die Abgeordneten be—
stimmten Garten führen.
Die zur Benutzung für die Abgeordneten bestimmten Ein—
aänge sind in der Queraxe verblieben. Der dem Brandenburger
Thor zugekehrte südliche Eingang ist als Haupteingang ausgebildet,
während der nördliche, welcher mit dem zum Obergeschoß führen-
den Treppenhause vereinigt ist, eine untergeordnetere Behandlung
erfahren hat. Während die Vestibüle am Rordeingang und an
dem an der Ostseite liegenden Eingange für den Bundesrath, das
Bureau und die Logenbesucher sich nur im Erdgeschosse befinden,
reicht das Vestibül an der Südseite vom Terrain bis zum Ober—
geschoß, sodaß hier der Zusammenhang der Räume im Erdaeschoß
unterbrochen ist.
Die Akademie des Bauwesens hat in einer Sitzung, in welcher
nur die Hälfte der der Hochban-Abtheilung angehörenden Mit
glieder anwesend war, die zu geringe Höhe der Vestibüle, die zu
fleinen Abmessungen der inneren Höfe und den Kuppel-Ueberbau
bemängelt, welcher letztere die Möglichkeit einer ausreichenden Be—
leuchtung des Sitzungssaales beeinträchtige. In Betreff der Höfe
bemerken wir, daß dieselben genau dieselben Abmessungen (22 m
14 im) haben, wie in dem Konkurrenz-Projekt, und daß nur unter⸗
geordnete Räume an denselben liegen. Die beiden anderen ge—
rügten Mängel dürften sich ebenfalls sehr leicht beseitigen lassen,
besonders dürfte aber, wenn die letztere Befürchtung sich als ge—
Fründet herausstellen sollte, im Unterbau der Kuppel durch Seiten—
licht Abhülfe geschaffen werden können.
Duͤrch die Tieferlegung des Saales ist nämlich die Möglich—
keit gegeben, daß der Unterbau der Kuppel auf eine größere Höhe
freigestellt werden und dadurch Raum für einen Fensterkranz ge—
wonnen werden kann, durch welchen der Saal uͤber den Logen
Seitenlicht erhalten könnte. Nach dem Gutachten der Akademie
des Bauwesens scheint es, daß in dem letzten Wallot'schen Ent—
wurfe auf diesen Fensterkranz noch keine Rücksicht genommen ist
es dürfte diesem Mangel jedoch leicht abgeholfen werden können
Unerwähnt wollen wir nicht lassen, daß die Größe der Licht—
öffnungen im Kuppelbau in dem neuen Entwurfe erheblich gegen
den ersten Entwurf gesteigert ist. Es ist also jedenfalls nicht
nöthig auf den Wallot'schen Kuppelbau zu verzichten, zumal die
Akademie des Bauwesens denselben nicht unbedingt verworfen,
sondern nur die ernstliche Erwägnng der Frage der Beleuchtung
des Sitzungssaales empfohlen hat.
Als Vorzüge des neuen Walloi'schen Entwurfs gegen den
Konkurrenz-Entwurf dürften hervorzuheben sein, die Gestaltung
der Halle und ihre Verbindung mit dem Sitzungssaale sowie den
benachbarten Räumen, die Verbesserungen die bei der Umgestaltung
und Durchbildung der Façaden-Architektur erzielt sind, wobei alle
wesentlichen Motive des Konkurrenz-Entwurfs beibehalten wurden,
während als Vorzug gegen diesen anzuführen ist, daß das Erd—
geschoß nunmehr in entschiedener Weise dominirt, sowie in Bezug
auf praktische Brauchbarkeit vor Allem die jetzige Wallot'sche
Plandisposition. Es hat den Anschein, daß aus diesen Gründen
alle maßgebenden Faktoren daran festhalten werden, die endgül—
tige Beftimmung über die Ausführung des Reichstagshauses auf
Grund dieses neuen Wallot'schen Entwurfes zu treffen.
Der Einwand, der von maßgebender Stelle gegen den
Wallot'schen Konkurrenz-Entwurf gemacht wurde, war hauptsächlich
die zu hohe Lage des Sitzungssaales, bis zu welchem über 60
Stufen zu ersteigen waren. Diesem Uebelstande ist in dem neuen
Entwurse durch Tieferlegung des Sitzungssaales Rechnung ge—
tragen, sodaß nunmehr nur noch ca. 35 Steigungen zu über
winden sind.
Nachdem vor Kurzem auch ein höherer Baubeamter mit
selbstständiger Verantwortlichkeit füͤr die technische Leitung ernannt
ist, dürfte sonach die Angelegenheit des Baues für das Reichstags⸗
haus soweit in die Wege geleitet sein, daß keine Hindernisie mehr
für die Inangriffnahme und ununterbrochene Durchführung zu
befürchten sind. Es steht also zu hoffen, daß die in Aussicht ge⸗
nommene Bauzeit von 8 Jahren nicht weiter zu verlängern sein
dürfte
mann zu Berlin, haben der Façade, welche Thüren und Fenster
in Rundbogen abgeschlossen zeigt, zwei kleine Flügelbauten ge—
zeben, welche zwischen sich und der eigentlichen, von der Straße
ttark zurücktretenden Front des Hauses einen kleinen, vorn durch
ein sehr schönes schmiedeciseines Gitter umgebenen Hof ein—
chließen. Das Erdgeschoß hat eine Loggia mit drei großen
Bogenöffnungen, zu denen eine breite Freitreppe emporführt.
Links tritt man in die mächtigen Comtoir-Räumlichkeiten eines
der großartigsten Zuckerexportgeschäfte hiesiger Stadt und gerade—
aus gelangt man in das Vestibul, an welches sich das wunder—
ichöne Treppenhaus anschließt. Beleuchtet wird dasselbe durch
Blasgemälde. Die lange Reihe der Zimmerflucht in dem oberen
Geschoß ist in dem edelsten Geschmack ausgeführt und schließt mit
einem großen Saal ab, welcher durch einen prachtvollen bis an
die Decke des Zimmers reichenden Kamin verziert ist, der unserer
Ansicht nach jedoch etwas zu schwer für den Saal trotz dessen
Jroßen Dimensionen erscheinen will. Die Baukosten des kleinen
Palastes belaufen sich etwa auf 600,0000 Mark incl. der fast fürst⸗—
lichen inneren Einrichtung.
In der Kaiserstraße haben wir noch einige schöne Bauwerke
tachzuholen. Vor Allem ist das Geschäftshaus der Magde—
»urger Bau- und Kreditbank hervorzuheben, ein dreistockiger
Bau mit breiten Achsenweiten im romanisirenden Rundbogenstile
nit gelben Verblendsteinen und farbigen Terrakottenfriesen, der
inserer Ansicht nach nur den Fehler hat, daß er zu fein detaillirt
st und dadurch etwas leblos wirkt, ein Fehler übrigens, der dem
Architekten bei Ausbildung von dergleichen Rohbaufaçaden leicht
zu begegnen pflegt. Die Zeichner dieser Façade sind natürlich in
dem Bureau der Gesellschaft selbst zu suchen.
Ein anderes großartiges Gebäude ist in der Kaiserstraße
neben dem bereits weiter oben erwähnten Hause des Kaufmauns
Hammerschlag belegen und gehört den bedeutenden Bauunter—
sehmern Dorendorf und Jaeusch. Das Gebäude besitzt eine in
der Zeichnung (irren wir nicht, von Ende und Böckmann in
Berlin) sehr schone Façade in italienischer Renaissance, etwa der
Ausbildung der Cancellaria in Rom entsprechend. Leider haben
die betreffenden Herren Eigenthümer und Unternehmer wahr—
cheinlich die Detailausbildung nicht durch jene tüchtigen Architekten
herstellen lassen und so ist denn die an sich so schön gezeichnete, ja
großartige Façade in den Details nicht so vollendet, wie wir es
zewünscht hätten. Es sind z. B. die an der Façade im Erdgeschoß
ingebrachten Säulen, die selbstredend als Dreiviertelsäulen ausge—
zildet sein mußten, nur zu halben Säulen geworden, was ästhetisch
bekanntlich gerade nicht sehr zu empfehlen ist und die beabsichtigte
Licht- und Schattenwirkung der Säulen völlig aufhebt. Das
Inuͤere, fast im ganzen Erdgeschoß eine der großartigsten Bier—
uben enthaltend, ist im Grundriß durchaus nicht ungeschickt, wenn
auch einfach ausgebildet.
Ein von den vielen theilweise fast zu reich im Detail ausge—
hildeten und ornamentirten Häusern in der Kaiserstraße, in seiner
lassischen griechischen Einfachheit vornehm sich abhebendes Gebände
st das der Familie Klusemann gehörige in einem Garten belegene
Wohnhaus. Dasselbe ist nur zweistöckig erbaut, aber in edelster
Finfachheit und mit dem feinsten Gefühl für architektonische Ver—
hältnisse ausgebildet. Das Innere ist ebenfalls in ausgezeichneter
Weise durchgearbeitet und u. A. durch ein sehr schönes Treppen—
Jaus ausgezeichnet. Es ist dieser Bau von dem Architekten Vin—
ent, der besonders in früherer Zeit Magdeburg und die Umgegend
mit dielen in feinster Weise ausgeführten Bauten bereichert hat.
Es würde uns zu weit führen, wenn wir ausführlich alle be—
deutenden Bauwerke des neuen Stadttheils und überhaupt des
neuen Magdeburg besprechen wollten. Wir hoffen zu weiterer
Schilderung noch später Gelegenheit zu finden, glauben aber als
wahrheitsliebende Darsteller den einen Tadel nicht verschweigen zu
Hürfen, daß nämlich in allerjüngster Zeit die Architekten in ihren
Facçaden uns immer wilder und regelloser erscheinen wollen.
Namentlich die jüngeren Architekten scheinen uns entweder über—
haupt keine strengen Studien und Schulen durchgemacht, oder viel—
sach die architektönischen Glieder geradezu mißverstanden zu haben.
Der Geschmack des Publikums, welches ja leider gerade in Bezug
auf die Baukunst so leicht irre zu führen ist und oftmals am
Allertollsten den meisten Geschmack findet, wird dadurch immer
weiter abwärts geführt. Wir haben schon vielfach Gliederformen,
die das Aufwärtsstreben bedeuten, daher an Gesimsen in ihrer
richtigen Stelle sind, im ganz entgegengesetzten Sinne als Plinthe ange—
wendet, Säulen oder Pfeiler ohne Sockel, in der Form völlig miß—
verstandene Fensterkrönungen u. s. w. verwendet gesehen. Wir
Jeben dabei nicht wenig Schuld der allzu leichten und billigen Ver
vendung der Gipsverzierungen an den Facaden, die sehr ver—
üͤhrerisch wirkt.
— r
Magdeburgs Bauwesen der neuesten Seit.
(Forts. und Schluß.)
Das zweite ist ein meisterhafter Bau, leider in einer sehr
engen Straße gelegen und seiner Feu für den jetzt verstorbenen
Kaufmann Zuckschwerdt erbaut. erselbe ist zweistöckig und in
—⏑——— den großartigsten Ver—
hältnissen erbaut. Die Architekten, wiederum Eunde und Böck—