Handwerk und Fabrik. — Schiefe Axenstellung der Kirche zu Müncheberg.
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Handwerk und Fabrik.
Der Unterschied zwischen dem Handwerk und der Fabrik ist
in Folge der stets wachsenden Macht der Maschine immer mehr
ind mehr geschwunden, wenigstens unklarer geworden. Trotzdem
'aun wohl nicht geläugnet werden, daß ein Unterschied zwischen
Beiden vorhanden ist und theilweis auch wohl steis verbleiben
wird, obgleich wir die Ueberzeugung haben, daß sich eine so schroffe
Unterscheidung, wie sie beispielsweise die sogenannte Handwerker—
dartei wünscht, nicht mehr wird ermöglichen lassen.
Berechtigt war eine genaue Grenze zwischen dem Haudwerk
und der, Fabrik, als noch keine Freizügigkeit bestand, der Zunft—
zwang jedem einzelnen Handwerk genau vorschrieb, was es an—
jertigen und wie viele Gesellen und Lehrlinge der einzelne Hand—
verksmeister halten durfte. Es war dem Handwerker also eine
Grenze gezogen, bis zu welcher er seine Erwerbsthätigkeit aus—
dehnen konnte, in welcher er aber auch durch mangelnde Freizügig—
keit und durch Zunftzwang bis zu einer gewissen Grenze geschützt
var, oder in der sich die Zunftgenossen durch Verweigerung
der Aufnahme in die Zunft duͤrch alle möglichen rechtlichen und
unrechtlichen Mittel zu schützen suchten.
Der Fabrikant dagegen fertigte zu jener Zeit unur solche
Hegenstände, welche handwerksmäßig nicht hergestellt werden
konnten, und hauptsächlich waren es Artikel, welche entweder als
Rohmaterial von den Handwerkern weiter verarbeitet wurden, oder
zie in großen Massen von gleicher Art in den Konsum kamen.
Mit der Erfindung der Dampfmaschine aber bemächtigte sich
die Fabrik immer mehr und mehr derjenigen Artikel, welche bisher
uur das Handwerk angefertigt hatte, und die Gesetzgebung aller
Staaten schaffte in Folge zunehmender Bevölkerung nach dieser
Richtung hin den Fabriken immer mehr Raum. Der Zunftzwang
wurde aufgehoben, jedoch später der Innungszwang wieder ein—
zeführt und noch eine strenge Unterscheidung zwischen den von den
einzelnen Handwerkern auszuführenden Arbeiten beibehalten. Zu
velchen Unzuträglichkeiten besonders die letztere Bestimmung führke,
ind welche Streitigkeiten und Prozesse daraus entstanden, wird
ioch Manchem unserer Leser erinnerlich sein. Beispielsweise er—
innern wir daran, wie eifersüchtig die Tischler darauf Obacht
jaben, daß kein Zimmermeister irgendwelche verleimte Arbeit aus—
führte; erinnerlich aber ist uns auch noch, wie diese Bestimmungen
illseitig umgangen wurden und umgangen werden mußten. Der
Zimmermeister, welcher verleimte Arbeiten ausführen wollte —
ind das war wohl eigentlich bei keinem einzigen ganz zu umgehen
— engagirte einen Tischlermeister, der bei ihm gegen Tagelohn
irbeitete und natürlich verleimte Arbeiten ausführen durfte. Es
sst dies ein Beispiel, wie es in allen Handwerken mehr oder
veniger vorkam, und zu der Ueberzeugung führte, daß solche Zu—
tände, bei der wachsenden Konkurrenz der Fabriken, der zunehmen—
»en Bevölkerungszahl und der daraus folgenden nothwendigen
zrößeren Produktionsfähigkeit, nach und nach unhaltbar wurden.
Es folgte dann die Aufhebung des Innungszwanges, dann
die Einführung der Freizügigkeit und der Gewerbefreiheit. Aber
hereits vor Einführung der letzteren hatten die Fabriken einem
großen Theile der Handwerker eine bedeutende Konkurrenz durch
Anfertigung derjenigen Artikel gemacht, welche früher von einzelnen
Zweigen des Handwerks angefertigt wurden. Hätte man nun die
Gewerbefreiheit nicht einführen wollen, dann hätten jene Hand—
werker, wenn sie als Handarbeiter keine Arbeit fanden, verhun—
gern müssen. Es wird wohl Niemand die Ansicht aufstellen
wollen, daß man einfach den Fabrikbetrieb für jene Artikel
hätte untersagen können, denn dann hätte man überhaupt jeden
Fabrikbetrieb untersagen müssen. Das aber ließ die Gesetz—
Jebung nicht zu und konnte sie nicht zulassen, weil sie dann auch
die Vermehrung der Bevölkerung hätte verbieten müssen, oder sie
mußte erleben, daß ein bedeutender Theil der Bevölkerung, wenn
er nicht verhungern wollte, zur Auswanderuug gezwungen wurde.
Die Fabriken haben sich nun unter der neueren Gesetzgebung
selbstredend immer mehr ausgedehnt, was eine natürliche Folge
der fortschreitenden Absatzfähigkeit ihrer Artikel ist. Die Hand—
werker haben aber zum größten Theil den Vortheil erkannt, den
hnen die freie Bewegung gestattet, und sind theilweis selbst Fabri—
kanten geworden, d. h. sie fabriziren entweder ebenfalls nur be—
stimmte Artikel zum eigenen Einzelabsatz oder zum Absatz im
Banzen an Grossisten, oder aber sie beziehen von Fabrikanten an—
gefertigte Theile ihrer Artikel, die sie dann zusammenstellen und
bieder wie oben absetzen. Würde man diesen Handwerkern, welche
jewiß nicht in kleiner Zahl vorhanden sind, zumuthen, die alten
herhältnisse wieder in hre Geschäfte einzuführen, sie würden sich
icher für diesen Rückschritt bedanken, denn es hieße nichts Anderes,
ils ihren Wohlstand aufgeben.
Man ist'aber auch' nicht mehr berechtigt, einen so schroffen
Anterschied zwischen Handwerk und Fabrik zu machen, wie man
s von gewissen Seiten gern möchte. Es wird vorläufig noch die
Ansicht einen Schein von Berechtigung haben, welche als Unter—
hiedsmerkmal Beider hinstellt, daß der Handwerker nur auf Be—
tellung arbeitet, während der Fabrikant nur Maassenartikel her—
tellt, deren Absatz er erst nach der Fertigstellung bewirkt. Wie
ziele unserer kleineren Handwerker aber arbeiten jetzt schon eben—
alls in der letzteren Weise und stehen sich dabei nicht schlecht, und
vie viele Fabrikanten arbeiten auch auf Bestellung, sei es im Auf—
rage einzelner Privatabnehmer — wie z. B. Möbelfabrikanten —
ei es im Auftrage von Großhändlern ꝛc. Ein Theil der Arbeiten
vird freilich dem Handwerker vorläufig noch fast ausschließlich
»erbleiben; wir meinen die Reparaturarbeiten, und zwar sowohl
»ei den sogenannten kleinen Handwerkern, als auch bei den Bau—
jewerbetreibenden. Ob aber aus diesem Grunde der krasse Unter—
chied zwischen Handwerk und Fabrik aufrecht erhalten werden
nuß, scheint uns mehr als zweifelhaft.
Von mancher Seite wird ferner hervorgehoben, daß man
»eim Handwerk von Meistern, Gesellen und Lehrlingen, beim Fa—
'rikbetriebe aber nur von Fabrikbesitzern und Arbeitern sprechen
önne. Glauben denn jene Herren wirklich, daß z. B. der Be—
itzer einer Maschinenfabrik, die selbst nur untergeordnete Fabri—
ate herstellt, nicht nöthig hätte, daß ein Ingenieur oder ein Werk—
ührer — hier also der Meister — das Ganze leite, daß unter
hm die Fabrikarbeiter, welche doch auch eine Lehrzeit, und zwar
iftmals keine kurze, durchzumachen haben, nach seinen Angaben
ind unter seiner Leitung die Arbeiten herstellen. Wir glauben,
»aß selbst in einer kleineren Maschinenfabrik, oder auch in irgend
einer anderen Fabrik, ein Arbeiter keine geringeren Fertigkeiten
ind keine geringere Intelligenz besitzen muß, als etwa ein Maurer—
»der Zimmergeselle. Wir meinen vielmehr, daß beispielsweise die
Fortschritte im Maschinenwesen — wir erinnern hier nur an die
aubere und akurate Herstellung in Bezug auf die Ausführung der
Urbeit — uns klar und deutlich zeigen, daß auch ausgezeichnete
Arbeiter im Fabrikbetriebe ausgebildet werden können.
Will man aber als Unterschied zwischen dem Handwerk und
der Fabrik die Herstellung von einzelnen Theilen durch stets die—
elben Arbeiter aufstellen, so möchten wir daran erinnern, daß das
Prinzip der Theilung der Arbeit bei Beiden nie vollkommen
urchgeführt werden kann. Daß es aber praktisch und Nutzen
Fringend ist, hat der größte Theil der Handwerker bereits dadurch
tnerkannt, daß er bewußt oder unbewußt dasselbe in sein Geschäft
einführte. Was ist es denn anders, als Theilung der Arbeit, wenn
ein Schneidermeister Gesellen beschäftigt, von denen ein Theil nur
döcke, ein anderer nur Hosen ꝛc. aufertigt; oder wenn ein Theil
ser Gesellen eines Manrermeisters nur mauert, ein anderer nur
Façaden und ein dritter nur innere Flächen putzt; oder wenn ein
zimmermeister Gesellen beschäftigt, welche zum Theil stets, oder
agen wir hauptsächlich, nur Verbandarbeiten, zum Theil nur
Treppenarbeiten oder Fußböden ausführen, von denen die letzteren
um größten Theil noch vollständig auf Maschinen fabrikmäßig
»is züm Verlegen hergestellt werden?
Wir sind also der Ansicht, daß ein so scharfer Unterschied
wischen Handwerk und Fabrik nicht mehr existirt und auch nicht
vünschenswerth ist, und zwar im JInteresse beider Theile. Wir
saben aber auch die Ueberzeugung, daß die etwa noch vorhandenen
Unterschiede mit der Zeit immer mehr verschwinden werden. Für
ine Ueberstürzung nach dieser Richtung hin sind wir aber nicht,
ondern hoffen das Beste von einem allmäligen Fortschreiten.
Wollte man Alles, was einst gut und schön war, konserviren und
hehaupten, daß es durch nichts Besseres ersetzt werden könne, warum
trebt man denn nicht danach, daß uns auch der Zopf wieder ge—
chenkt werde, der doch in einer Zeit, die gewiß nicht die kleinsten
Heister unserer Nation gesehen hat, für schön und unerläßlich galt!
I.
Schiefe Arxenstellungen der Kirche zu
Müncheberg.
(Hierzu 1 Fig.)
Als vor mehreren Jahren behufs Restauration der Kirche
zu Müncheberg eine genane Aufnahme, des Grundrisses stattfand,
ergab sich die höchst interessante Erscheinung, daß die Axe des
weiten Schiffes, welches in Verlängerung des ersten einige Jahr—
sunderte später gebaut worden ist, von der Axe des ersten Schiffes
im über 3 Grad abweicht; das zweite Schiff also eine sehr be—
nerkenswerthe schiefe Stellung zum ersten Schiff einnimmt. Adler
n seiner Publikation „Kirchen der Mark Brandenburg ꝛc., Back—
einbauten“, erwähnt dieses eigenthümlichen Umstandes nicht, ob—