601 Ueber die Anwendbarkeit des Handelsrechtes auf das Baugewerbe. — Delegirtenversammlung des Norddeutschen Baugewerkvereins in Lübeck. 602
Ueber die Anwendbarkeit des Handelsrechts
auf das Baugewerbe.
Von
Dr. jur. Gustav Freudenstein.
Chefredakteur der Blätter für populäre Rechtswissenschaft.)
Schluß.)
Ob bei solchen Gewerben (Ziegelei, Steinbruch ꝛc.) die Roh—
stoffe aus einem eigenen Grundstück des Gewerbetreibenden oder
aus einem fremden, insbesondere aus einem von ihm gepachteten
Grundstück gewonnen werden, kann keinen Unterschied machen;
denn Produzent des Rohstoffs als einer beweglichen Sache ist
immer derjenige, welcher den Rohstoff aus der Bodensubstanz aus—
scheidet und beweglich macht. Wenn man solchermaßen hinsicht—
lich der Bestimmung des Artikel 271 Ziffer 1 der Anschaffung
die Selbstproduktion entgegensetzt, so will das „Selbst“ in
diesem Ausdruck nur besagen, daß der Gewerbtreibende, welcher
die Veräußerung der beweglichen Sachen betreibt, zugleich der
Produzent derselben ist. Wer einen gepachteten Steinbruch be—
treibt, hat sich allerdings für sein Gewerbe etwas angeschafft, aber
was er sich angeschafft hat, das sind nicht die fertigen Steine, und
das ist auch nicht ein bereits beweglich gewordenes Gestein, son—
dern die un bewegliche Bodensubstanz, bezw. das Recht auf den
Bezug derselben. Und ebenso hat auch derjenige, welcher ein Grund—
stück kauft, um auf demselben einen Steinbruch zu betreiben, hier—
mit die unbewegliche Substanz, aus welcher er die Steine her—
zustellen beabsichtigt, sich angeschafft. Hinsichtlich des Artikel 271
Ziffer 1 kommt aber nichts darauf an, in welcher Weise der
Gewerbtreibeude das Recht der Disposition über die unbewegliche
—AV
herstellt, sich verschafft hat und es ist kein Unterschied erfindlich
zwischen der Produktion von Rohstoffen aus einem eigenen oder
aus einem fremden Grundstück.
So das Reichsgerichtsurtheil.
Schon früher hatte das Reichsoberhandelsgericht wenigstens
soviel festgestellt, daß ein Selbstproduzent, der auf eigenem Grund
und Boden vorhandene, von seinem Boden erst abzusondernde
Stoffe und Materialien verarbeitet, nicht Handel treibt. In den
Entscheidungen dieses Gerichtshofs wurde z. B. erkannt, daß Berg—
werksbesitzer (Entsch. XI, 342), Landwirthe, die aus selbstgewon—⸗
nenem Maaterial Ziegel oder feuerfeste Steine fabriziren (Entsch. XV,
237, 338), Besitzer von Steinbrüchen, welche die daraus gebrochenen
Steine brarbeiten (Eutsch. XI, 263), Bernsteingräber (Eutsch. XIII,
385) kurz alle diesen gleichstehende Selbstproduzenten — damit, daß
sie ihre Produkte, bezw. Theile ihres Grundes und Bodens ver—
arbeiten und demnächst verkaufen — selbst wenn sie dies gewerbs
mäßig thun, — keine Handelsgeschäfte betreiben. Letzteres ge—
schieht aber allerdings, sobald der Geschäftsbetrieb jener Produ—
zenten sich nicht mehr auf die eigenen Produkte beschränkt, son—
dern sich auf die vertragsmäßige Anschaffung von im Eigenthum
Anderer befindlicher beweglicher (also bereits vom Boden ge—
treunter) Stoffe behufs deren Weiterveräußerung im rohen
oder bearbeiteten oder vera beiteten Zustande beschränkt. (Vgl.
Entsch. XIII, 143). Die Stoffe müssen aber ebenfalls auch als
bewegliche Sachen auch dem Dritten, an welchen die Weiter—
veräusßerung geschieht, überliefert werden, d. h. der Veräuße⸗
ruugsakt darf ihnen nicht etwa ihre Eigenschaft als Mobilien
nehmen und sie nicht unbeweglich machen; bleiben mithin auch im
Akt der Weiterveräußerung die Stoffe noch Mobilien, z. B. ein
Holzhändler verkauft von seinem Holzplatz an einen Zimmermeister
Balken, so ist ein Handelsgeschäft vorhanden, denn der Holzhändler
hat sich die Balken (also bewegliche Sachen) von Dritten an—
geschafft, um dieselben weiter zu veräußern. Wäre aber der Holz—
händler zugleich Waldeigenthümer oder Waldnutznießer ꝛc. und
handelte also nur mit selbstproduzirtem Holze, so betriebe er,
indem er seine Hölzer oder behauenen Balken weiter veräußert,
keine Handelsgeschäfte.
Auch ein Angehöriger des Baugewerbes, der von ihm selbst
— sei es aus eigenem oder erpachteten Boden — produ zirte
Baumaterialien wieder als bewegliche Sachen veräußert, betreibt
keine Handelsgeschäfte, mag diese Veräußerung nun in einem
Verkauf an Dritte, z. B. andere Bauunternehmer, oder an den
Bauherrn geschehen, indem er diesem die selbsterzeugten Ma—
terialien berechnet und sie, kraft eines mit dem Bauherrn über
Ausführung z. B. eines Hausbaues geschlossenen Vertrags, selbst
als Bauunternehmer verbaut.s) Mur wenn der Unternehmer die
Baumaterialien als Mobilien ankauft (sich anschafft) und sie als
Mobilien wieder veräußert, macht er Handelsgeschäfte; nicht aber
chon, wenn er sie zwar als Mobilien ankauft und dann kraft
Bauvertrags in das von ihm für den Bauherrn zu errichtende
Bebäude verbaut; hier ist zwar das Ankaufsgeschäft zwischen Bau—
unternehmer und Baumaterialienhändler ein Handelsgeschäft, jedoch
sst nicht auch die Uebertragung der angekauften Baumaterialien
om Bauunternehmer an den Bauherrn durch die Verbauung ein
Handelsgeschäft, denn diese Uebertragung enthält keine Weiterver—
iußerung als Mobilien, sondern beruht auf einem Bauver—
trag und Artikel 275 des Handelsgesetzbuchs verfügt:
„Verträge über unbewegliche Saächen sind de Handels⸗
zeschäfte.. Nach dem Erkenntniß des Reichsoberhandelsgerichts in
Entsch. Bd. XVI, 308 und vielen anderen gehören aber hierher
alle Verträge, deren Gegenstand eine künftige in Folge Werk—
erdingung herzustellende Sache ist. Denn es ist gleichgültig,
»b das Immobile (Haus ꝛc.) in der Wirklichkeit oder nur iu der
Idee vorhanden und als ein vorhandenes, fertiges blos gedacht
vird. Der Bauunternehmer hat ja auch ein fertiges 3. B.
daus abzuliefern, so daß also jedenfalls ein Immobile Er—
üllungsobjekt des Bauvertrags ist. Verträge über unbeweg—
iche Sachen, mithin keine Handelsgeschäfte, liegen auch vor, wenn
Zautischler, Dachdecker, Glaser, Parquetfußbodenfabrikanten in
Werkverdingung Akkord) die betreffenden Arbeiten ihres Ge—
verbes als Ganzes übernommen haben und einen einheitlichen
Hauschal- und Aktordlohn dafür erhalten sollen
Hiermit beschließt der Einsender seine Erörterungen in der
Hoffnung, daß seine Absicht in Erfüllung gehen möge, durch auf—
lärende Belehrung in dieser schwierigen Materie den Ange—
jörigen des Baugewerbes die ihnen unerläßlichen Direktiven in
gemeinverständlicher Darstellung vermittelt zu haben
Delegirten Versammlung des Norddeutschen
Baugewerkvereins in Lübeck.
Vom 2. bis zum 4. d. M. vereinigten sich hier die Dele—
girten des oben genannten Vereins zur Erledigung folgender
Tagesordnung: A. Vorversammlung am 2. d. M. Nachmittags
»Uhr. 1) Eröffnung und Begrüßung durch den Vorsitzenden und
Feststellung der Tagesordnung; 2) Wahl der Kommissionen, welche
ofort ihre Arbeiten beginnen; 3) Kassenbericht; 4) Berichte der
Delegirten über die Thätigkeit der von ihnen vertretenen Lokal—
dereine im verflossenen Jahre. — B. Hauptversammlung, den
3. d. M. von 9 bis 3 Uhr und den 4. von 10 bis 12 Uhr.
1) Bericht des Vorstandes; 2) Bericht der Delegirten zu der Ver—
»ands-Versammlung in Leipzig; 3) Bericht der Kommission für
das Lehrlingswesen u. v. d.; 4) Innungs-Angelegenheiten. Ins—
»esondere: Stellung der Gesellenschaft zu den neuen Innungen;
5) Antrag der Bauhütte zu Oldeunburg i. Gr., Referent: Der
Delegirte der Bauhütte zu Oldenburg i. Gr.; 6) Hülfskassenwesen;
7) Submissionen; 8) Verbands-Angelegenheiten und die Tages—
»rdnung der Verbands-Versammlung in Breslau d. J.; 9 Bericht
der Budget- und Kassenrevisions-Kommission; 10) a. Wahl der Dele—
zirten zu der Verbandsversammlung in Breslau d. J., b. Wahl
»es Ortes der nächstjährigen Delegirten-Versammlung des Nord—
heutschen Baugewerkvereins.
Gleichzeitig mit der Tagesordnung wurde folgendes Pro—
zramm aufgestelt: Am 2. Nachmittags 5 Uhr: Vorversammlung.
Nach Schluß derselben: Gesellige Vereinigung. Montag, d. 3. d. M.
) Uhr Vormittags: Hauptversammlung. Nach Schluß der Ver—
jandlungen, 31,. Uhr? Besichtigung des Rathhauses, Audienzsaal
ind Kriegsstube resp. der Pläne für die Renovirung der letzteren;
bR Uhr: Besichtigung des neuen Verwaltungsgebäudes der Deut—
chen Lebens-Versicherungs-Gesellschaft; 50 Uhr: Spaziergang
durch den Holzhafen nach „Chimborazo“, Aussicht auf die Stadt;
7 Uhr Abends: Fest-Bankett im Rathskeller. Dienstag, d. 4. d. M.
10 Uhr Vormittags: Fortsetzung der Haupt-Versammlung. Nach
Schluß der Versammlung: Dampfschifffahrt nach Travemünde.
Besichtigung der Trave-Korrektion. 3 Uhr: Gemeinsames
ssen in der Badeanstalt. 5 Uhr: Fahrt in See. 7 Uhr: Rück—
sahrt nach Lübeck. Nach Ankunft in Lübeck: Gesellige Vereinignng
m Versammlungslokale der Bauhütte: Krambuden 248. J. —
Anwesend waren 43 Delegirte, davon aus Hamburg-Altona 16,
1. A. Maurermeister C. H. M. Bauer, Zimmermeister J. M.
C. Grell, Steinmetzmeister C. Schlick ꝛc. Aus Lübeck und Bremen
ftanden je 4 auf der Präsenzliste. die Uebrigen aus Schleswig-
*) In dem obigen Oesterreichischen Falle fand der oberste Gerichtshof
zu Wien mit Recht in der Verbauung von Baumaterialien die aus einer
Bautischlerei (Fabrik) vom Bautischler angeschafft waren, um sie eben in das
Zaus des Bouberrn zu verbauen, ein Handelsgeschäft. Denn jener Bau—⸗
ischler ist nicht, wie der im Text gedachte Angehörige des Baugewerbes,
Selbstproduzent der Baumaterialien, sondern er hat letztere als beweg—
iche Sachen erworben und veräußert, so daß die Ersordernisse des Art. 271
Rr1 zutteffen. Der Unterschied beider Fälle erbellt von selbst