Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 43, Bd. 2, 1883)

Wohn⸗ und Geschäftshaus des Herrn Kaufmann Henckel in Prenzlau. — Das Wohnhaus der Renaissance und Gegenwart. 
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und Tapezierer-Arbeiten ca. 60 000 Mark betragen. Der Entwurf 
ist von dem Architekten ß Diesener zu Berlin angefertigt, unter 
dessen Leituna auch die Ausführung des Baues ersolat ist. 
Das Wohnhaus der Renaissance und 
Gegenwart. 
Skizze von Albert Hofmann. 
Die Stätte, an der das menschliche Leben in all' seiner sorg- 
losen Heiterkeit, seinen Irrungen und unsäglichen Leiden in wechsel⸗ 
reicher Folge dahinrinnt: das Haus, welches in seinem Schutze 
die trauliche Heimlichkeit und das stille Lebensglück der Familie 
birgt, hat in keiner Zeit eine idealere Gestaltung erlangt, als zur 
Zeit der Wiedergeburt der Künste und Wissenschaften; in dieser 
neuen Aera gestaltete sich die Heimstütte des Menschen zu einem 
Kunstgebilde, sie wurde zur Spräche seiner Seele. Unter rastlosem 
Bilden und Schaffen einer ungebundenen Phantasie und eines 
freien Willens war sie das Bekenntniß der individuellen, sozialen 
Anschauung. Denn in der Renaissance tritt der Profanbau als 
ein in sich abgeschlossenes, selbstständiges Ganze, als ein organisches 
Kunstgebilde erst auf, nachdem es dem bis dahin gebundenen In— 
dividualismus gelungen war, sich frei zu machen und in absoluter 
Freiheit dem Schaffen von Geist und Seele keimfähigen Boden 
zu bereiten. Zur Zeit des Mittelalters, jener Epoche zahlloser 
Bemeinwesen ünd Korporationen, schlummerte in dem Indiwiduum 
noch das Gefühl der eigenen persönlichen Bedeutung; es ging 
anter in den allgemeinen Kollektivbegriffen, wie sie diefes Zeitaltet 
ausgebildet hatte. Der Einfluß des Priesterthums auf das Volk, 
welche in ihm den fanatischen Glauben erzeugte und nährte und 
es durch künstliche Vorstellungen fortwährend in einem gewissen 
Wahne befangen hielt, war es, welche dem Individuum den Muth 
raubte, auch nur innerlich den Gedanken eigener Selbstständigken 
und eigenen Willens und Könnens in sich aufkommen zu lafssen. 
Kindliche Furcht und naive Auschauungsweise, eingeimpft von der 
berechnenden Geistlichkeit, ließen das von seelischen Irrungen voll 
ständig eingenommene Innere des mittelalterlichen Indsdiduums 
zu kelner selbsterhebenden Bestrebung kommen. Erftals mit der 
Erfindung der schwarzen Kunst, der Kunst, welche das gesprochene 
Wort in tausendfacher Weise vervielfältigte und auch dem weniger 
Begüterten die Wissenschaft und Weltkenntniß zugänglich machte, 
als diese Kunst zum Heil der Wienschheit erfunden' und reiches 
Wissen auch unter dem Volke verbreitet ward. da dämmerte es in 
— — 
In einem späteren Artikel werden wir eine genaue statische 
Berechnung der in dem Gebäude enthaltenen Eisenkonstruktionen 
bringen. —28 — 
nancher Seele; gleich einem unterirdischen, tosenden Vulkane erhob 
iich die bessere Erkenntniß zur Bekämpfung der geistigen Nacht, in 
welcher das Volk unverschuldet bisher gelegen hatte. Frei athmete 
dann das Individuum auf, glücklich in der Erkenntniß des eigenen 
Werthes und der Stellung in der menschlichen Gesellschaft. —8— 
Entdeckung der Welt fügt die Kultur der Renaissance eine noch größere 
Leistung, indem sie zuerst den vollen Gehalt des Menschen ent⸗ 
deckt und zu Tage fördert“, wie der Historiker Michelet geistvoll 
'agt. Vom Süden ging die Entdeckung des Menschen nach dem 
orden, jedoch nicht ohne schwere Kämpfe zu bestehen mit der 
in ihren Plänen und Absichten durchschauten Geistlichkeit und den 
est eingewurzelten Ueberlieferungen des Mittelalters. Indeß 
var die Entwickelung der Bewohner des Südens nicht allein 
eine innere, geistige, sondern auch die Außenseite des Menschen 
rxwarb sich eine größere Verfeinerung und Vervollkommnung und 
war in bedeutenderem Maße, als dies im Norden der Fall war. 
So ging der Süden dem Norden voran, nicht in dieser einzigen 
dinsicht, sondern in allen Möglichkeiten, welche mit der Erungen⸗ 
chaft der individuellen Freiheikt zusammengingen, oder aus ihr ent— 
prangen. Das eigene Erkennen des individuellen Werthes ließ 
»en Menschen sich die Stellung zu erringen trachten, welche ihm 
einer relativen Bedentung zufolge zukam. Dieser Ruhm persön— 
icher Auszeichnung gebührt vor Allen und zuerst den Italie nern. 
Feiner in der Erscheinung, delikater in der Wahl der Umgebung 
und des Umganges, nimmt der Italiener eine weit höhere Stufe 
ein, als die üͤbrigen Völker der gleichen Zeit, gegenüber welchen 
er auch in feinerer Sitte, Vervollkommnung und Schönheit des 
äalichen Lebens den Vorantritt einnahm und behauptete. 
Die natürlichste Folge aller dieser Bestrebungen und Errungen— 
schaften war dann die Verschönerung und feinere Durchbildung 
des eigenen Heimes, der Stätte, wo sich der größte Theil des 
Lebens in sinniger Betrachtung und frohem Lebensgenuß abspielte. 
Mit der Erkenntniß des Werthes des Individuums tritt dann 
ruuch an den Profanbau die Aufgabe der Verherrlichung und Ver—⸗ 
schönerung des Einzeldaseins heran und große Geister neben den 
hervorragendsten Talenten widmen ihre Kräfte diesem Zwecke. 
Als ein Lieblingsobjekt der hohen Kunst erreicht der Privatbau 
dieser Zeit den Gipfelpunkt künstlerischen Werthes und ernster
	        

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