Wohn⸗ und Geschäftshaus des Herrn Kaufmann Henckel in Prenzlau. — Das Wohnhaus der Renaissance und Gegenwart.
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und Tapezierer-Arbeiten ca. 60 000 Mark betragen. Der Entwurf
ist von dem Architekten ß Diesener zu Berlin angefertigt, unter
dessen Leituna auch die Ausführung des Baues ersolat ist.
Das Wohnhaus der Renaissance und
Gegenwart.
Skizze von Albert Hofmann.
Die Stätte, an der das menschliche Leben in all' seiner sorg-
losen Heiterkeit, seinen Irrungen und unsäglichen Leiden in wechsel⸗
reicher Folge dahinrinnt: das Haus, welches in seinem Schutze
die trauliche Heimlichkeit und das stille Lebensglück der Familie
birgt, hat in keiner Zeit eine idealere Gestaltung erlangt, als zur
Zeit der Wiedergeburt der Künste und Wissenschaften; in dieser
neuen Aera gestaltete sich die Heimstütte des Menschen zu einem
Kunstgebilde, sie wurde zur Spräche seiner Seele. Unter rastlosem
Bilden und Schaffen einer ungebundenen Phantasie und eines
freien Willens war sie das Bekenntniß der individuellen, sozialen
Anschauung. Denn in der Renaissance tritt der Profanbau als
ein in sich abgeschlossenes, selbstständiges Ganze, als ein organisches
Kunstgebilde erst auf, nachdem es dem bis dahin gebundenen In—
dividualismus gelungen war, sich frei zu machen und in absoluter
Freiheit dem Schaffen von Geist und Seele keimfähigen Boden
zu bereiten. Zur Zeit des Mittelalters, jener Epoche zahlloser
Bemeinwesen ünd Korporationen, schlummerte in dem Indiwiduum
noch das Gefühl der eigenen persönlichen Bedeutung; es ging
anter in den allgemeinen Kollektivbegriffen, wie sie diefes Zeitaltet
ausgebildet hatte. Der Einfluß des Priesterthums auf das Volk,
welche in ihm den fanatischen Glauben erzeugte und nährte und
es durch künstliche Vorstellungen fortwährend in einem gewissen
Wahne befangen hielt, war es, welche dem Individuum den Muth
raubte, auch nur innerlich den Gedanken eigener Selbstständigken
und eigenen Willens und Könnens in sich aufkommen zu lafssen.
Kindliche Furcht und naive Auschauungsweise, eingeimpft von der
berechnenden Geistlichkeit, ließen das von seelischen Irrungen voll
ständig eingenommene Innere des mittelalterlichen Indsdiduums
zu kelner selbsterhebenden Bestrebung kommen. Erftals mit der
Erfindung der schwarzen Kunst, der Kunst, welche das gesprochene
Wort in tausendfacher Weise vervielfältigte und auch dem weniger
Begüterten die Wissenschaft und Weltkenntniß zugänglich machte,
als diese Kunst zum Heil der Wienschheit erfunden' und reiches
Wissen auch unter dem Volke verbreitet ward. da dämmerte es in
— —
In einem späteren Artikel werden wir eine genaue statische
Berechnung der in dem Gebäude enthaltenen Eisenkonstruktionen
bringen. —28 —
nancher Seele; gleich einem unterirdischen, tosenden Vulkane erhob
iich die bessere Erkenntniß zur Bekämpfung der geistigen Nacht, in
welcher das Volk unverschuldet bisher gelegen hatte. Frei athmete
dann das Individuum auf, glücklich in der Erkenntniß des eigenen
Werthes und der Stellung in der menschlichen Gesellschaft. —8—
Entdeckung der Welt fügt die Kultur der Renaissance eine noch größere
Leistung, indem sie zuerst den vollen Gehalt des Menschen ent⸗
deckt und zu Tage fördert“, wie der Historiker Michelet geistvoll
'agt. Vom Süden ging die Entdeckung des Menschen nach dem
orden, jedoch nicht ohne schwere Kämpfe zu bestehen mit der
in ihren Plänen und Absichten durchschauten Geistlichkeit und den
est eingewurzelten Ueberlieferungen des Mittelalters. Indeß
var die Entwickelung der Bewohner des Südens nicht allein
eine innere, geistige, sondern auch die Außenseite des Menschen
rxwarb sich eine größere Verfeinerung und Vervollkommnung und
war in bedeutenderem Maße, als dies im Norden der Fall war.
So ging der Süden dem Norden voran, nicht in dieser einzigen
dinsicht, sondern in allen Möglichkeiten, welche mit der Erungen⸗
chaft der individuellen Freiheikt zusammengingen, oder aus ihr ent—
prangen. Das eigene Erkennen des individuellen Werthes ließ
»en Menschen sich die Stellung zu erringen trachten, welche ihm
einer relativen Bedentung zufolge zukam. Dieser Ruhm persön—
icher Auszeichnung gebührt vor Allen und zuerst den Italie nern.
Feiner in der Erscheinung, delikater in der Wahl der Umgebung
und des Umganges, nimmt der Italiener eine weit höhere Stufe
ein, als die üͤbrigen Völker der gleichen Zeit, gegenüber welchen
er auch in feinerer Sitte, Vervollkommnung und Schönheit des
äalichen Lebens den Vorantritt einnahm und behauptete.
Die natürlichste Folge aller dieser Bestrebungen und Errungen—
schaften war dann die Verschönerung und feinere Durchbildung
des eigenen Heimes, der Stätte, wo sich der größte Theil des
Lebens in sinniger Betrachtung und frohem Lebensgenuß abspielte.
Mit der Erkenntniß des Werthes des Individuums tritt dann
ruuch an den Profanbau die Aufgabe der Verherrlichung und Ver—⸗
schönerung des Einzeldaseins heran und große Geister neben den
hervorragendsten Talenten widmen ihre Kräfte diesem Zwecke.
Als ein Lieblingsobjekt der hohen Kunst erreicht der Privatbau
dieser Zeit den Gipfelpunkt künstlerischen Werthes und ernster