Zur Lohnfrage der Berliner Bauhandwerker. — Die Navarro Apartment⸗Häuser am Central-Park in New-Hork. 742
Die Navarro Apartment Häuser am Central—
Park von New Nork.)
(Hierzu 2 Fig
J Die Bauthätigkeit New-York's während der letzten beiden
Jahre zeichnet sich nicht nur duͤrch eine noch nie vorher dagewesene
Lebhaftigkeit ans, sondern hat auch Bauten hervorgebracht, welche
in Großartigkeit und Kühnheit der Konzeption ihres Gleichen in
der Welt suchen. In den letzten Jahren sollen von Privatleuten
in New-HYork über 70 Bauten ausgeführt sein, deren RKosten je
auf mehr als 100000 Dollars geschätzt sind. Hierunter fallen
hesonders jene kolossalen palastartigen Wohngebände „Apartment—
Häuser“ genannt, in den besseren Stadttheilen in das Auge, welche,
aus ihrer Umgebung wie Riesen emporragend, auf einem ver—
sältnißmäßig kleinen Grundstück eine große Anzahl von geräu—
nigen Wohnungen mit allem denkbaren Comfort und Eleganz
zewähren. Den Anstoß zu dieser neuen Bauweise gab das eng:
ische Cooperativ-System, welches vor einigen Jahren hier mehrfach
Aufnahme fand und es einem Jeden, der sich ein Paar taufend
Dotlars erspart hatte, ermöglichen sollte, sich ein eigenes unab—
jängiges Heim zu schaffen. Während indessen der Zweck dieser
kinrichtung ursprünglich Billigkeit war, veränderte sich ihr Cha—
akter bald und es wurden Bauten geplant, die an Eleganz und
Broßartigkeit alles Dagewesene übertreffen sollten. Der Haupt-—
zrund, weshalb solche kostspieligen Bauten von acht, zehn, ja
wölf Stockwerken Höhe von Privatleuten oder Privatgesellschaften
zusgeführt werden, ist in der Kostspieligkeit der Bauplätze in
»esseren Gegenden zu suchen, die durch die geringe Bodenfläche
New VYork's bedingt ist.
Da die Baukosten jedes dieser großen Gebäude oft auf eine
Biertelmillion Dollars angegeben werden und das Grundstück den
leichen Werth repräsentirt, so würde es schwer fallen, einen
Spekulanten zu finden, der so viel Geld in ein einziges Haus
sineinstecken kann, denn zum Verkauf eignet sich dasselbe nicht.
Deshalb vereinigt sich eine Anzahl von Privatleuten zum Bau
eines solchen Hauses, wobei ein Jeder eine Einzahlung von etwa
15000 bis 20000 Dollars macht, um die Hälfte der Baukosten zu
decken, wofür er aber unumschränkter Besitzer von einem ganzen
oder einem halben Stockwerke wird. Die übrigen Kosten werden
nit Hypotheken auf das Haus gedeckt. Hierzu kommen für jeden
Theilhaber noch jährliche Ausgaben, wie für Grundmiethe, Zins
für die Hypothek, Heizung, Betrieb der Elevatoren, Gehalt für
die allgemeinen Dienstleute u. s. w. die sich auf 1300 bis 1800
Dollars belaufen. Dagegen wird indessen an Dienstleuten in den
Wohnungen gespart und durch Vermiethung der übrigen Räume
eine Baareinnahme erzielt.
Als bedeutendstes Unternehmen dieser Art, was Großartig—
deit, Eleganz und Originalität betrifft, können wohl jene acht
Bauten bezeichnet werden, welche von der Architektenfirma Hubert,
birsson u. Co. auf der westlichen Hälfte des Blockes zwischen
58. und 59. Straße und zwischen 6. und 7. Avenue vor dem
TFentral-Park aufgeführt werden. Diese, nach ihrem Unternehmer
Fosé M. Navarro „Navdarro-Flats“ genannt, oder auch nach ihren
panischen Namen die „Spanischen Apartment-Häuser“, werden
iach einem einheitlichen Stil auf einem Grundstück von 425“ Länge
und 2015 Breite für einen Kostenbetraa von etwa 3000000 Dollars
gebaut.
Das Arrangement der acht Gebäude auf dem genannten
jalben Block ist aus dem nachfolgenden Plan (Fig. 1) zu ersehen.
Während die Gebäude in der perspektivischen Ansicht als ein zu—
ammenhängendes Ganze erscheinen, sind sie unten durch weite
Durchfahrten und oben in jedem zweiten Stockwerk durch luftige
Arkaden von einander getrennt, wodurch in den verhältnißmäßig
engen Höfen der hohen Bauten eine ausgezeichnete Ventilation er—
noͤglicht ist. Diese Ventilation der Höfe ist in sanitärischer Hin—
icht um so wichtiger, als zwei über einander liegende Höfe da
ind, von denen der obere als gemeinsamer Aufenthaltsort der
Bewohner dienen soll und nur diesen zugänglich ist, während der
»arunter liegende tunnelartige Hof, mit einer besonderen Einfahrt
an der Privatstraße, nur zur VBeförderung von Lebensmitteln und
anderen Waaren in die Untergeschosse oder Basements der Häuser
dient, von wo die Weiterbeförderung mittelst Elevatoren in die
einzelnen Wohnungen geschieht. Der Verkehr mit den Händlern
findet also nicht durch die Frontseiten der Gebäude statt, sondern
auf einem für die Bewohner unsichtbaren Wege, wodurch die ganze
Anlage einen ruhigeren und exklusiveren Charakter erhält. Die
oberen drei zusammenhängenden Höfe enthalten Gartenanlagen
und Sprinabrunnen und sind ebenso wie die durch die Gebäude
Zur Lohnfrage
der Berliner Bauhandwerker
„In einer vor Kurzem abgehaltenen General-Versammlung
der Zimmerleute Berlins nahm dieselbe nach einem Referate des
Herrn Schönstein folgende Resolution an: „Die heutige General—
Versammlung der Berliner Zimmerlente erklärt, daß dieselben ihr
Wort in Betreff der früheren Abmachungen mit den Meistern in
keinem Fall gebrochen haben, daß vielmehr jede gegentheilige Be—
hauptung widersinnig ist und der thatsächlichen Grundlage ent—
behrt. Die Zimmerleute Berlins erklären, nach wie vor an dem
Lohn von 40 Pfennigen pro Stunde festhalten zu wollen, und
hoffen, daß speziell die Herren Innungsmeister eine Lohnreduktion
nicht eintreten lassen werden, weil dies gerade den Grundsätzen
der Innung, wie z. B. der Bekämpfung des auf dem Prinzip der
Minimalforderung bernhenden Submissionsweseus, direkt zuwider—
laufe. Mit demselben Recht, mit welchem die Baugewerks- (In—
nungs-) Meister von der Behörde verlangen, daß bei öffentlichen
Submissionen die Mindestfordernden ausgeschlossen werden, können
auch die Zimmerleute (Gesellen) von der Behörde fordern, daß
dieselbe bei Submissionsvergebung öffentlicher Bauten von jedem
konkurrirenden Baugewerksmeister die Angabe des Minimallohnes
verlangt, den zu zahlen er sich verpflichtet. Uebrigens muß zur
Ehre vieler Zimmermeister anerkannt und öffentlich konstatirt
werden, daß sie den vereinbarten Lohn von 40 Pfennigen pro
Stunde fortbezahlen.“
Nach der von der Berliner Bauinnung veröffentlichten sta—
tistischen Lohnerhebung vom 13. Oktober wurde, abgesehen von
den Junggesellen, unter 40 Pfennig pro Stunde bei den Maurern
an 22,8 pCt., bei den Zimmerern an 13,66 pCt. der Gesellen ge—
zahlt. Diese Lohnerhebung bezieht sich natürlich nur auf die
Mitglieder der Innung, sodaß wohl anzunehmen ist, die Behaup—
tung der Gesellen in der obigen Resolution bezieht sich vorwiegend
auf die Arbeitgeber, welche der Innung nicht angehören. Wenn
nun das Organ des Verbandes Deutscher Baugewerksmeister die
Behauptung aufstellt, daß auf vielen Bauten, weil die Haupt—
arbeitszeit vorüber sei, der Lohnsatz von 40 Pfeunigen pro Stunde
nicht mehr gezahlt werde, so mag sich dieselbe ebenfalls haupt—
sächlich aiff Innungs-Mitglieder beziehen, da man nicht wohl an—
nehmen kann, daß die Zim. Aen in ihrer Wesolution eine Un—
wahrheit behauptet haben.
Wir wollen es dahingestellt sein lassen, wen die Schuld
trifft, daß die Abmachungen des vorigen Winters nicht gehalten
sein sollen; es mag ja wohl von beiden Seiten etwas gesündigt
sein. Jedenfalls stimmen wir dem Organ des Verbandes aus
vollem Herzen zu, wenn es die Mahnung an die Arbeitgeber aus—
spricht, sich nicht durch irgend welche anderen Gründe bestimmen
zu lassen, bei vermehrtem Angebot die Lohnsätze herabzusetzen,
sondern einzig und allein zu erwägen, daß es einem Maurer- oder
Zimmergesellen in Berlin unmöglich ist, mit einem geringeren
Lohnsatze als 40 Pfennige pro Stunde existiren zu können. Wir
fügen hinzu, daß durch ein solches ungerechtfertigtes Herabsetzen
des Lohnes der zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern be—
stehende Zwist nicht beigelegt, sondern nur erweitert werden kann.
Es ist doch vor allen Dingen Pflicht der Arbeitgeber, dahin zu
streben, daß dieses unglückselige Verhältniß ein Ende erreiche und
nicht durch eigene Schuld immer schlimmer sich gestalte. Wir
können also nur wiederholt rathen, ungünstigere Arbeitsverhältnisse
nicht zur Herabsetzung des Lohnes auszunutzen und an denjenigen
Orten, woͤ die Lohnsätze den örtlichen Verhältnissen nicht ent⸗—
sprechend sind, rechtzeitig mit einer Lohnerhöhung aus eigener
Initiative vorzugehen.
Aus der oben mitgetheilten Resolution werden unsere Leser
ferner ersehen, wohin es führt, wenn in öffentlichen Versamm—
lungen Beschlüsse gefaßt werden, wie der von der Delegirten—
Verfammlung Deutscher Baugewerksmeister zu Breslan in Bezug
auf das Sübmissionswesen angenommene. Will man die, Reso—
lution der Delegirten-Versammlung für eine berechtigte halten,
dann kann man auch die der Berliner Zimmergesellen durchaus
nicht von der Hand weisen; wohin, das aber führen soll, kann sich
Jeder leicht selbst sagen. Ungeschicklichkeit in der Ausnutzung der
don den Arbeitgebern gegebenen Blößen kann man, den Zimmer—
gesellen keineswegs vorwerfen; aber auch das Recht hierzu wird
hnen kein billig Denkender absprechen können, denn sie verthei⸗
digen hierbei euͤtschieden wohl berechtigte Interessen. — 2 —
*) Wir entnehmen diesen interessanten Beitrag dem vortrefflich redi—
girten „New-Norker Techniker“ Die Red