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Das Wohnhaus der Renaissance und Gegenwart. — Miittheilungen aus der Praris.
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Fordova, Granada, Valencia, Lisbon, Barcelona, Saragossa und
Tolosa bieten fesselnde, stattliche Bilder. Die vier Ecken werden
hvon runden Thürmen gebildet, während zahlreiche Erker und Bal—
'one in den verschiedenen Wohnungen dem Bau ein höchst inter—
essantes Ansehen verleihen. Das Untergeschoß und die beiden
ersten Stockwerke sind an der Front aus schweren Sandsteinblöcken
zusammengefügt und bilden einen äußerst kräftig gehaltenen Unter—
Jau für die oberen Stockwerke, welche rothe Ziegel mit Sandstein—
Einfassungen im spanisch-maurischen Stile zeigen. Diese Stock—
werke sind nun in verschiedener Weise architektonisch behandelt,
wobei oft mehrere zu einer Gruppe zusammengefaßt sind, so daß
vir überall Abwechselung finden, ohne daß jedoch dabei der all—
zemeine Plan darüber verloren ginge. Einen ganz eigenthümlichen
Reiz erhält das Bauwerk durch die Arkaden zwischen je z3wei
däusern.
Von diesen acht Häusern sind die vier, welche auf der West—
hälste liegen, jetzt im Rohbau vollendet und werden dieselben wohl
m nächsten Frühjahr zum Einziehen fertig sein. Die übrigen
vier sind neuerdings ebenfalls in Angriff genommen.
In jedem dieser Häuser finden 16 Familien Platz, im ganzen
Bau also 128 Familien und dazu noch eine kleine Armée von
Dienstleuten.
die annehmlichste Bestimmung haben, dem Eigenthümer und seiner
Familie eine trauliche und augenehme Heimstätte zu sein, als Ort
der stillen, ruhigen Zurückziehung nach des Tages mühevollem
Ringen und aus dem geräuschöollen, geschäftlichen Leben der
nneren Stadt. Das Wohnhaus, welches in Bezug auf seine äußere
Erscheinung wie in Bezug auf die Ausstattung des Junern
zwischen Palast und Zinshaus die Mitte halten soll, tritt noch
ehr vereinzelt auf; es wird von dem Zinspalast und der Mieths—
kaserne noch vollständig überwuchert.
In geschäftlich-kommerzieller Beziehung haben die neueren
Verhältnisse eine tiefer gehende Umwandlung erfahren. Die Ver—
vollkommuung der Trausportmittel und die Wahil der Fahrwege,
die gesteigerte fieberhafte Thätigkeit und Lebendigkeit des handel—
treihbenden Standes und das dadurch entstehende Getöse und die
geräuschvolle Unruhe waren der Grund der Trennung des Familien—
wohnsitzes von den Geschäftsräumen. Während die Geschäftshäuser
mit ihren Kaufläden und Magazinen sich im Herzen der Stadt, in
der City befinden, schlägt der Geschäftsinhaber seinen Wohnsitz in
den äußeren, ruhigeren und gesünderen Stadttheilen oder vor dem
Thore auf, wo er die Mußestunden im Kreise feiner Familie in
ruhiger, beschaulicher Zurückgezogenheit verlebt. Ein prächtiger
Handelspalast legt beredtes Zeugniß ab von dem rastlosen Fleiß
seines Eigenthümers und verkörpert unter dem Aufwande reicher
Mittel die innere Größe des Geschäftes,
(Schluß folgt)
Das Wohnhaus der Renaissance und
Gegenwart.
Skizze von Albert Hofmann.
(Fortsetzung.)
Die Grundlagen, auf denen sich der Privatbau der Neuzeit
entwickelt, sind in manchen Beziehungen dieselben, wie jene der
Vergangenheit, in manchen Beziehungen aber haben diese Grund—
lagen eine den zeitlichen Fortschritten entsprechende, wesentliche
Aenderung erfahren. Dieselben sind sie geblieben, was Ausprüche
auf behagliche Wohnlichkeit anlangt, dieselben sind sie wieder geworden,
— nach einer Zeit der Surrogate, der Imitation, der dürftigen, kahlen
uind werthlosen Ausstattung, — in Bezug auf Gediegenheit der
Stoffe und Schönheit der Form als das erste Gebot, welches das
jeinere und wohlgebildetere Auge und Schönheitsgefühl stellten;
wesentlich andere aber sind sie geworden in Bezug auf die ge—
chaäftlich-kommerziellen, sozial-familiären und theilweise auch lo—
kalen Verhältnisse. Der Werth des bebauten Bodens, die national
und örtlich verschiedenen Gewohnheiten und Gebräuche, sowie das
Bestehen und die rigorose Ausübung der Polizeigesetze wirken zu—
sammen, um sowohl zeitlich, gegenüber dem Mittelalter und der
Renaissance, sowie örtlich charakteristische Unterschiede in der Aus—
bildung des modernen Hauses entstehen zu lassen. Dabei kommen
borwiegend jene Städte in Betracht, welche im Mittelalter bis in
die Neuzeit ein starrer Gürtel von Festungswerken umgab, der
dem Drängen nach Sprengung dieser Fesseln, verursacht durch die
immer mächtiger auftretende Nothwendigkeit einer Erweiterung,
deranlaßt durch die stetig steigende Bevölkerungszahl, eisernen
Widerstand entgegensetzte. Bis in die jüngste Zeit haben sich die
neisten dieser Festungsgürtel in ihrer ursprünglichen Ausdehnung
erhalten, sodaß ein Bauwerk dem andern weichen mußte. Einer
freien Entwickelung des Hauses traten so als Gefsolge dieses Umstandes
jahllose Schwierigkeiten entgegen, an welchen Phantasie und Kunst
scheitern mußten, sobald ein Gebilde entstand, welches gehemmt in
der freien Ausbildung, überall den Stempel des Zwanges und
der Einschränkung ausgeprägt hatte. Diese Festungen haben auch
»is in die neueste Zeit keine ausgebildete villa suburbana vor
der Stadtumwallung gehabt, denn bedingt durch die noch nicht
oweit vorgeschrittene Ansbildung der Schußwaffen lagen die Forts
in nur geringer Entfernung von der Stadt, sodaß eine bauliche
ultivirüng des Terrains innerhalb jenes Fortsringes und der
Stadtumwallung der Unsicherheit und dem verkümmerten Natur—
genuß zum Opfer fiel. In der jüngsten Gegenwart indeß, wo
zie Projektile unserer Schußwaffen eine erstaunliche Tragweite er—
reicht haben, wird die Entfernung zwischen Stadtumwallung und
Außenwerken eine so bedeutende, stundenweite, daß die Geschosse
veit vor der Stadt wirkungslos niederfallen. Auf dem breiten
Terraingürtel nun, welcher sich durch das Verlegen der Außen—
werke gebildet hat und wo die natürlichen Verhältnisse eine freiere
Entwickelung erlauben, kann dann, die villa suburbana erstehen.
Einen' mächtigen Umstand für die Entwickelung des Privat—
»aues der Gegenwart bilden die Stadterweiterungen als im Ge—
olge der Schleifung und Verlegung der Festungswerke der größeren
befestigten Plätze. Hier entsteht neuer Boden zur Anlage herr—
icher Straßen, monumentaler Häusergruppen und prächtiger Einzel—
»auten. Hier eutstehen dann auch die Gebäude, die nicht als
Obiekt reschlichen Erträgnisses zu betrachten sind, sondern welche
Mittheilungen aus der Praxis.
Das Submissionswesen
giebt immer noch in den gewerblichen Kreisen reichliche Veran—
assung zu Klagen. Neuerdings veröffentlichte die „Nordd. Allg.
Ztg.“ Deinen ihr über diesen Gegenstand zugegangenen Aufsas,
welcher nicht nur als Zengniß für die Fortdauer der Kalamität
Beachtung verdient, sondern auch das Moment, welchem neben
der allgemeinen Wirthschaftslage zweifellos die Hauptschuld an
dem Vorherrschen einer ungesunden Schleuderkonkurrenz bei den
iffentlichen Submissionen zuzuschreiben ist, treffend kennzeichnet,
leider freilich, um dann zum Schluß zu einem wenig geeianeten
Abhilfsvorschlage zu gelangen.
Das Zeugniß für die Fortdauer der unvernünftigen Unter—
hietungen ist zunächst insofern von Werth, als das beklagte Sub—
nissionsunwesen vielmehr die Wirkung der noch immer ungesunden
Beschäftslage unseres Gewerbes ist als deren Ursache. Wer es
ieht, wie die Gewerbtreibenden fast noch in allen Branuchen sich
zur Uebernahme öffentlicher Lieferungen und Arbeiten drängeu,
elbst wenn nur ein minimaler Gewinn, ja, vielleicht sogar ein
Verlust dabei in Aussicht steht, der sollte sich hüten, fortwährend
»on einem kolossalen Aufschwunge der deutschen Gewerbethätigkeit
ils „Effekt“ der Bismarck'schen Wirthschaftspolitik in so hohem
Tone zu reden, wie dies die gouvernementale Presse bereits seit
Fahr und Tag für ihre Pflicht hält. Doch das nur beiläufig.
Werthvoll erscheint es jedenfalls, daß aus dem Gewerbestaude her—
ius einmal die Ueberzeugung in voller Klarheit ausgesprochen
vird, daß der Hauptfehler, über welchen die Geschäftswelt beim
taatlichen wie beim kommunalen Submissionswesen berechtigter
Weise sich beschwert, in der internen Behandlung der Behörden
iegt. Der Gewährsmann der „Nordd. Allg. Zig.“ erkennt mit
Recht an, daß die Behörden selbst die irrationellen Unterbietungen
hrer Lieferanten theoretisch keineswegs billigen oder wünschen.
Die Submissionsbedingungen verlangten in der Regel ausdrück—
ich, daß der den Zuschlag erlangende Submittent zur Ausführung
des betreffenden Geschäfts technisch und finanziell befähigt sei, und
nachten dadurch die Prüfung der Frage nothwendig: „Ist der
A
nergebende Leistung gegen Zahlung des geforderten Preises aus—
uführen, ohne sich oder dritte Personen an ihrem Vermögen zu
chädigen?“ denn eine Offerte, „deren Forderungen und Leistungen
inter einander in Mißklang stehen“, sei schon für sich allein ein
Beweis für die mangelnde Qualifikation ihres Urhebers. Trotz—
dem votire der submittirende Beamte ausnahmslos für den Min—
destfordernden“.
Diese in der That auffällige Erscheinung wird nun folgen—
dermaßen erklärt. Beantrage der submittirende Beamte die Ueber—
gehung des Mindestfordernden, so müsse er seiner vorgesetzten
Behörde hierfür bestimmte Nachweise schaffen, d. h. sein Votum
zehörig motiviren. Es sei nun aber „der Mangel an technischer
sind finanzieller Qualifikation, selbst wenn derselbe offenkundig ist,
nur in den wenigsten Fällen unter Beweis zu stellen“, und zudem
sei es für den betreffenden Beamten in hohem Maße „peinlich“
in einer so „delikaten“ Angelegenheit ein schriftliches Votum ab—