Landwirthschaftliche Baukunst
Landwirthschaftliche Baukunst.
Von Baurath Engel.
Von dem blühenden Zustande der Landwirthschaft hängt der
nnere Wohlstand und die wahre Stärke eines Staates ab; sie
hringt die unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse hervor, liefert dem
Dandwerker und Fabrikanten die Materialien zu ihren Arbeiten,
Thöht den Nationalreichthum und befördert dadurch die Bevölke—
zung, den Geldumlauf und den Handel; sie wird endlich nicht so
on' Zufälligkeiten beeinflußt, wie andere Erwerbszweige, sondern
macht das Land von anderen Ländern unabhängig.
Der erfolgreiche Betrieb der Landwirthschaft, welcher dem
Boden die größimöglichste Rente abzugewinnen suchen muß, er—
sordert als Mittel'zum Zweck: Gebäude! — —
In Deutschland beträgt der Werth der zum Wirthschafts⸗
»etriebe größerer Güter nöthigen Gebäude nicht unter !,, bei kleinen
aber bis 1,5, im Mittel 1/, bis ihres Kapitalwerthes; erwägt
nan nun, daß die Amortisation des Baukapitals und die Kosten
der Unterhaltung der Wirthschaftsgebäude durchschnittlich 20,0 der
Anschaffungskapitalien betragen, so muß es einleuchten, daß die
zum Betriebe einer Wirthschaft erforderlichen Gebäude eine drückende
Last der ersteren sind, welche die Reinerträge großer Güter bedeutend
bermindert, den Besitzer kleiner Wirthschaften zum Selbsthandan—
legen zwingt und demselben trotz unermüdlichen Fleißes nur
zu oft kaum die Zinsen seines aufgewendeten Kapitales einbringt!
— Diese, selbst bei nicht zu kostspieligen Bauten beobachteten That—
sachen machen es nöthig, daß der Baumeister sich möglichst viel
Kenntnisse von der Landwirthschaft anzueignen suche, um zweck—
mäßige Dispositionen und Konstruktionen treffen und deren An—
wendung bis in die kleinsten Details verfolgen zu können; be—
sonders wichtig ist es, bei der Ausführung von Wirthschaftsgebänden
die möglichst billige Herstellung der Gebäude mit deren
Z3weckdienlichkeit zu vereinigen.
Nach dem Ausspruche des verewigten Staatsrathes Albrecht
Thaer, des Begründers unserer rationellen Landwirthschaft, sind
Gebäude dem Landwirth unentbehrlich, nur durch sie wird ein
Landgut erst benutzbar; hat unbebauter Boden Werth, so hat er
hn nur durch die Gelegenheit, Gebäude zu errichten, oder durch
die Verbindung, worin er mit anderen schon vorhandenen gesetzt
werden kann; aber sehr verschieden ist die Menge derselben, nach
den Gebräuchen und Fertigkeiten der Menschen sich mit mehr
»der weniger derselben zu helfen. Landessitte, Gebräuche, Uebung
und vor Allem eingewurzelte Ansichten tragen sehr viel bei;
so z. B. will der Deutsche oft mit massiven Schweineställen prahlen,
indessen er sich in seiner Wohnung die nothwendigsten Bequemlich—
ichkeiten entzieht. Massive hohe Scheunengiebel, rothschimmernde
Dächer sehen, ist sein Lebensgenuß und Jeder spottet des zweck—
näßigsten Schuppens, weil er nicht das Aeußere eines Granit—
elsens hat! —
Obgleich, seitdem Thaer dieses schrieb, eine lange Reihe von
Jahren verflossen ist, so hat sich in dieser Hinsicht doch nur ver—
hältnißmäßig wenig geändert, denn noch heute schmächtet die
deutsche Landwirthschaft unter dem Drucke eines zu
zroßen Gebäudekapitals, von dem ein nicht unerheblicher
Theil, wenn er als umlaufendes Kapital zum Wirihschaftsbetriebe
wendet werden könnte, auf diesen belebend und fördernd wirken
würde.
Vergebens weisen landwirthschaftliche Autoritäten auf die,
rotz eines anspruchslosen Gebäudebedürfnisses, musterhaft betriebene
engliscche Landwirthschaft hin, in welcher das auf die Gebäude
derwendete Kapital 15 bis höchstens 20pCt. des Grundwerthes be—
rägt, während dasselbe bei uns häufig 30 bis 50)01. des leßteren
uusmacht.
Jene Ersparniß ermöglicht der englische Landwirth besonders
dadurch, daß er seine Ernten an, Getreide und Heu lediglich in
Feimen oder Miethen so meisterhaft unter freiem Himmel ausf—
tapelt, daß sie sich in denselben, obgleich die wässerigen Nieder—⸗
chläge dort bedeutend stärker und laͤnger auftreten, s hei uns
zesser halten, als in Gebäuden.
Der englische Landwirth hütet sich bei Weitem mehr, als
X deuntsche, sein Betriebskapital durch Aufwendungen für Ge—
päude zu schwächen, und wenn auch unsere Wirthschaftsgebäude
zanz anderen wirthschaftlichen und klimatischen Verhälinissen zu
zenügen haben, mithin nicht Nachahmungen englischer Muster sein
können, so müssen wir doch das Prinzip des englischen Land⸗
wirthes: mit seinen Wirthschaftsbauten nur das dringende Be—
dürfniß zu decken, als das einzig richtige anerkennen und zu
defolgen suchen.
Jene, dem englischen Landwirthe eigene kaufmännische Berechnung
permissen wir bei uns meistens; der deutsche Wirth fühlt sich in der
Regel nur dann beiriediat, wenn weit über das zunächst liegende
Bedürfniß hinaus auch einer lange andauernden Festigkeit seiner
Bebäude Rechnung getragen wird. Es würde aber weit weniger
Beld auf Wirthschaftsbauten verschwendet, weit weniger unzweck—
näßige Anlagen dem strebsamen Wirthe Gegenstände des Ver—
»russes durch lange Jahre hindurch entstehen, wenn man dem Grund—
atze: unter Beruͤcksichtigung der klimatischen und wirthschaftlichen
Herhältnisse nur dem auf Zeit bemessenen Gebäudebedürfnisse
uu genügen, mehr allgemeine Geltung einräumen möchte.
Jumitten energischen Fortschrittes und Aufschwunges der
Landwirthschaft fordert jener Grundsatz volle Berücksichtigung, denn
nan baut keineswegs in landwirthschaftlichem Sinne
»illig, wenn man vorzugsweise fest und dauerhaft baut, um nicht
illein für sich, sondern auch für seine Nachkommen zu sorgen; der
zandwirth schniälert dadurch sein Betriebskapital nur zwecklos;
öchst selten findet man ältere Gebäude zweckentsprechend, viel
—
velche trotz derselben gewöhnlich nur halb zu befriedigen
flegen! —
8 Die Billigkeit landwirthschaftlicher Nutzbauten wird
erner durch die möglichste Beschränkung der Mauer- und Holz—-
nassen, sowie durch die Wahl zweckentsprechender Konstruktionen
ind Verwendung solcher Materialien gefördert, welche dem Land—
virthe zu Gebote stehen.
Hierin pflegt aber am meisten dadurch gefehlt zu werden,
daß man bei weniger geeignetem Material die genügende Sorg—
alt der Konstruktion vernachlässigt, oder eine durchaus ungenügende
ur Anwendung bringt. Um wohlfeil bauen zu können, muß der
Landwirth vornehmlich diejenigen Materialien zur Errichtung
einer Wirthschaftsgebäude verwenden, welche er selbst hat, produzirt,
,der billig in der Nähe erwerben kann; Aufgabe des Tech—
nikers ist es: die den zur Verfügung stehenden Baumaterialien
inhaftenden Mängel durch entsprechende Konstruktionen unschädlich
u machen.
Zur Zweckmäßigkeit der Wirthschaftsgebäude gehört deren
rforderliche Größe, Lage und solche innere Einrichtüng, welche
»er Arbeitsförderung nach Möglichkeit Vorschub leistet. Erwägt
man die lange Zeit, während welcher Wirthschaftsgebäude den
nannigfachen Arbeitsverrichtungen dienen sollen und wie sehr
mpfindlich unpraktische, die Vermehrung theurer Arbeitskräfte
iothwendig machende Einrichtungen der Gebäude den Wirthschafts—
iufwand zu steigern vermögen, so wird die Wichtigkeit, sowohl
»er Beachtung einer arbeitsersparenden Stellung, als auch die
yollkommene Berücksichtigung der obwaltenden wirthschaftlichen Ver—
rältnisse bei ihrer Einrichtung einleuchten.
Alle diese Ansprüche vermag der Baumeister nur dann zu
rrfüllen, wenn er nicht nur mit den Regeln der Baukunst, sondern
nuch mit dem Wesen und Wirken im Landwirthschaftsbetriebe voll⸗
ommen vertraut ist; — in der That, der Nutzen, welchen Bau⸗
neister durch „w irklich ökonomische Bauten“ nicht nur dem
Butsbesitzer, sondern auch dem Vaterlande bringen, ist kein geringer
ind daher ist das Studium des landwirthschaftlichen Bau—
vesens dem Baubeflissenen ebenso wichtig, wie nöthig!
Von der Meinung, daß z. B. eine Scheune wie die andere
(u konstruiren sei, ist man zurückgekommen, seitdem sich die In—
yustrie auf die Städte, oder auf bestimmte Gegenden geworfen
jat, dem Landwirth einen großen Theil seiner Arbeiter entzieht
ind diesen veranlaßt, die Dampfkraft, welche er bisher nur auf
eine sogenannten Nebengewerbe verwendete, auch auf die, für seinen
eigentlichen landwirthschaftlichen Betrieb wichtigsten Arbeitsmaschinen
zu übertragen, und der überall anerkannte, große Mangel an länd—
ichen Arbeitskräften den Landwirth nöthigt, solche Scheunen-Ein⸗
richtungen zu verlangen, welche die Einbringung der Ernte mit
nöqlichster Ersparung theuerer Menschenkräfte ermöglicht.
MNachdem man erkannt hat, welchen großen Einfluß die Be—
chaffenheit der Ställe auf die Ausnutzung der landwirthschaftlichen
dausthiere und die Gewinnung und Konservirung des Düngers, des
vichtigsten Faktors der Landwirthschaft, besitzt, muß die Bautechnik
jeute die größte Sorgfalt darauf verwenden, die Anforderungen,
velche eine vernünftige Hygiene an jeden Viehstall zu stellen hat,
zu erfüllen, während man früher der Ansicht war, daß als Siali
ür Vieh jeglicher mit Futtervorrichtungen ausgestatteter Raum,
n welchem sich die Thiere anbinden oder einstellen lassen, genüge.
Außerdem werden Bau und —— der Ställe unserer
andwirthschaftlichen Hausthiere durch örtliche Lage, die Wirthschafts⸗
»erhältnisse, Zweck und System der Fütterung und von der Art
der Düngerproduktion bedingt; ebenfalls Forderungen, welche sich
iur durch eine gewisse Vertrautheit des Baumeisters mit wirth—
chaftlichen Prinzipien vollständig erfüllen lassen.