Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 44, Bd. 3, 1884)

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Berichte aus verschiedenen Städten. 
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zurückgekommen, daß es überall mit Palliativmitteln sich begnügen 
muß. Beredtes Zeugniß dafür giebt auch der Heidelberger Bahn— 
hof, an welchem seit Jahren geflickt wird: die Reisenden nach der 
Wuürzburger Linie haben unter Gottes freiem Himmel in die 
Wagen einzusteigen oder diese zu verlassen! Um aber glauben zu 
— 
gethan werde, sind in das Budget derselben die Kosten für die 
großen Kliniken und das Irrenhaus aufgenommen, obgleich diese 
Anstalten durchaus nicht der Hochschule allein, sondern dem ganzen 
Kreise, ja dem Lande dienen müssen. 
Munchen. Wenn, wie Liebig sagt, der Konsum von 
Seife einen Werthmesser für den Kulturgrad eines Volkes bildet, 
so dürfte dieser Gedanke sich noch bestimmter auf die öffent— 
lichen Bäder anwenden lassen, da von deren Entwickelung die 
Reinlichkeit und somit die körperliche wie geistige Gesundheit einer 
Bevölkerung ganz besonders abhängig ist. Das neuerbaute Bad 
des Herrn Baumeister Reininger an der Kanalstraße ist in der 
Entwickelungsgeschichte der hiesigen Balneotechnik in sofern als ein 
bedeutender Fortschritt zu bezeichnen, als dasselbe das erste der— 
artige urn ist, welches, abgesehen von den verschiedenen 
Sommerbädern, dem Besucher die Annehmlichkeit eines Schwimm— 
hdassains bietet. Der Raum desselben bildet ein längliches Viereck 
bon 10 und 20 mm Seitenlänge und einer bis ca. 3 m zuneh— 
menden Tiefe und sind Boden wie Wände mit weißglasirten Ton— 
ließen bekleidet; an beiden Schmalseiten schließen verschiedene 
Doucheräume an, während unter einer dorischen Säulenhalle an 
der Südseite zahlreiche Entkleidungszellen angeordnet sind. Der 
Raum wird durch Oberlicht, zur Nachtzeit durch elektrische Lampen 
erhellt und dürfte bei entsprechend eleganter Ausstattung mit Ge— 
mälden, Spiegeln und plastischen Werken ein ebenso gesundheits— 
nützlicher wie angenehmer Aufenthalt für jeden Badefreund werden. 
Im übrigen enthält der in seiner äußeren Erscheinung sich einfach— 
solid zeigende Bau ein sehr geräumiges Heißluft- und Dampfbad, 
sowie eine stattliche Anzahl von Einzelbädern verschiedener Klassen, 
schließlich noch Vorrichtungen zum Gebrauche der medizinischen 
Bäder verschiedener Art. Das für die ganze Badeanlage benö— 
thigte Wasser wird mittelst Pumpe aus einem bis auf den Grund— 
wasserspiegel getriebenen Schacht gefördert und entweder unter 
gleichzeitiger Zuleitung eines entsprechenden Quantums heißen 
Wassers dem Schwimmbad zugeführt oder in 4 mächtigen im 
Dachraume stehenden Reservoirs angesammelt, von wo aus es mittelst 
Rohrleitungen auf die einzelnen Bäder ꝛc. vertheilt wird; das 
henöthigte heiße Wasser für die Bäder und die Waschküche, den 
Dampf für Möaschinenbetrieb, Dampfbad, Heizung ꝛc. liefern zwei, 
in einem besonderen Gebände untergebrachte Dampfkessel. Wir 
glauben, daß der Erbaner dieses Bades allen billigen Wünschen 
des Publikums Rechnung getragen hat und daß ihm deshalb auch 
ein günstiger finanzieller Erfolg in Aussicht stehen wird. d — 
Potsdam. In Langen-Lippsdorf bei Jüterbog stürzte, 
wie wir s. 3. meldeten, am 23. Juli 1882 der neu erbaute 
Kirchthurm zusammen, an dem die Zimmerleute gerade mit 
dem Richten beschäftigt waren. Die Katästrophe forderte sofort 
zwei Menschenleben, drei Arbeiter starben kurze Zeit darauf an 
den erhaltenen Verletzungen, und 15 Mann wurden mehr oder 
minder verletzt. Am 19. März c. nun stand vor dem Potsdamer 
Landgericht der Maurermeister Carl Friedrich Dalchow und der 
Maurerpolier Friedrich Wilhelm Lenz aus Jüterbog, um sich 
wegen dieser Affaire zu verantworten; geladen waren 13 Zeugen 
und 109 Sachverständige. Nach mehrstündiger Verhandlung beän— 
tragte der Staatsanwalt wegen nicht genügender Beweise die Frei— 
prechung. Der Gerichtshof konnte ebenfalls nicht die Ueberzeu— 
jung gewinnen, daß die Angeklagten gegen die Regeln der Bau— 
unst gehandelt hätten, und daß denselben eine Fahrlässigkeit zur 
Last falle und sprach daher beide Angeklagte von der Anschuüldigung 
des Vergehens gegen die Regeln der Baukunst und der fahrlässigen 
Körperverletzung frei. Als Vertheidiger fungirte der Rechtsanwalt 
Munckel aus Berlin und Justizrath Engels. 
Stuttgart. Fabrikation der Edison'schen Glüh— 
sampen. Im Württembergischen Bezirksverein, d. h. in der be— 
wreffenden Sektion des Vereins Deutscher Ingenieure, hielt Herr 
Cox einen höchst interessanten Vortrag über die Fabrikation Edison'—- 
scher Glühlampen, welche derselbe Ende Dezember v. J. Gelegen— 
heit hatte zu studiren. Die Edison-Elektrik Lamp-Company besaß 
his Juni 1882 in Menlo-Park eine kleine Fabrik mit etwaä 
15 Mann; alsdann wurde die Fabrik nach Newark verlegt und 
beschäftigte etwa 265 Personen, größtentheils Mädchen im Alter 
von 12 bis 16 Jahren. 
Die Edison-Lamp-Company besitzt in Japan eine eigene Farm 
* 3 w daee welche in nächster Zeit im 
Stande sein soll, den Faserstoff für eine tägli i von 
10. 000 Glühlampen zu Annstei —n4 
Das Bambusrohr kommt in etwa 20 cm langen, 5ß m 
hreiten und 8 mm dicken Stücken nach Newark, wo es wiederholt 
zurch parallel gestellte Messer gezogen wird, bis die einzelnen 
Fasern eine Dicke von ungefähre! /, und eine Breite von mm 
saben. Vor der Verkohlung wird die Faser auf ihre Dicke unter— 
ucht, und zwar mittelst eines verhältnißmäßig einfachen und doch 
ehr sinnreichen Apparates. An dem einen Ende eines ungleich— 
irmigen Hebels ist ein Spiegel, am andern eine kleine Nase be— 
estigt. Durch den Schlitz einer senkrecht befestigten und in Viertel— 
‚oll eingetheilten Latte wird ein Lichtstrahl auf den Spiegel ge— 
vorfen, welcher durch letzteren auch die Latte zurückgeworfen wird. 
Zur genügenden Uebersetzung liegen mehrere Hebel hintereinander. 
Die Üebersetzung ist so, daß jede Abweichung von ! 000 Holl engl. 
in der Dicke der Bambusfaser an der Latte eine Bewegung des 
Lichtstrahles von einem Zoll anzeigt. 
Zeigt sich beim Durchziehen der Bambusfaser zwischen den 
Nasen auf der Latte eine Bewegung des Lichtstreifens um mehr 
alst/ engl. Zoll, so wird die Faser zurückgewiesen. Es wird 
mithin eine Genauigkeit in der Dicke der Faser vonn! / loo engl. 
Zoll verlangt. Eine ähnliche Probe auf die Breite wird nicht ge— 
nacht, da sich gezeigt hat, daß sie viel genauer zu erzielen ist, als 
die Dicke. 
Zur Verkohlung werden die Fasern in eine Form von Graphit 
gzelegt und schon so ümgebogen, wie sie später in der Lampe, vor— 
kommen. Zum Festhalten und zur Ausfüllung der Form dienen 
3 Stückchen Graphit von geeigneter Gestalt. In einen Tigel ge— 
egt, so daß immer eine Form als Deckel für die untere dient, 
werden die Fasern 12 bis 15 Stunden lang einer Glühhitze bis 
zu 20000 C. ausgesetzt und nachher langsam abgekühlt. 
Die Kohlenbügel werden nun an die Leitungsdrähte festge— 
klemmt. Die Leituug besteht zum Theil aus Kupfer, zum Theil 
aus Platin; letzteres nur, soweit die Leitung im Glas einge— 
chmolzen ist, da es denselben Ausdehnungskoöffizienten wie 
Glas hat. 
Sind die Drähte im Glas eingeschmolzen, so wird der Bügel 
daran befestigt und an der Berührungsstelle zum bessern Kontakte 
Zupfer galvanoplastisch niedergeschlagen. Während die meisten 
Blühlampenfabrikanten die Geißler'sche Quecksilberpumpe benutzen, 
um die Glasglocke luftleer zu machen, wendet die Edison-Company 
eine ununterbrochen wirkende Pumpe an, welche wie ein Injektor 
arbeitet; wie letzterer mittelst strömenden Dampfes Wasser saugt, 
o saugt erstere mittelst Quecksilbers Luft. Der Quechsilberstrom 
ließt während zwei bis drei Stunden (je nach der Größe der 
Vampen) aus einem, etwa drei Meter über dem Bodeu befindlichen 
Behälter durch ein eisernes Rohr nach einem auf dem Boden be— 
äindlichen zweiten Behälter, aus welchem das Quechsilber mittelst 
einer archimedischen Schraube wieder in den obern Behälter ge— 
Rumpt wird. Die Glasglocke, welche mit dem kontinuirlichen 
Quecksilberstrom in Verbindung steht, entleert sich von der darin 
befindlichen Luft, indem dieselbe durch das Quecksilber mitgerissen 
wird. Es wird nun ein anfangs schwacher, nach und nach stärker 
werdender elektrischer Strom durch den Kohlenbügel gelassen, welcher 
den Zweck hat, die in demselben befindlichen Gase auszutreiben. 
stachdem die Lampe vollständig leer gepumpt ist, wird sie zuge— 
chmolzen und die aus derselben hervortretenden Drähte werden an 
»ie Metallhülsen gelöthet und in Gyps eingegossen. Bevor die 
Lampe zur Ablieferung kommt, wird sie auf ihre Lichtstärke und 
die dazu nöthige Spannung untersucht, und es werden die be— 
reffenden Zahlen auf den Gyps notirt. Die Fabrik in Newark 
ertigte Ende Dezember v. J. 11000 Lampen bei zehnstündiger 
edaner nur das Luftleerpumpen wurde Tag und Nacht fort— 
gesetzt. 
Wittenberg. Der Stadt sind vom Provinzial-Landtage 
mehrere tausend Mark zu Entfestigungsarbeiten zuerkannt 
worden, und wird nunmehr der letzte Rest der früheren Festungs— 
Euceinte am Elsterthor bald verschwinden. — Mit dem Bau einer 
zroten Strafgefangenen-Anstalt auf dem Platz, den augen— 
blicklich das Barackenlazareth einnimmt, sowie mit dem des neuen 
Bymnasiums auf dem alten Glacis, wird baldigst begonnen werden 
önnen. — Das alte Schloß erhält ein ganz anderes Aussehen. 
Wochenlang sind Arbeiter beschäftigt, neue Fenster auszubrechen, 
die alten zu vergrößern und im Innern Reparaturen äller Art 
vorzunehmen, damit die Infanterie, für welche das Schloß als 
daserne bestimmt ist, hineingelegt werden kann. — Mit dem 
Ausbau der Schloßkirche und der Krönung der Seitenthürme durch 
Aufsätze im Geschmack des Mittelalters, sowie mit Anbringung 
eines Glockenspiels soll, wie wir hören, thunlichst bald begonnen 
werden. — An Stelle der projektirten Pferdebahn hegt man 
die Absicht, eine elektrische Bahn anzulegen, und soll sich der 
Unternehmer bereits mit der Firma Siemens in Berlin in Ver— 
pindung gesetzt haben.
	        
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