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Sin neuer Angriff auf die Gewerbeireiheit. — Vom Eigenthum am Grundwa'ser
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Ein neuer Angriff auf die Gewerbefreiheit.
Schon einige Male haben wir darauf aufmerksam gemacht,
daß das Centenm beabsichtige, den & 1006 der Gewerbeordnungs⸗
rovelle dahin umzuändern, daß nur den Innungsmitgliedern ge—
tattet werden solle, in Zukunft Lehrlinge zu halten.
Jetzt ist ein klerikal-konservativer Antrag im Reichstage ein—
jebracht worden, betreffend die Ergänzung des F 1006 der Ge—
verbeordnungsnovelle dahin, daß Nicht-Innungsmeister von einem
hestimmten Zeitpnukte ab Lehrlinge nicht mehr annehmen dürfen
Die letztere Bestimmung wurde im Jahre 1881 bei der Gewerbe—
rdnungsnovelle durch eine von dem größten Theile der Frei—
konservativen unterstützte liberale Mehrheit abgelehnt. Die An—
tragsteller sind jetzt die Abgeordneten Ackermann (konservativ),
Leuschner (freikonservativ) und Windthorst (Centrum)
Wie werden sich denn jetzt die Nationalliberalen verhalten?
Werden sie, Angesichts der ihnen letzthin gehaltenen Lobrede, dem
ieuen Ansturm auf die Gewerbefreiheit Widerstand leisten? Wir
vollen es hoffen!
Dieselben Herren beantragen gleichzeitig, den Kanzler zu er—
uchen, dem Reichstage ein Gesetz vorzulegen, durch welches aus
dem gesammten Gewerbestande, unter angemessener Bethei—
ligung der Innungen, in den Bundesstaaten Gewerbekammern
eingeführt werden, in welchen sie noch nicht bestehen.
Gegen diesen Antrag würden wir weniger einzuwenden
hjaben, obgleich dem Gewerbestande aus den Gewerbekammern,
vie wir vor Kurzem ausgeführt haben, kein erheblicher Nutzen
erwachsen ist, wenn der von uns gesperrt gedruckte Satz nicht
vieder den versteckten ....... Fuß vermuthen ließe.
Der Abgeordnete Windthorst-Meppen empfahl nämlich bei
Berathung der Gewerbeordnungsnovelle den 8S 1000 mit der Mo—
ivirung zur Annahme, daß derselbe ganz ruhig angenommen wer—
»en könne, da er niemals praktische Geltung erlangen würde.
Und Herr Windthorst hat Recht, wenn sein Antrag angenommen
vird! Bisher hat der Paragraph keine praktische Geltung er—
angt, und jetzt will ihn Herr Windthorst beseitigen, um aber aällein
den Innungsmitgliedern das Recht des Haltens von Lehrlingen
uu verleihen.
Sollte man wohl glauben, daß es möglich sei, nachdem die
zunungen so außerordentlich winzige Erfolge erreicht haben, nach—
»em sich die Gewerbe in ihren Leistungen so ungemein gehoben
ind besonders das Kunstgewerbe in den letzten Jahren so immense
Erfolge aufzuweisen hat, man der ungeheuren Mehrheit der Ge—
verbetreibenden, welche die Innungen als überwundenen Stand—
zunkt ausehen, einen solchen Schlag in's Gesicht zu geben wagt
And das, nachdem die Lehrlings-Ausstellungen der letzten Jahre
gezeigt haben, daß die Leistungen unserer henutigen Lehrlinge die—
enigen der früheren Zwangs-Innnungen bei Weitem übertreffen!
Wir können uns nicht helfen, aber es will uns durchaus scheinen,
als wenn die Herren Antragsteller gewissen von ihnen gegebenen
Versprechen nachkommen zu müssen glauben, um ihre Wiederwahl
in ihren bisherigen Wahlkreisen zu sichern: denn kleine Geschenke
erhalten die Freundschaft!
Wir lesen ferner in No. 22 des Organs des Verhandes
Deutscher Baugewerksmeister Folgendes:
„Diejenigen Bauinnungen, welche mit ihren inneren
Einrichtungen fertig sind, machen wir darauf aufmerksam, daß sie
rom 8 100 der Gewerbeordnung Gebrauch machen können, nach
velchem ihnen die Aufsicht über die Lehrlinge, deren Meeister der
yetreffenden Innung nicht angehören, von der höheren Verwal—
ungsbehörde übertragen werden kann. Der Antrag ist an die zu—
stäudige höhere Verwaltungsbehörde zu richten. Einige Regierun—
gen haben bei den Innungen schon angefragt, warnm sie nan dem
3160060 nicht Gebrauch machen.“
Ob das letztere wahr ist, wissen wir nicht, bezweifeln es
iber jedenfalls. Der 8 1000 sagt ausdrücklich: „Innungen, welche
ich in Bezug auf das Lehrlingswesen bewährt haben, kann ꝛc.“
Das stört aber natürlich das biedere Organ des Verbandes nicht, den
Innungen, welche „mit ihrer innereu Einrichtung eben fertig
ind“, bei denen also von irgend einer Bewährung nach keiner
Richtung hin die Nede sein kaun, den Rath zu ertheilen, sofort
die Bestimmungen des 8 1010 für sich zu beanspruchen. Von
irgend welcher Selbstüberhebung darf natürlich hierbei nicht ge—
prochen werden, es ist ja selbstverständlich, daß die wenigen Ge—
werbetreibenden, welche sich in die Innungen geflüchtet haben,
die Elite ihres Gewerbes repräsentteen. Dem'Organ aber ver—
denken wir es keinen Augenblick, daß es seinen Leiern fortgesetzt
in's Gedächtniß ruft: „Seut doch, wie wir für Euer Wohl be⸗
dacht sind, wie unser ganzes Dichten und Trachten darauf gerichtet
ist, Euch das Nest so warm und bequem als möglich zu machen!“
Wir aber erlauben uns zu fragen, . was würde Roset Is dem
Organ, wenn der ganze künstliche Bau der Innungen eines schö—
nen Tages in sich zusammenstürzte?“
Unsere Ueberzeugung ist die, daß ein Bau, dem ein solides
Fundament fehlt, und sei er noch so künstlich aufgebaut, ab
solut keine lange Dauer haben kann! Und deshalb erschreckt uus
nuch der neue Angriff auf die Gewerhefreiheit durchaus nicht
Vom Eigenthum am Grundwasser
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Dr. jur. Freudenstein.
Das Eigenthum besteht darin, eine Sache nach jeder Richtung
jin auszunutzen und jeden Dritten von Eingriffen auszuschlicßen
Es können nun bei besonders nachbartichen Verhältnissen Köonfiki.
eintreten, indem die Ausühung des Eigenthums des einen Nach
yarn mit derjenigen des auderen sich nicht wohl vereinigen laßt.
dier gilt im Allgemeinen der Rechtssatz: Wer sein Recht uübt
chädigt Riemanden, d. h. Jeder kaun die fragliche Handlung für
ich vornehmen. In manchen Fällen ordnen die Gesetze allerdings
iin Anderes an, indem sie den einen Nachbar zu Gunsten des
inderen beschränken, ihn zu einem Dulden verpflichten. Deshalb
ist obiger Satz nicht als ein ausnahmsloses Prinzip anzusehen
Wann aber die Gesetze den einen Nachbar zu Gunsten des
inderen beschränken, das ist nicht selten bestritten und zu diesen
in Theorie und Praxis bisher häufig verschieden aufgefäaßten
Verhältnissen gehört auch das Eigenthum am Grundwasser. Es
ergingen bisher in den Einzelstaaten insbesondere über die Frage
nerschiedene und entgegengesetzte Gerichtsurtheile, inwieweit der
ine Nachbar befugt sei, dem andern das fiür einen Brunnen sich
ignende Grund- und Quellwasser zu entziehen, sei es, daß er
sen Nachbar durch die Entziehung an der Neuanlage eines
Brunnens oder einer ähnlichen Aulage, z. B. einer für eine Loh—
jerberei dienlichen Wassergrube hinderte, sei es, daß er dem
Brunnen oder der sonstigen Anlage die bereits bestauden, das
z»enöthigte Wasser dadurch entzog, daß er selbst seinerseits sich
einer ähnlichen Anlage befleißigte. In diesem Betracht hat nun
der Hülfssenat des Reichsgerichts unterm 9. Jannar 1883 eine
vichtige Entscheidung geiällt, welche an dieser Stelse mitnetheilt
iu werden verdient. Es handelte sich um die Frage, ob die ve
lagte Bergisch- Märkische Eisenbahngesellschaft, welche durch An—
egung eines Tunnels diejenigen Wasseradern durchschnitten und
ie unterirdischen Bassins entleert hatte, aus denen bis dahin
„wei Brunnen der Klägerin gespeist wurden, für die dadurch her—
neigeführte Wasserentziehung strafbhar sei. Es steht nicht einmal
eine unmittelbare Nachbarschaft fest. Das Oberlandesgericht Pamm
ils Vorinstanz hatte die Strafbarkeit verneint: Es versagte
dem hier in Betracht gezogenen 83 129 Th. J Tit. 8 des Preußi
chen Allgemeinen Landrechts (welcher bestimmt, daß Anlagen,
zurch welche der schon vorhandene Brunuen des Nachbars ver—
zureinigt oder unbrauchbar gemacht wurde, unznlässig sind vor
iegenden Falls die Anwendung aus dem Grunde, weil die Tuunel
anlage sich nicht ersichtlich in Grundstücken befinde, welche den
Brunnengrundstücken der Klägerin unmittelhar bhenachbart
eien.
Das Reichsgericht, au welches die Sache gedich,, töat in
einem die klägerische Revision verwerfenden Erkenntvisse foldenden
Uusspruch, der allgemeine Geltung beansyrucht:
„Nach Römischem und Gemeinem Recht unterliegt das
Zammelwasser der Quellen, wo es auf einem Grundstück zu Tage
tritt oder erst durch Brunnen oder sonstige Schochte zugänglich
wird, als Theil des Grundstücks der freien Veriiigung des Geund—
eigenthimers. Die Aueignung und Feithaltung der Beseitigune
diezes Wassers und die Anlage von Austalten zu diesem Zweck
oweit sie nicht bediglich mißbräuchlich in der Absicht, dem Nach
var zu schaden, geschieht ader in sonstige besouders rwöor
ene Mechte des Nachbarn eingreift, ist daher jedem Gruudbe
tzer ohne Rücksicht darauf gestattet, ob einent auderen, heher ode:
ziedriger helegenen Grundstück non dem bisherigen Wisservorrath
nehr oder weniger eutzogen wird. Den Brunnen, als mit Grunt
ind Boden zusantneuhänzeuden Antagen steht jedach etu b sonderer
Zchutz gegen äußere Einwirkung Dritter auf das Wasser derselben
durch Einbrindunug nerinretnidender Zuhst rusen n
⸗ife.
Es ist nicht ersichtlich, daß die Verjasser des Allgememen
andrechts eine bewußte Abweichung von diesen Principien beab
ichtigt haben, was entgegeugesetzten Falls bei der Wichttakeit der
Materie zum Ausdruck gebracht sein wirde. Es mußs nvielniehr
Us Anerkennung der angegebenen genteinrechtlichen Grundfitze uber
2wlässtakeit nachharlicher Boesserentziehnna aufgefjant werden, wenn