Münchener Familienhäuser.
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vor, dem Mörtel Stroh, welches zu Kohle verbrannt ist, zuzu—
setzen, das Hauptingredienz jedoch ijt der Kieselsand, von dessen
Fuͤle die Dauer und Schönheit der Dekoration abhängt.
Ist nun die zur Aufnahme der Dekoration bestimmte Fläche
bereitet, so wird die zuvor in natürlicher Größe auf Papier auf—
zetragene Zeichnung mittelst des Staubbeutels übergetragen und
die Ehutbuten durch Eingraviren fixirt. In den meisten Fällen
blcibt dann die Zeichnung hell, während der Grund durch Weg⸗
schaben der Kalkmilch schwarz oder schraffirt wird. Lampe, wel⸗
Hem wir eigentlich die Wiedererweckung der Sgraffitomalerei zu
danken haben — er wendete sie zuerst und mit, Erfolg an dem
abgebraunten Hoftheater in Dresden an —, machte an der eidge⸗
nössischen Sternwarte in Zürich den Versuch, durch Ueberziehen
der dekorirten Fläche mit Asphaltlauge einmal das grelle Weiß
zu brechen, dann auch, um dem Ganzen eine größere Dauer zu
berleihen. Diese Lange ergiebt einen klaren, durchsichtigen, in ver—
schiedenen Nüancen stimmbaren Ton. Da nun die Zeichnung in
den feuchten Mörtel eingekratzt werden muß, so ist es nothwendig,
die Facçade in Felder zu theilen, deren Größe der Arbeitsbewälti—
Jung eines Mannes sür 1 Tag entspricht. Wenn mehrere Tage
In einem Felde gearbeitet werden, so entstehen leicht Absütze im
Ton, da der Mörtel von einem Tage zum andern immer wieder
eintrocknet.
Die Sgraffitodekoration ist sehr alt und zeigt sich zuerst, an
zrößeren Gefäßen in Florenz. Die ältesten Zeichnungen sind
schwarz auf weißem Grund, und zwar wurde zuerst Schwarz,
dann Weiß aufgetragen. Die Dekorationsmotive des Sgraffito
waren bei seinem ersten Auftreten noch einfache Natur-Friese
mit bandartigen und durch Reihung entstandenen Motiven, Me—
daillons mit Köpfen und Muscheln, Wappenschilder der Patrizier—
Jeschlechter Italieus oder der Stadtwappen, Fruchtschnüre, Laub—
qzuitlanden, Mascarons und Kriegs- oder Jagdtrophäen, das waren
die Dekorationsmotive der ersten Sgraffitosagaden. Später trat
dann das figürliche Element hinzu, welches in der ersten Zeit durch
Tritonen und Nereiden mit Delphinen, Sphinxen und Anderem
auftrat, um dann in späterer Zeit sich in der denkbar reichsten
Komposition zu entwickeln. Kriegs- und Jagdscenen, Scenen aus
der antiken Mythologie und biblische Scenen waren beliebte Dar—
stellungen. Die kleineren, von der architektonischen Umrahmung
»egrenzten Flächen erhielten dann tapetenartige Flächenmuster.
Es ist naturgemäß, daß Italien, das Land der Farbe, be—
itrebt war, auch seine Bauten mit mehrfarbigen Sgraffitis zu
schmücken, wie es die Außenseite eines Ganges im Garten des
Palazzo Pitti in Florenz zeigt. Zwischen Fenstern und Pfeilern
zeigen sich Medaillons, welche auf rothem Grunde hellgelbe Fi—
guren, wie Hirten, Jäger und so weiter, tragen, während an
anderen Orten lichtgelbe Arabesken auf dunkelgrünem Grunde
ihr graziöses Spiel ireiben. Gottgetreu erwähnt als eines der
vielfarbigsten, reichsten Beispiele fuͤr polychrome Sgraffitis einen
Porticus auf dem Hose des Monasterio de Monaci degli Angeli;
die Zwickel der Bögen zeigen weiße Fiqurenarabesken auf ab—
wechselnd grünem, rothem und gelbem Grunde. Die Brüstung
berhalb zeigt ein blaues Medaillon mit weißem Kopf und zur
Seite wieder weiße Arabesken auf grünem, rothem und gelbem
Frunde. Durch die verschiedensten Kombinationen dieser verhält⸗
nißmäßig wenigen Farben wird der scheinbar größte Reichthum
erzielt. Des Farbenreiches in seinem ganzen Reichthum und der
Sbhoönheit der Nüancen und Mischungen bedient sich
Die Fresko-Malerei.
Sie ist eine Kalkmalerei, welche mit Wasserfarbe auf eine noch
frische Kalkmörtelunterlage ausgeführt wird. Die Kunst der Fresko—
nalerei ist eine alte; schon in den egyptischen Bauten der früheren
Zeit wurde sie gefunden, unter den Griechen stand sie in hoher
Blüthe. Plinius berichtet im liber 35, cap. 49 von den Aedilen
Mäürena und Varro in Lacedämonien, daß sie während ihrer
ledilität Wandgemälde wegen ihrer vortrefflichen Malerei ablösen
ind nach Rom verbringen ließen. Es ist dies zugleich das erste
Beispiel für das Ablösen und Wiedereinsetzen von Wandgemälden
I fresco. In Herkulanum und Pompeji wurden zahlreiche Wand—⸗
—— durch die Ausgra—
zungen zu Tage gefördert. Daß sich diese Gemälde bis auf den
yeutigen Tag erhälten haben, ist nicht etwa dem zuzuschreiben,
aß sie auf enkaustische Art hergestellt waren, sondern das Bindemittel
ist der kohlensaure Kalk, welcher in seiner krystallisirenden Eigen—
chaft diese Wandmalereien mit einem dünnen Häutchen krystalli⸗
uischen kohlensauren Kalkes überzog und sie so vor den Unbilden
Jer Witterung schützte. Prof. Schafheutl läßt sich in Dingler's
ↄolyt. Journal folgendermaßen darüber aus: „Man hat gar viel
bon' der Unzerstörbarkeit dieser antiken Wandmalereien gefabelt,
die dem Zahn der Zeit durch nahe 2 Jahrtausende getrotzt; allein
diese Unzerstörbarkeit ist nur scheinbar und Nebenumständen zuzu—
schreiben, unter denen sich jedes Freskogemälde so lange erhalten
haäben würde. Alle dem Einfluß der Witterung ausgesetzten pom—
Fejanischen Gemälde sind gegenwärtig in einem Zustand rascher
Zerstörung. Die ehemals spiegelglaͤnzenden, monochromatischen
Felder der Wände haben ihren Spiegelglanz bis auf einige Stellen
m Hause des Diomedes und eine Wand in Herkulanum so sehr
»erloren, daß sie das Licht entweder gar nicht mehr oder nur unter
einem fehr spitzen Winkel spiegelnd zurückwerfen und ein paar
Fröste in den letzten Jahren haben so mächtig auf diese antiken
eberreste gewirkt, daß sich, wo nur einigermaßen der Regen hin—
rifft, die Farben abblättern und daß dieselben überhaupt vom
Wasser abgewaschen werden können. Wo sich der Glanz der
Flächen jedoch nur einigermaßen erhalten hat, ist die Farbe so
est, daß sie jedem Auflösungsmittel, das nicht sauer ist, widersteht;
denn alle diese Gemälde sind nicht durch Harz oder Wachs, son—
dern durch eine dünne Kruste kohlensauren, krystallinischen Kalkes
zeschützt. Unter dieser dünnen Kruste sind alle Farben durch
Wasser abwischbar, als wenn sie erst seit wenigen Tagen auf die
dalkunterlage aufgetragen worden wären.“
(Forts folgt)
Münchener Familienhäuser. II.
(Text siehe Seite 279 —281 in vor. Nummer.)
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