Ueber die civilrechtliche Schadensersatzvflicht des Bauunternehmers.
Fio
Ueber die civilrechtliche Schadensersatzpflicht
des Bauunternehmers.
Von
Dr. Gustav Freudenstein.
der 8 25 Lal. J Tit. 6 des Preußischen Alla. Landrechts
autet:
„Wer aber in der Ausübung einer unerlaubten Handlung
sich befunden hat, der hat die Vermuthung wieder sich, daß ein
hei solcher Gelegenheit eutstandener Schade durch seine Schuld sei
verursacht worden.“
8 26: „Insonderheit muß der, welcher ein auf Schadens—
verhütung abzielendes Polizeigesetz vernachlässigt, für allen Schaden,
welcher durch die Beobachtung des Gesetzes haͤtte vermieden werden
tönnen, ebenso haften, als wenn derselbe aus seiner Handlung
entstanden wäre“.
Diese selbige Auffassung besteht auch nach allen andern in
Deutschland geltenden Civilrechten (Oode civil; Sächsisches Bür—
gerl. Ges.⸗B.; Badisches Landrecht, gemeines Recht), denn sie
spricht lediglich mit spezieller Beziehung auf ein Polizeigesetz
den allgemeinen Rechtsgrundsatz aus, daß Jedermann für den
zurch seine widerrechtliche Thätigkeit oder Unterlassung verursachten
Schaden aufzukommen hat und es giebt in Deutschland kein Rechts—
ystem, wonach das Gegentheil stattfände.
Fraglich ist nur, wo ist ein Polizeigesetz im landrecht—
lichen Sinne vorhanden? Es steht soviel fest, daß nach landrecht—
iichem Sprachgebrauch nicht lediglich an ein Polizeigesetz im en—
geren Sinne hier zu denken ist, d. h. nicht ausschließlich an poli—
zeiliche Verordnungen und Erlasse, welche von den Polizeibehörden
usgehen. „Polizei“ war nach damaligem Sprachgebrauch ein
diel weiterer Begrist und man bezeichnete damit die gesammte
Staatsverwaltung. Aber auch wenn man an Verwaltungsgesetze,
d. h. an solche Verordnungen denken wollte, welche von den Ver—
waltungsbehörden erlassen werden, so würde dies noch zu eng sein.
Das einzig richtige ist, im obigen 8 26 unter „Polizeigesetz“ jedes
Gesetz, und jeden Erlaß, wo immer im Strafrecht er sich findet,
zu verstehen, welcher einen polizeilichen Inhalt hat und einen
polizeilichen Charakter trägt. Wann dies der Fall sei, das kann
mitunter zweifelhaft sein. Weil aber, jenachdem man diese Frage
so oder anders löst, sich, für die aus Verletzung des Strafgesetzes
entspringende Schadensersatzpflicht ein abweichendes Resultat ergiebt,
so ist es von höchstem Interesse, im Einzelfalle zu wissen, ob ein
Gesetz als Polizeigesetz aufzufassen sei oder nicht. Selbst in der
Rechtsprechung ist dies öfter nicht feststehend. Im 8 120 Abs. 3
der Novelle zur Gewerbeordnung vom 17. Juli 1878 heißt es:
„Die Gewerbeunnternehmer sind endlich verpflichtet. alle die—
enigen Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten, welche mit
Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Gewerbebetriebes
und der Betriebsstätte zu thunlichster Sicherheit gegen Gefahr für
Leben und Gesundheit nothwendig sind.“
Eine Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts vom 29. No⸗
ember 1877 hat in dieser Anordnung ein Polizeigesetz gesehen,
vas denn ohne Weiteres nach den vorhin mitgetheilten 88 25, 26
Thl. J Tit. 6 die Folge haben würde, daß aus der Verletzung
solchen Polizeigesetzes auch eine civilgerichtliche Schadensersatzpflicht
entspringt. Hingegen hat das Urtheil des V. Civilsenats des
Reichsgerichts vom 21. Dezbr. 1881 (vergl. Entscheidungen VI, 62)
im entgegengesetzten Sinne entschieden, weil obige Bestimmung des
8120 Abs. 3 der Gewerbeordnungsnovelle zu unbestimmt und zu
illgemein, auch in ihrer Tragweite im einzelnen Falle oft zweifel⸗
haft sei, weshalb auch in dem weiteren Inhalt des Gesetzes eine
inzung durch besondere Vorschriften habe vorbehalten werden
müssen.
Derselbe Zweifel bestand bis vor Kurzem für den vielbe—
rufenen 8 330 des Strafgesetzbuchs:
„Wer bei der Leitung oder Ausführung eines Baues wider
die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst dergestalt handelt,
haß hieraus für Andere Gefahr entsteht, wird mit Geldstrafe bis
zu 900 Mk. oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft.“
Ist dieses Gebot als ein auf Schadensverhütung abzielendes
Polizeigesetz im Sinne des 8 26 cit. zu erachten?
Die Vorinstanzen halten diese Frage in einem Rechisstreit
unter der Begründung verneint, daß der 8 330 zu unbestimmt sei
und dasjenige, was bei der Leitung oder Ausführung eines Baues
u beobachten sei, nicht genau genug angebe, um im Fall einer
herletzung den 8 26 Thl. J Tit. 6 des Allgem. Landrechts anzu⸗
venden.“ Allein das Reichsgericht hat durch Erkenntniß des
V. Civilsenats vom 25. Oktober 1882 im entgegengesetzten Sinne
entschieden und dies wie folgt begründet:
Es ist richtig, daß der 8 26 Thl. J Tit. 6 des Allg. Land—
rechts eine solche Verfügung voraussetzt, welche dasjenige, was im
einzelnen Falle zu thun oder zu lassen ist, nicht ganz unbestimmt
aͤßi. Der 8330 des Strafgesetzbuchs schärft allerdings nur die
Beobachtung' der „allgemein anerkannten Regeln der Baukunst“,
nüssen aber von dem Gesetzgeber als so bestimmt angesehen sein,
zaß über dasjenige, was hiernach im einzelnen Falle zu beobachten
ei ein begründeter Zweifel nicht wohl entstehen könne, indem er
onst die Verletzung derselben für den Fall, daß hieraus für An⸗
ere Gefahr entstehe, nicht mit Strafe hätte bedrohen können. Die
Bestimmung des 8 330 eit. trifft Jeden, welcher bei der Leitung
der Ausführung eines Baues einen Verstoß der angegebenen Art
Hegangen hat; fie richtet sich namentlich auch gegen einen nicht—
sperständigen Leiter oder Aufseher eines Baues. Wenn dieser