Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 44, Bd. 3, 1884)

Die englischen Trade-Unions. — Beitrag zu Krankenhausanlagen für kleinere Städte. — Unverwerthete Kräfte. 438 
Die englischen Trade Unions. 
Gewerbe- oder Handwerker-Vereine.) 
(Schluß.) 
Die Unions unterstützen die Strikes mit Rath und That. 
Wenn dennoch von 1870 bis 1879 von je 100 Strikes nur 20 
oollständigen und nur 26 theilweisen, aber 54 gar keinen Erfolg 
hatten, so beweist das nur, daß diese Art des Widerstandes gegen 
die Arbeitgeber nur in Ausnahmefällen ergriffen werden darf. 
Es hat Jahrhunderte gedauert, bis in England als Basis 
der Arbeit der freie Vertrag und das gleiche Recht der Vertrag— 
schließenden anerkannt wurde. Auf dieser Grundlage haben die 
Trade-Unions weiter gebaut, unterstützt von Menschenfreunden, 
von denen besonders Mr. Mundella und Mr. Chamberlain ge— 
naunt zu werden verdienen. 
Das ist die Geschichte einer Institution, welche es verstanden 
hat, die Arbeiterfrage in eine friedliche Bahn zu lenken. Dieser 
Zwock wurde erreicht auf Grundlage der Gleichstellung der Arbeit— 
geber und Arbeiter und durch die gewonnene Einsicht, daß der 
Krieg mit dem Kapital für beide Theile die schlimmsten Wirkungen 
hat. Dieser Krieg wird vermieden, wenn der Arbeiter nicht allein 
sein eigenes, sondern auch das Recht des Arbeitgebers anerkennt; 
wenn er seine Forderungen gerecht und billig formulirt. Einen 
Arbeitgeber durch Strikes zur Gewährung höherer Löhne zwingen 
zu wollen, als der Arbeiter gegenüber dem Preisstande der Roh— 
und Hülfsstoffe und der Fabrikate beanspruchen kann, heißt nichts 
Anderes, als das Kind mit dem Bade ausschütten. Der Arbeit— 
geber muß, wenn er nichtberechtigten Forderungen nachgiebt, in 
letzter Instanz seine Fabrik schließen und auf eine Thätigkeit ver— 
zichten, welche er nur mit dem ganzen oder theilweisen Verlust 
weiterführen könnte. Der englische Arbeiter sieht das ein, und 
diese Anerkennung ist mindestens zum Theil ein Erfolg der Trade— 
Unions. Wenn endlich beide Parteien auf ihrem Schein bestehen, 
dann tritt dort das Schiedsgericht ein, dessen Ausspruch bindende 
Kraft erhält. Das wurde erreicht nicht blos durch eine finanzielle 
Unterstützung der Strikes, sondern auch dadurch, daß dem Arbeiter 
die Mittel zum Lernen, zur theoretischen Vervollkommnung und 
zur Bildung geboten wurden. In den geselligen Vereinigungen 
fanden die Familien eine Stätte, wo sie der Ruhe und Erholund 
Aflegen konnten. 
Unsere Darstellung soll nicht den Glauben erwecken, als sei 
England für den Arbeiter ein Paradies. Ein solches zu bieten, 
ist eine Unmöglichkeit, weil das Wohlbefinden ebensowohl des 
Arbeiters wie des Arbeitgebers von einer günstigen Gestaltung der 
Verkehrsverhältnisse abhängig ist. Ungünstige Konjunkturen schädigen 
beide Theile; sie werden leichter getragen, wenn diese Schädigung 
nicht blos dem Arbeitgeber zur Last fällt, soudern auch der Arbeiter 
sein Theil übernimmt. Es gilt gleiches Recht nicht allein bei 
einer günstigen, sondern auch bei einer ungünstigen Gestaltung der 
Verhältnisse. Gleiche Rechte und gleiche Pflichten, d. h. der Arbeiter 
muß die Lasten ungünstiger Konjunkturen unter der Voraussetzung 
mittragen, daß er in Lohnerhöhungen auch die Vortheile mitgenießt, 
welche eine günstige Gestaltung der Absatz- und Preisverhältnisse 
bietet. Eine derartige Gleichstellung haben die Trade-Unions durch 
einen Krieg vorbereitet, welchem der Friedensschluß folgte, und 
diesen feierte Herr Burnett mit seiner Ansprache. 
Nebenher sind freilich in England zeitweise auf Seiten der 
Tories und besonders unter dem Ministerium Beaconsfield katheder— 
sozialistische Bestrebungen hervorgetreten, um mit Hülfe der Gesetz- 
gebung die soziale Lage der arbeitenden Klassen zu regeln. Auch 
vor Kurzem gaben sich solche Bestrebungen wieder kund. Bisher 
aber haben sie an dem klugen und rechnenden englischen Volke, 
das immer ein vortrefflicher Wächter seiner individuellen Freiheit 
war. entschiedene Geaner gefunden: 
Beitrag zu Krankenhausanlagen für kleinere 
Städte. 
—J. 
Bei der Anlage der Klosets in den drei Gebäuden ist darauf 
Rücksicht genommen, dieselben von außen zugänglich zu machen aus 
hygienischen Rücksichten. 
Das Krankenhaus für Frauen links besteht aus einem ge— 
meinschaftlichen Krankensaal für event. 10 Betten und 3 Zimmern 
jür Selbstbeköstiger. Ueber diesen Räumen ist der Wäsche- und 
Trockenboden, von einer am Giebel angelegten überdeckten Treppe 
zugänglich. 
Die Krankensäle für Männer sind ohne Decke konstruirt und 
iäuft längs der Dachfirst des Gebändes ein die Ventilation er— 
nöglichender Dachaufsatz, wie solcher bei Anlage von Baracken— 
lazarethen schon mehrfach konstruirt ist. Es kommen, bei einer 
durchschnittlichen Höhe von 5,26m, auf jedes Bett ein Luftraum 
don 37 chm oder annähernd 1200 Kubikfuß. Das Dach selbst 
ist mit Schiefer gedeckt, außen und innen verschalt. 
Im Keller des Wirthschaftsgebäudes befindet sich unter der 
üche des Erdgeschosses die Waschküche, daneben die Plättstube 
und Vorrathskammer und unter dem Badezimmer der Raum für 
die Desinfektion der Kleidungsstücke. 
Für die Ventilation und Heizung wurden Kachelöfen mit 
besonderer Mantelumhüllung, welche die Anfsaugung der ver— 
brauchten und Zuführung frischer Luft von außen duͤrch Kanäle 
unter den Dielen gestatten, vor allen anderen Konstruktionen seitens 
der Sanitätskommission vorgezogen. 
In der linken Ecke des ca. 15 ares großen Grundstückes ist 
die Leichenhalle angeordnet. 
Der von den Gebänden eingeschlossene Platz ist für Garten— 
ainlagen bestimmt. 
Das Wasserreservoir auf dem Boden soll durch eine guß— 
eiserne Sauge- und Druckpumpe mit Windkessel von 39 min 
veitem Steigrohr gespeist werden. Die äußerst günstigen Grund— 
ind Quellwasserverhältnisse gestatten die primitive Anlage einer 
Abessinier Röhrenpumpe, da bei 8 mm Tiefe eine sehr wasserreich— 
jaltige Kiesschicht angetroffen wird. Für die Wasserversorgung 
genügt ein mit Bohlen umgebener Zinkbottich von 2chm Inhalt. 
Die Baukosten der ganzen Anlage stellen sich nach dem re— 
»idirten Anschlage wie folgt, wobei ein Tagelohn eines Maurer— 
gesellen aeq. 3 Mark und eines Arbeiters ? Mark angenommen 
ist. Der Preis der Hintermauernngssteine incl. Anfuhr stellt sich 
auf 25 Mark pro Mille und von Rathenower Steinen aui 
36 Mèark pro Miitlle. 
Unverwerthete Kräfte. 
Nach einem Vortrage von Dr. Wilhelm Wahl im „New-NYorker Techniker“ 
Viele Nebenprodukte unserer Industrien, die bisher als Ab— 
all bezeichnet wurden und daher fast werthlos waren, haben durch 
geschickte Verarbeitung eine große Bedeutung erlangt. — Die 
,zrächtigen Anilinfarben werden aus den Abfällen der Gasfabrika— 
ion hergestellt und die vielen Tausend Acker Land, welche bisher 
zur Kultur der Farbpflanzen, wie des Krapp, benutzt wurden, 
ind dem Getreideban zurückgegeben. Aus den Abfällen der Seifen— 
iederei stellt man das Glyzerin her: aus den Lederabfällen, altem 
Schuhwerk ꝛc. erzeugt man gewisse Cyan-Verbindungen, welche in 
nielen chemischen Industrien eine wichtige Rolle spielen. Aus dem 
Blute des Schlachtviehes gewinnt man das industrielle Eiweiß, 
ein anderes wichtiges chemisches Hülfsmittel. Sägemehl und Blut, 
n erhitzten Formen gepreßt, geben eine werthvolle plastische Masse 
uur Herstellung von Knöpfen, Ornamenten ꝛc. Die Abfälle der 
Leinsamenöl-Fabriken sind jetzt als Viehfutter geschätzt. Aus der 
Zolzasche gewinnt man die Pottasche. Der Fluß-Schlamm wird 
uu Cement verarbeitet und sogar alte Ziegelsteine werden von 
Neuem vermahlen, um Cement daraus herzustellen. Aus Perga— 
neut-Abfällen fabrizirt man einen ausgezeichneten Leim. Die 
Hase der Hochöfen werden erstens wegen ihrer Hitze zur Heizung 
von Dampffkesseln ꝛc. benutzt und zweitens wegen gewisser chemi— 
cher Bestandtheile oft noch weiter verarbeitet. Die Schlacke bildet, 
venn gemahlen, einen guten Cement und Bausand, im flüssigen 
Zustande aufgeblasen, ergiebt sie die werthvolle Schlackenwolle, 
velche als Wärmeschutzmuüͤtel neuerdings hochgeschätzt wird. Den 
ilten Kohlenstaub und Gries der Kohlengruben verbrennt man 
etzt in verbesserten Feuerungs-Anlagen oder erzeugt daraus mit 
zuͤlfe von Dampf ein werthvolles Heizgas. Und so giebt es 
ioch viele Beispiele, welche zeigen, welchen großen Nutzen man 
aus der geschickten Verwerihung der Abfälle zichen kann, und wird 
uuf diesem Gebiete die Zukunft noch manche wichtigen Neuerungen 
sringen. In vielen, vielleicht den meisten Fällen ist es dem 
Menschen bisher nur schlecht gelungen, den vollen Nutzen aus den 
ich in der Natur darbietenden Naturkräften zu ziehen. 
Die Dampfkraft, der wir die großten Fortschritte unseres 
Zeitalters verdanken, bietet einen guten Beweis von dem noch 
riedrigen Stande unserer Technikt. Was sollten wir daraus er— 
jalten und was erhalten wir daraus? Die Kohle ist die Urquelle 
dieser Kraft; durch Verbrennen derselben unter dem Kessel erzeugen 
vir gespannten Dampf, welcher in der Dampfmaschine die mecha— 
lische Arbeit hervorbringt, indem Wärme in mechanische Bewegung
	        
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